Kindheit in der Zechensiedlung (4) – Kartoffeln, Brot und andere Grundnahrungsmittel

Vorbemerkungen         

Howard B.

Bärbel Howarde

Am 21.Februar 2015 haben wir mit dem Abdruck der beiden ersten Folgen eines in jeder Hinsicht bemerkenswerten Textes begonnen. Es handelt sich um Erinnerungen von Frau Bärbel Howarde an ihre Kindheit in der Zechensiedlung, d.h. in der Kolonie in Mengede. Heute erscheint die Folge 4. In dieser Folge können wir auch Fotos veröffentlichen, im wesentlichen Bilder, die das frühere Einskaufszentrum Ammerstraße/Wodanstraße zeigen.
Frau Howarde lebt heute in Dingen in der “Westheide” und verfolgt die Ereignisse im Stadtbezirk Mengede naürlich mit besonderem Interesse. (K. N.)

 

In der heutigen Folge: Kartoffeln, Brot und anderen Grundnahrungsmittel

Kartoffeln waren in meiner Kindheit neben Brot das Grundnahrungsmittel schlechthin. Zu fast allen Gerichten gab es Kartoffeln: Salzkartoffeln, Bratkartoffeln, Pellemänner, Stampfkartoffeln, Reibeplätzchen, Klöße. Die „Pommes“ waren in Deutschland noch nicht angekommen. Daher lag es auf der Hand, dass unsere eigene Ernte aus dem Garten den Jahres Bedarf nicht annähernd decken konnte.

So fuhren im Herbst Händler herum, die Einkellerungskartoffeln säckeweise anboten. Man konnte aber auch, so wie wir es einige Jahre gemacht haben, selber Kartoffeln ausmachen gehen. Mein Vater, mein Großvater und ich zogen also im Herbst mit einem Bollerwagen los. Hinter dem Krankenhaus, da wo heute ungefähr die Siedlung Erdbeerfeld liegt hatte Bauer Vahle einen großen Kartoffelacker. Vor Ort kaufte man bar in die Hand eine bestimmte Anzahl von Ruten und Reihen und konnte sofort loslegen um den Kartoffelvorrat für das nächste Jahr zu sichern. Mit Forke und Hacke machten sich Vater und Opa an die Arbeit. Ich half beim Einsammeln. Dazu muss ich sagen, dass ich zu dieser Arbeit nicht gezwungen wurde. Ich machte es ausgesprochen gerne, denn das Beste kam erst danach. Nachdem die Ernte in Säcken verpackt im Bollerwagen lag, durfte ich oben auf den Kartoffelsäcken sitzend, die Heimfahrt antreten. Quasi „Hoch zu Sack“ ……. Zuhause warteten Mutter und Großmutter, um von den frischen Kartoffeln sofort Reibeplätzchen zu backen. Die ganz kleinen, die Schweinekartoffeln, wurden ausgesucht und am nächsten Tag gekocht, gepellt und im Ganzen gebraten. Eine Köstlichkeit …

kindheit in der Zechensiedlung 4 Wodanstraße

Heutige Wodanstraße

Das andere Grundnahrungsmittel, das Brot, kauften wir bei den Bäckern Thiemann, Brauckhoff und Tappe an der Ammerstraße und Wodanstraße. Oder bei „Jäger Brot“, einem fliegenden Händler, der samstags aus seinem Lieferwagen frisches Brot, Gebäck und Kuchen anbot. Der Fahrer war ein gutaussehender junger Mann, der gerne mit den Bergmannsfrauen schäkerte, und dadurch immer einen guten Umsatz machte.

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Ammerstraße

Einmal hatte meine Mutter bei einem der Bäcker ein „Kassler Brot“ gekauft und es zu den anderen Einkäufen ganz oben auf ihre braune Einkaufstasche gelegt. Es hatte vom Backen an beiden Enden eine runde Stelle wo die Krume nicht von einer Kruste bedeckt war. Wir schlenderten noch etwas über die Ammerstraße. Meine Mutter sah sich die verschiedenen Schaufenster an und blieb gelegentlich stehen, um sich mit jemandem zu unterhalten. Mir war langweilig und weil die Stelle am Brot, die für mich genau in Sicht- und Greifhöhe lag groß genug und meine Hände klein genug waren, begann ich damit wie eine listige Maus die Krume heraus zu zupfen. Meine Mutter war so beschäftigt, dass sie davon nichts merkte. Als wir wieder zu Hause waren hatte mein Tunnelanlage schon eine beachtliche Größe erreicht. Beim Auspacken der Einkaufstasche sah meine Mutter das Loch im Brot. Sie hielt es für einen Produktionsfehler und schimpfte auf den Bäcker. Ich spielte das Unschuldslamm und beteiligte mich nicht weiter an der Aufklärung des Falls. Sicher hat sie bei ihrem nächsten Einkauf das Brot bei dem ahnungslosen Bäcker erfolgreich reklamiert.

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Lebensmittel, die nicht im Garten wuchsen wurden oft von uns Kindern mit Einkaufszettel in mehreren kleinen Läden an der Ammerstraße besorgt. Überhaupt gab es alles, was man zum Leben brauchte in kleinen Geschäften ganz in der Nähe. Apotheke, Arzt und Kneipen fehlten auch nicht. Und für die schnelle Versorgung mit Flaschenbier, Sprudel und Tabakwaren waren ja auch noch die Trinkhallen oder das „Büdchen“ da. Die waren bei uns Kindern sehr beliebt. Dort gab es Brause, Kaugummi mit Sammelbildern oder abgezählte Bonbons. Wenn der eine oder andere mal einen Groschen oder zwei bekommen hatte, standen meist kleine Gruppen vor der Auslage und rechneten und schauten und konnten sich zum Ärger des genervten Büdchenbesitzers nicht entscheiden, wie sie ihr Kapital anlegen sollten.

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Ammerstraße / Käthe-Kollwitz-Straße

Die vortehenden Fotos wurden von Franz-Heinrich Veuhoff zur Verfügung gestellt
(wird fortgesetzt)

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