Die Gestaltung lebzeitiger Übertragungen

| Keine Kommentare

Tücken der vorweggenommenen Erbfolge

Dass die Nachkriegsgeneration enorme Vermögenswerte erwirtschaftet hat, ist bekannt. Von diesem Vermögen wird jedoch nur ein geringer Teil vererbt. Der überwiegende Teil wird bereits zu Lebzeiten übertragen. Für diese lebzeitige Übertragung, die vorweggenommene Erbfolge, gibt es mehrere Gründe. Bei hohen Vermögenswerten stehen steuerliche Überlegungen im Vordergrund.

Es ist möglich, die Steuerfreibeträge zu Lebzeiten mehrfach auszunutzen. Häufig ist es die Sorge vor Rückgriffen des Sozialamtes in Pflegefällen. Auch das Bedürfnis, bereits zu Lebzeiten einvernehmliche Vereinbarungen zu treffen, spielt in der Praxis eine Rolle. In jedem Fall sollte der Grund für die vorweggenommene Erbfolge untersucht werden.

Häufig ist es nicht erforderlich, z.B. das Familienheim zu Lebzeiten auf die Kinder zu übertragen. Steuerliche Gründe sind nur selten entscheidend. Die Freibeträge und zusätzlichen Steuerbefreiungen decken den Großteil der Fälle ab. Eine drohende Pflegesituation kann in der Tat zu einem Rückgriff auf das Vermögen führen. Es besteht aber eine zehnjährige Rückforderungsmöglichkeit, die zu beachten ist.

Das Bedürfnis, eine einvernehmliche Regelung bereits zu Lebzeiten treffen zu wollen, kann leicht nach hinten losgehen. Nicht selten werden hierdurch bereits schwelenden Unzufriedenheiten aufgedeckt. Der Streit, den man eigentlich vermeiden will, entsteht schon vor dem Tod.

Soll bereits zu Lebzeiten Vermögen übertragen werden, sind zwingend mögliche Ausgleichssprüche unter den Erben zu berücksichtigen. Vorempfänge einzelner Erben können zu Ausgleichspflichten nach dem Tod des Erblassers führen, es können Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche ausgelöst werden.

Die Gestaltung lebzeitiger Übertragungen muss also gewissenhaft und immer bezogen auf den Einzelfall erfolgen. Allgemeine Ratschläge, Immobilien oder sonstige Vermögenswerte frühestmöglich schon zu Lebzeiten auf die Kinder zu übertragen, ohne die besondere familiäre Situation zu berücksichtigen, sind unseriös.

Kai Neuvians – Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Erbrecht

 

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.