50 000 – Eine Kolumne von Peter Grohmann

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50 000

Eine Kolumne von Peter Grohmann

KONTEXT:Wochenzeitung vom 25. 4. 2018

50 000 Krankenschwestern, Trostspenderinnen, Pflegediener, Arschputzer, Nachtwächter und Kindergärtnerinnen fehlen in Deutschland, mindestens. Das weiß man seit vielen Jahren. Das weiß der schwarze Vielschwatz Spahn, aber er kann natürlich nix machen. Die Parteien wissen es auch, die können auch nix machen, genauso wenig wie die Krankenkassen, die Kostenträger oder die Sozialversicherungen, die Angehörigen.

Nur die Betroffenen machen was. Ins Bett, in die Kissen heulen, nach Schmerztabletten klingeln, aufgeben. Sie liegen unrasiert und fern der Heimat im Nest und klingeln nach der Nachtschwester. Die hat aber zwischen 40 und 80 Leute zu betütteln und betreuen, hin und wieder auch ein paar mehr, Schwerkranke und Simulanten, latente Demente, Bettnässer, Aggressive, Verzweifelte, Sterbende. Sie rennt von Bett zu Bett, von Zimmer zu Zimmer, und wenn sie endlich beim sechzigsten Bett angekommen ist, ist der erste gestorben, ohne letztes Händchenhalten oder Nachricht an die Verwandtschaft.

Ich weiß, dass Sie alle das wissen, die Ärzte wissen es, die Presse sowieso, aber da sind wir uns mit meiner Omi Glimbzsch in Zittau einig: Da kann man nix machen. Die Bezahlung der Dienste ist ungerecht und mehr als mies, die Ausbildung praxisfern, die Belastung für die Pflegekräfte so groß, dass tausende das Pflegehandtuch in die Ecke schmeißen und mit Hartz IV sichtlich bessergestellt sind. Echt jetzt. Der Rest heult mit den Patienten.

Die meisten von uns haben bekanntlich noch nie eine echte Pflege erlebt und nie einen echten Krieg, so mit Blut und Bomben und allem Drum und Dran, und mit Flüchtlingen. Gut so. Gut so, dass Sie dafür sind, dass es so bleibt. Kriege heute sind “auswärts” und ein Erlebnis am Fernsehen. Das hat was! Mit eingebetteten Journalisten in Irgendwo einzumarschieren, in der ersten Reihe, auf besten Plätzen, auf auf, auf die Krim, in den Irak, nach Libyen, in den Libanon, befreien, befrieden, Palästina, Syrien, egal. Assad muss weg, Kim darf bleiben. Gaddafi muss weg, Mohammed bin Salman darf bleiben. Allende muss weg, Pinochet darf bleiben. Manchmal helfen Pflegekräfte aus den USA oder aus Russland, wenn es um die Beseitigung geht. Und was den Krieg angeht: Die da oben werden schon wissen, was richtig ist. Ein Krieg ist viel zu gefährlich, als dass er uns Angst machen könnte. Wir leben auf der sicheren Seite und tun was für die Flüchtlingspflege.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter.
Die KONTEXT:Wochenzeitung ist eine Internet-Zeitung aus Stuttgart, die seit bald 7 Jahren wöchentlich mittwochs ins Netz gestellt wird. Zusätzlich liegt sie als Printausgabe der Wochenendausgabe der taz bei. Wir danken der Redaktion und Peter Grohmann für die Zustimmung zum Abdruck der Kolumne. Näheres unter:
https://www.kontextwochenzeitung.de/kolumne/369/50-000-5041.html 

 

 

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