heute mit Ulrich Fehlauer und Dr. Folker Kozianka zum Thema:
Holt die Kinder vom Strich
„roterkeil , kenn‘ ich nicht ! Oder vielleicht doch? Im Zusammenhang mit dem BVB habe ich davon gehört oder gelesen….“
So oder ähnlich könnten auf Nachfrage Gespräche im Stadtbezirk Mengede beginnen, wenn es um den Verein geht, der gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern kämpft. Ein Anliegen, das sicherlich vielen am Herzen liegt und das Unterstützung dringend benötigt.
Informationen über diesen eingetragenen Verein roterkeil Dortmund zu bekommen, ist für Interessierte nicht schwierig. Einmal natürlich über das Internet, zum anderen aber auch über persönliche Kontakte mit zwei Vorstandsmitgliedern des Vereins, die aus dem Stadtbezirk Mengede kommen und in Bodelschwingh wohnen: Ulrich Fehlauer und Dr. Folker Kozianka. Beide sind seit längerer Zeit ehrenamtlich tätig: Ulrich Fehlauer derzeit als Schatzmeister und Dr. Folker Kozianka derzeit als Beisitzer im Verein roterkeil . Beide sind im Stadtbezirk Mengede besser bekannt im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit. Der eine – Ulrich Fehlauer – als stellv. Aufsichtsratsvorsitzender der Volksbank Dortmund Nord-West; der andere – Dr. Folker Kozianka – als Allgemeinmediziner in Bodelschwingh.
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Beide bemühen sich intensiv, die Ziele des Vereins roterkeil umzusetzen, d.h. „dem organisierten Verbrechen der Kinderprostitution und der Kinderpornografie eine starke Bewegung entgegenzusetzen.“ Das scheint eine Sisyphus-Arbeit zu sein, denn wer sich allein einige Daten zu dem Problem ansieht, den überkommt die kalte Wut. Nach aktuellen Veröffentlichungen des Bundeskriminalamtes (BKA) wird der weltweite Umsatz, der mit Kinderprostitution und mit Kinderpornografie erzielt wird, auf 10 -12 Milliarden US-Dollar geschätzt. Damit gehört die sexuelle Ausbeutung von Kindern – neben Waffen- und Drogenhandel – zum weltweit ertragsreichsten Geschäftszweig. Allein in Deutschland geht man von jährlich 300.000 Fällen von Kindesmissbrauch aus, wobei die Dunkelziffer vom BKA deutlich höher angesetzt wird.
Ziel der Dortmunder Gruppe roterkeil ist es – ebenso wie das der übrigen bisher bestehenden Gruppen in Olfen, Greven, Senden, Bottrop und der roterkeil.net-Stiftung – die Bevölkerung aufzuklären und durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit – natürlich insbesondere die Dortmunder – zu einem einflussreichen Bündnis zusammenzuschließen.Die Beiträge, Fördermittel und Spenden, die durch die Aktivitäten von roterkeil eingehen, fließen in die Projekte und Fördermaßnahmen. Das Netzwerk selbst betreibt keine eigenen Projekte, sondern stellt Gelder für bereits vorhandene zur Verfügung. Diese Vorgehensweise entspringt dem Grundgedanken, dass es zielgerichteter ist, bereits existierende Projekte zu unterstützen, als mit hohem personellen und finanziellen Aufwand neue zu initiieren.
In Dortmund arbeitet roterkeil eng mit der Mitternachtsmission zusammen, d.h. es gibt eine Arbeitsteilung: Schwerpunkt der Arbeit von roterkeil ist die Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung sowie damit verbunden das Einwerben von Spenden. Die konkrete Arbeit „vor Ort“ übernimmt die Mitternachtsmission.
Kinder und Jugendliche in der Prostitution benötigen ein Hilfsangebot, das auf freiwilliger Basis in Anspruch genommen werden kann und das sofort und unbürokratische Hilfe anbietet. So ist denn auch der Schwerpunkt der Arbeit der Dortmunder Mitternachtsmission für diesen Aufgabenbereich die aufsuchende Sozialarbeit, auch Streetwork genannt, d.h. die Mitarbeiterinnen – zwei hauptamtliche Mitarbeiterinnen, die durch 6 Honorarmitarbeiterinnen unterstützt werden – gehen dort hin, wo Kinder und Jugendliche „arbeiten“.
