Mengede – Vom Marktflecken zum Stadtbezirk

Eine kleine Chronik über zwei Jahrhunderte – Bilder, Belege und eine kleine Geschichte über Handel, Gewerbe und Bevölkerungsentwicklung

Unter diesem Titel referierte der „Mengeder Archivar“ Franz-Heinrich Veuhoff beim letzten Stammtisch des Heimatvereins in diesem Jahr. Dem Thema angemessen war das Heimathaus an der Williburgstraße bis auf den letzten Platz besetzt.

Ein „Flecken“ ist eine Ansiedlung zwischen einem Dorf und einer Stadt. In der „Westfälischen Geschichte“ von Johann Dietrich von Steinen (1757) und der „Geschichte der evangelischen Gemeinden der Grafschaft Mark“ von Dr. Heinrich Deppe (um 1820) wird der Flecken Mengede als Ackerbauort beschrieben. Der Raum Mengede war identisch mit dem späteren Amtsbezirk und umfasste ein Gebiet von ca. 4.250 ha (6,5 km X 6,5 km).

Die Besatzungsjahre unter Napoleon (1806 – 1812) brachten den Mengedern unerträgliche Belastungen.  Zu  einer  immer höher steigenden Steuerlast kam die rücksichtslose Einziehung der einheimischen  Wehrpflichtigen.

Mengede in alter Zeit zwei Jahrh.Aber auch fortschrittliche und vorbildliche Reformen wurden von den Besatzern beschlossen und eingeführt. So kam es zur Aufhebung der Standesrechte und der Leibeigenschaft sowie der Einführung der Gewerbefreiheit.

Bei der Verwaltungsreform 1815 traten neue Ebenen in Kraft und Mengede gehörte zum Amt Castrop. In diese  Zeit fiel auch die Planung der Ortsumgehung (1810), die nach Beendigung der Fremdherrschaft etwa um 1820   realisiert wurde. Im heutigen Stadtbezirk lebten damals 1.822 Einwohner, wobei „Schloss Bodelschwingh“ mehr Einwohner als Brüninghausen hatte. In den einzelnen Bauernschaften gab es kaum Handwerker. Für die Maßanfertigung von Schuhen und Kleidern waren die zehn Schuhmacher und fünf Schneider zuständig. Fertigwaren gab es noch nicht, das änderte sich aber in den Folgejahren.

Die Hauptgeschäftszeit war immer nach dem Hauptgottesdienst auf dem „alten“ Markt vor Kaffsack  (bis etwa 1917). Hier fanden die drei großen Jahrmärkte jeweils Neujahr, Michaelis im September und der Viehmarkt im April statt. Dann standen auf allen Ortsstraßen Handwerker und Händler. Groß- / Kleinvieh, Lebensmittel, kurz alle Waren des täglichen Gebrauchs wurden angeboten und konnten erworben werden.

Ab 1826 wurde die Katasterurmessung durchgeführt. Damals war zwischen dem Burghof und Oestrich nur freie Fläche / Ackerland (ca. 1,2 km). Der gewachsene Ortskern lag zwischen den vier Stadttoren am Burghof, an der Schieferecke, nahe unseres Heimathauses (Christel-Goltz-Platz) und am Handelshof. Hier spielte sich das tägliche Leben in „Alt- Mengede“ ab.

Mengede in alter Zeit Emscher 3

Das Recht Bier zu brauen besaß Mengede seit Jahrhunderten und wird vor allem für das „Haus Mengede“ urkundlich erwähnt. Aber nur der Wirt Zacharias Vogt unterhielt noch bis 1843 ein Brauhaus. Danach ruhte die „Braukunst“. Erst Ende des Jahrhunderts wurde durch den Wirt Schimmel in Mengede wieder Bier gebraut.

 Die Post

1825 eröffnete das erste Postamt in dem Haus  „Posthorn im grünen Kranze“ bevor sie dann an den Wiedenhof umzog. Dort war auch die Haltestelle der Postkutsche für die Linie Lüdinghausen – Olfen – Bork  Waltrop, die am 1.8. 1848 eingerichtet wurde. 1888 erbaute dann die Familie Schulte eigens für den Postbetrieb an der Siegenstraße ein neues Haus.  1903 zog die Post dann in das Amtshaus bevor 1926 der Neubau an der Strünkeder Straße erfolgte. 2002 ging es dann zum Marktplatz und 2006 in die Heimbrügge. Zwischendurch wurden weitere Filialen und Nebenstellen der Post in Bodelschwingh,  Nette und Westerfilde eröffnet.

