Arme Noah Gemeinde – Requiem für einen Turm

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Requiem für einen Turm

Friedrich von Schiller (1759 -1805), einer der größten deutschen Dramatiker, lieferte die Vorlage. Sein berühmtes „Lied von der Glocke“, erstmalig veröffentlicht im Jahre 1799, enthält viele Passagen, die bei geringfügiger Erweiterung, Umschreibung und Änderung der Vers-Reihenfolge die Resignation charakterisiert, die mit der Schließung der evangelischen Kirche in Nette verbunden ist.
Mit dem von den Kirchenverantwortlichen geplanten Abbruch des Kirchturms, eines der wenigen den Ortsteil prägenden Wahrzeichen, verliert die Gemeinde ein bedeutendes Identifikations-Symbol und einen Anker und der Ort eine Landmarke.

Requiem für einen Turm

Fest gemauert in der Erden
steht der Turm auf Kirchenland.
Doch er soll vernichtet werden,
wird zerlegt in Stein und Sand.

Mit seiner Glocken Feierklange
begrüßte er das liebe Kind.
Auf seines Lebens erstem Gange,
den es in Schlafes Arm beginnt.

Und wo das Strenge mit dem Zarten,

wo Starkes sich und Mildes paarten,

da gab es einen guten Klang.

Der Wahn ist kurz, die Reu´ ist lang.

Lieblich in der Bräute Locken

spielte der jungfräuliche Kranz,

als seine hellen Kirchenglocken

luden zu des Festes Glanz.

Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine

riefen die Glocken die Gemeinde.

Und dies war fortan ihr Beruf,

wozu der Meister sie erschuf.

Sollten eine Stimme sein von oben,

wie der Gestirne helle Schar,

die ihren Schöpfer wandelnd loben

und führen das bekränzte Jahr.

Nur ewigen und ernsten Dingen

war ihr metall´ner Mund geweiht.

Und stündlich mit den schnellen Schwingen

berühr´n im Fluge sie die Zeit.

Keiner kann die Frevler loben,
denn das „Fällt ihn!“ kam von oben.
Das Presbyterium hat´s beschlossen,
der Netter Turm wird abgeschossen.

Zum Werke, das sie nun bereiten,

geziemt sich wohl ein ernstes Wort.

Weil böse Reden sie begleiten.

So planten sie des Turmes Mord.

Wir müssen ohnmächtig betrachten,

was durch die schwache Kraft entspringt.

Den schlechten Mann muss man verachten,

der nicht bedacht, was er vollbringt.

Das wär´s ja, was den Menschen zieret.

Doch dazu fehlt ihm der Verstand,

weil er doch nichts im Herzen spüret,

was andre schufen mit der Hand.

Nun zerbricht man das Gebäude.

Eure Absicht wird erfüllt,

dass unser Herz und Auge leide
an dem beklagenswerten Bild.

Hört ihr’s wimmern hoch vom Turm!

Wehrlos steht er da im Sturm.
Leergebrannt wird seine Stätte,

wilder Stürme raues Bette.

Jetzo mit der Kraft des Stranges

fall´n die Glocken aus der Luft,

dass sie aus dem Reich des Klanges
stürzen in die Erdengruft.

Trauer ist in Nette heute,
Friede war ihr erst Geläute.

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