Karfreitagsgedenken am Mahnmal in der Bittermark

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Traditionelle Veranstaltung diesmal im Zeichen der deutsch-französischen Freundschaft

Im Gedenken an die Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft versammelten sich an Karfreitag mehr als 2.000 Dortmunder am Mahnmal in der Bittermark.
Dort und im Rombergpark wurden um Ostern 1945 etwa 300 Frauen und Männer von der Gestapo ermordet. Sie kamen aus dem deutschen und ausländischen Widerstand, waren Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangene. Das Mahnmal wurde vom Hagener Künstler Karel Niestrath und dem Dortmunder Architekten Will Schwarz im Auftrag der Stadt geschaffen und 1960 vollendet.

Französische Jugendgruppe zu Gast in Dortmund
Leyla Struck und Nicolas Weidemann, Botschafterinnen und Botschafter der Erinnerung (BdE), moderierten die Veranstaltung. Die Jugendlichen engagieren sich beim Jugendring Dortmund, um Opfern der Nazidiktatur ein Gesicht zu geben und sich gegen das Vergessen zu stellen. Auf Einladung des Jugendrings Dortmund gestaltete eine französische Jugendgruppe das diesjährige Gedenken in der Bittermark mit. Die elf Jugendlichen aus Frankreich sind im Alter von 15 bis 17 Jahren und besuchten in der Karwoche die Stadt Dortmund.

Die diesjährige Gedenkveranstaltung in der Bittermark stand ganz im Zeichen der deutsch-französischen Freundschaft: Anfang März hat sich eine Dortmunder Delegation unter der Leitung von Bürgermeisterin Birgit Jörder auf den Weg nach Paris gemacht. Das Ziel: Der legendäre Friedhof Père Lachaise, im 20. Arrondissement der Stadt gelegen, auf dem sich auch ein Mahnmal für das Gedenken an die Opfer der Zwangsarbeit befindet.

Gemeinsam mit den Botschaftern haben sie im Vorfeld der Gedenkveranstaltung ein gemeinsames Programm erarbeitet. So begrüßten die Jugendlichen die Anwesenden in zehn verschiedenen Sprachen und verbildlichten in einer pantomimischen Inszenierung das schreckliche Geschehen in der Bittermark. “In einer Welt, in der extreme Haltungen immer populärer werden, müssen wir für die Menschenrechte kämpfen. Wir wollen keinen Hass, wir wollen ein weltoffenes Europa“, so die Forderung der Jugendlichen.

Nachfolgend ein Auszug aus dem Grußwort von Bürgermeisterin Birgit Jörder: 


Mittlerweile trennen uns Jahrzehnte von den Toten und den Taten. Jahrzehnte, in denen die Erinnerung gepflegt und die Mahnung gegen das Vergessen und gegen Nationalismus und Faschismus stets bewahrt wurde. Der zunehmende zeitliche Abstand zu den Verbrechen entbindet uns jedoch nicht von der Verantwortung, die Erinnerung aufrechtzuhalten, sondern verpflichtet uns vielmehr, zukünftige Generationen zu mahnen.

Bei der Einweihung der Krypta an Karfreitag im Jahr 1958 sagte unser damaliger Oberbürgermeister Dietrich Keuning: „Alle Teilnehmer mögen feierlich das Versprechen abgeben, alles in ihrer Kraft Stehende zu tun, um solche Gräueltaten, wie sie hier geschahen, in Zukunft zu verhindern.“

60 Jahre sind diese Worte nun alt und doch keineswegs veraltet. Dass Sie alle an diesem Tag in die Bittermark gekommen sind zeigt mir, dass das Versprechen weiterhin fortbesteht. Je weiter die Zeit voranschreitet, umso wichtiger wird dieses Versprechen. Denn 60 Jahre bedeuten unweigerlich auch Vergessen. Die Zeitzeugen, die aus eigenem Erleben berichten können, werden weniger, das Interesse der kommenden Generationen schwindet. Doch die Erfahrungen, die unsere Vorfahren und wir gemacht haben, dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Darum war es nie wichtiger, an diese Worte zu erinnern.

Besonders in der heutigen Zeit, in der Rechtspopulismus und Nationalismus in Europa Zulauf bekommen, müssen wir uns unserer Verantwortung stellen und für ein freies, solidarisches und demokratisches Europa eintreten.

In Deutschland sind wir in der glücklichen Situation, dass wir in Frieden mit unseren Nachbarn zusammenleben und von Kriegen verschont bleiben. Doch dieser Zustand ist nicht selbstverständlich. Besonders nach den Geschehnissen des zweiten Weltkrieges grenzt es an ein Wunder, dass wir in die internationale Gemeinschaft aufgenommen wurden und in Verbundenheit zusammenleben. In einem hoffnungsvollen Moment der Geschichte haben uns auch die Bürgerinnen und Bürger Frankreichs, trotz all der Grausamkeiten und all dem Leid, das Deutschland über sie gebracht hat, die Hand gereicht und uns Partnerschaft und Freundschaft angeboten. Für dieses damals erwiesene Vertrauen gebührt unseren französischen Freunden unser Dank.

Nach Jahrhunderten der Kriege zwischen unseren beiden Nationen leben wir heute friedlich zusammen. Die Erbfeindschaft von damals ist vergessen. Heute sind wir Garanten des Friedens und der europäischen Einigung.

Als Zeichen der Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland und als Zeichen der Verbundenheit zwischen der Stadt Dortmund und dem Verband der Zwangs- und Arbeitsdeportierten Frankreichs, habe ich am 13. März an einer bewegenden und würdevollen Zeremonie auf dem Friedhof Père-Lachaise in Paris teilgenommen. Von dort durfte ich französische Erde nach Dortmund überführen. Diese wurde gerade in die Krypta getragen. Sie ist das Gegenstück zu einer Urne mit Erde aus der Bittermark, die am Mahnmal für die französischen Zwangsarbeiter auf dem Pariser Friedhof steht.

So befindet sich nun nicht mehr nur deutsche Erde auf französischem Boden, sondern auch französische Erde auf deutschem Boden. Für meine Amtskollegin Catherine Vieu-Charier, stellv. Bürgermeisterin von Paris, war die Zeremonie auf dem Friedhof Père-Lachaise ein Symbol. Mehr als eine Erinnerung sei es ein Versprechen für die Zukunft. Die Erhaltung des Friedens sei eine Pflicht gegenüber den Opfern und den Vermissten, eine Verpflichtung für die Lebenden und eine Verantwortung gegenüber unseren Kindern.

Meine Damen und Herren,

die Vergangenheit können wir nicht verändern, doch die Gegenwart können wir gestalten. Wenn ich sehe, dass heute, zum 60. Jahrestag der Einweihung der Krypta, immer noch so viele Menschen an diesen Ort kommen, dann ist mir um die Zukunft nicht bange. Und wenn ich sehe, dass unter uns viele Jugendliche und junge Erwachsene sind, die die Veranstaltung sogar moderieren und mitorganisiert haben, so bin ich überzeugt, dass wir auch in Zukunft das von Dietrich Keuning eingeforderte Versprechen einlösen werden und solche Gräueltaten, wie sie hier geschahen, verhindern werden.

Wir alle, die wir uns heute hier versammelt haben, haben eine starke Stimme. Also lassen Sie uns gemeinsam weiterhin gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus, gegen Rassismus und Antisemitismus und gegen jegliche Form von Diskriminierung kämpfen. So bleibt Dortmund eine tolerante und weltoffene Stadt.

Fotos: Dortmund-Agentur

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