Schulen

Bei dem Schulneubau vor der Kirche (1830) wurde auch der Bau eines Aborts geplant und durchgeführt. Die königliche Regierung führt 1842 unter anderem aus:

….daß die Reinlichkeit nicht zu den Nationaltugenden der Bewohner Westfalens zu zählen ist, wie man in jedem Dorf, in den Umgebungen und im Innern eines jeden Bauernhofes überzeugen kann;

Ein herrliches Zeugnis über die gute alte Zeit. IMG_5709

An Schulneubauten folgten bis zur Jahrhundertwende:

Brüninghausen, Nette, Bodelschwingh, Mengede und Oestrich (1908). Bei der katholischen Overbergschule zogen sich die Planung und die Verhandlungen wegen der Emscher ziemlich in die Länge. Die Schule am Markt wurde 1916 im Rahmen der Eröffnung des neuen Marktes eröffnet.

Kirchen

Die ev. St. Remigius Kirche wurde um 1250 errichtet. Die ursprünglich katholische Kirche ging 1672 an die evangelische Kirche. 1866 wurde der Westturm der Kirche neu errichtet. Um 1900 erfolgte der Anbau des südlichen Chores. Die Kirche ist als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Dortmund eingetragen.

Nach Umnutzung der kleinen katholischen Kirche in der Freihofstraße  begann der Kirchenneubau der neuen kath. St. Remigiuskirche mit dem 71 m hohen Turm (1901). In Bodelschwingh wurde die katholische Kirche 1907 erbaut, die evangelische 1910.  St. Josef in Nette (kath.) entstand 1911, die ev. Erlöserkirche 1937.  Der Wiederaufbau erfolgte 1955, der freistehende Turm entstand 1968.

Eisenbahn

Die Industrialisierung begann mit dem Bau der Köln-Mindener-Eisenbahn. In Mengede wurde ein Bahnhof gebaut, der sich damals noch auf der Oestricher Seite befand.  Wegen des großen Flächenbedarfs für den Bahnkörper entstanden die Haltepunkte außerhalb der gewachsenen  Ortschaften. 1887 wurde ein „stattliches“ Bahnhofsgebäude errichtet und 1904 entstand der Bahnsteig. Neben den Personenzügen wurde diese Strecke aber auch sehr stark in den Güterverkehr eingebunden. Kohle, das schwarze Gold des Ruhrgebietes, wurde von den Bergwerken nach Duisburg Ruhrort und zu den Stahlwerken befördert.

Bergbau

1840 fanden die ersten Probebohrungen in Westerfilde statt. Am 11.6.1856 gründete sich daraus die „Bohrgesellschaft Westhusen“. Carl Graf von Bodelschwingh- Plettenberg konnte nur mit Mühe den Bau der Schachtanlage in unmittelbarer Nähe seines Schlosses verhindern. 1857 war der Teufbeginn am Schacht 1 und 1873 begann die Förderung. Für die Bergleute entstand dann bereits 1871 die erste Bergbausiedlung „Alefstraße „in Westerfilde.

Der Beginn der Arbeiten des Schachtbaus auf der Zeche Adolf von Hansemann begann bereits 1856. Dabei ergaben sich nicht vorhersehbare Probleme, so dass mit der Kohleförderung erst 1898   begonnen werden konnte. Angeworbene Bergarbeiter wurden in der Menage Schragmüllerstraße untergebracht.

Hansemann von oben

Mit dem nun erfolgreichen Bergbau wuchs der Amtsbezirk weiter und die Zahl der Einwohner stieg auf über 10.000. Eine Unterbringungsmöglichkeit für ledige Mitarbeiter war das Bergmannsheim an der Sperberstraße. Nach Fertigstellung 1914 diente es nach dem 1. Weltkrieg als Wohnlager für Franzosen und Belgier, die als Gastarbeiter hier beschäftigt waren. Nach dem 2. Weltkrieg lebten dort Arbeitskräfte aus ganz Deutschland. Später dann Spanier, Italiener und Türken, die der Bergbau angeworben hatte.

Im Volksmund hatte das Bergmannsheim den Spitznamen „Bullenkloster“. Der Abbruch erfolgte 1972.IMG_5701

Amt Mengede

1885 wurde das Amt Mengede im Landkreis Dortmund aus den Landgemeinden Bodelschwingh, Brüninghausen, Deininghausen, Deusen, Dingen, Ellinghausen,  Ickern, Mengede, Nette, und Westerfilde gebildet, die bis dahin zum Amt Castrop gehörten. 1917 wurden Groppenbruch, Oestrich und Schwieringhausen  eingemeindet

Bevor am 1.1. 1885 ein eigenständiges Amt gebildet wurde, besaß Mengede ein eigenes Standesamt. Der erste Standesbeamte war der Hauptlehrer Martin Scholl, der das Büro in seiner Wohnung an der Schulstraße 3 unterhielt. Über zwei angemietete Räume bei Baukloh (1889) und das alte Schulhaus am Wiedenhof (1891) ging es dann  1904 in das durch den Amtmann Schragmüller neu errichtete Amtshaus.

Über 4.703 Einwohner (1885), 6.156 Einwohner (1895) wurde dann mit Eröffnung von Adolf von Hansemann Anfang 1900 die 10.000-er Grenze geknackt. 1904 waren es dann 13.631.

 Start zur neuen Ortsmitte

Mit dem Bau des neuen Amtshauses „auf der grünen Wiese“ zwischen dem alten (gewachsenen) Zentrum und dem Bahnhof war der Startschuss für die Bildung eines neuen Ortskerns gegeben. Als nächstes entstand (trotz der Kriegsjahre) der neue Mittelpunkt / Marktplatz in den Jahren 1916/17. Angrenzend war gewaltiges Schulgebäude mit Turnhalle, dem heutigen Saalbau.Der alles überragende Turm diente der Feuerwehr.

Auch die Freiflächen zwischen Ortskern und Bahnhof wurden nach und nach bebaut. Es entstanden Bürgerhäuser und Gewerbeeinrichtungen. Neben dem bereits bestehenden Hotel und Gasthaus  Koke / Kuhhaupt, in dem am 21.1. 1911 das erste Kino in Mengede eröffnete,  entstand die Apotheke (1893) Baumeister (heute Volksbank), Bergebauer (1906) und Emsinghoff.

1923 wurde Mengede dann an das Straßenbahnnetz angeschlossen. Die Endhaltestelle, die zunächst am Ende der Dönnstraße war, wurde 1959 an den Markt verlegt. Am 2.4. 1989 war dann der letzte Betriebstag „unserer“ Linie 5.

Mengede heute

 Auch das Ende des Bergbaus im Ruhrgebiet hat seine Spuren hinterlassen. So zerfielen die Gebäude von „Hansemann“ immer mehr, bevor von 1997 – 2000 die Aufbau- und Renovierungsarbeiten begannen. So entstanden auf rund 47.000 qm  die Freizeitfläche des Hansemannparks und ein Ausbildungsinternat für Gerüstbauer.

Aber es gibt auch noch jede Menge offene Fragen.

Was passiert mit dem alten N+E Gelände an der Dönnstraße ?

Was wird aus dem Kraftwerk Knepper (schließt am 31.12. 2014) ?

Wir hoffen, das Franz-Heinrich Veuhoff diese und andere ausgesparte Themen wie:

  • Eingemeindung 1928;
  • Entwicklung des Verkehrs auf Schiene und Straße;
  • Der Wohnungsbau insgesamt und
  • Handwerk und Handel in den letzten Jahren

auf einem der nächsten Stammtische im Heimathaus genauso bildhaft und informativ behandeln wird.

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Hinweis:

Der monatliche Stammtisch im Heimathaus findet immer am ersten Mittwoch im Monat statt. Beginn ist 19:00 Uhr, Gäste sind gerne gesehen und willkommen.

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