Was heißt das? Da es in Dortmund für Minderjährige praktisch unmöglich ist in den legalen Prostitutionsbereichen (angemeldete Clubs, Wohnungen und Bordellstraße) zu arbeiten, bleiben ihnen nur die Straße, Kneipen und illegale Wohnungen. Die Prostitution dieser Kinder und Jugendlichen erfolgt verdeckt, das bedeutet für die konkrete Arbeit, dass die Mitarbeiterinnen in einem sehr großflächigen Bereich streetworken müssen.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass es wichtig ist, täglich 2x präsent zu sein, zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten. Ein Einsatz der Streetworker vor Ort dauert mindestens eine Stunde bis zu durchschnittlich 3-4 Stunden. Bis Einbruch der Dunkelheit ist jeder allein unterwegs, denn die Eins-zu-eins-Situation bietet die beste Form der Kontaktaufnahme zu neuen Mädchen. Abends und nachts sind sie zu zweit unterwegs. Abgesehen von festen Verabredungen vor Ort weiß das Team nie, was beim Einsatz zu erwartet. Oftmals sind sofortige weitergehende Hilfen notwendig.Das hört sich auf den ersten Blick so an, als müssten die Leute von der Mitternachtsmission die „Drecksarbeit“ machen und die von roterkeil wären die feinen Leute. So ist es nur vordergründig, denn wer das Elend der Kinder- und Jugendprostitution mitbekommt – an welcher Stelle auch immer – benötigt eine Portion Optimismus, um nicht an den schwierigen Verhältnisse zu verzweifeln. Denn eins ist sicher: Werden für Kinder und Jugendliche in der Prostitution keine Angebote und Hilfen zur Entwicklung von Zukunftsperspektiven geschaffen, kann man davon ausgehen, dass der gefährdete Personenkreis sich von dem Milieu nicht mehr lösen kann. Insbesondere bei den drogenabhängigen Mädchen besteht enormer Handlungsbedarf, denn hier stehen kaum Beratungs- und Betreuungsangebote zur Verfügung. Absehbare Folgen: Immer mehr dieser Kinder und Jugendlichen verlieren sich in der Drogen- und Prostitutionsszene.
Es ist daher wichtig die Mitternachtsmission nachhaltig finanziell zu unterstützen. Das wird entweder durch roterkeil Dortmund sichergestellt oder, wenn es in Dortmund ‚mal knapp werden sollte mit dem Geld, springt das Netzwerk roterkeil-net ein. Dadurch verfügt die Mitternachtsmission halbwegs über eine Budget-Sicherheit und wird nicht durch Ausfall von privaten Förderern gezwungen, Betreuungsmaßnahmen zu reduzieren, was sofort mit einer Gefährdung der bisherigen Arbeit verbunden wäre.
Daher: Ohne finanzielle Unterstützung ist die Weiterführung dieser Aufgaben gefährdet. Das jährliche Spendenaufkommen aus dem privaten Bereich ist überschaubar und soll durch gezielte
Öffentlichkeitsarbeit erhöht werden. Zur Seite stehen den Verantwortlichen die so genannten Schutzengel, die mithelfen, das Anliegen des Vereins roterkeil bekannt zu machen. Es ist löblich und in der heutigen Gesellschaft offenbar notwendig, dass Prominente mit guten Beispielen vorangehen und nicht nur mit ihrem Namen für die gute Sache einstehen.
Ohne die Verdienste der Schutzengel zu schmälern: Die „Erzengel“ – jedenfalls für diejenigen, denen unverdrossen Hilfe und Unterstützung zuteil wird und denen es vielleicht gelingt, sich aus der Gewalt- Prostitutions- und Drogenszene zu lösen – die sitzen in der Mitternachtsmission und im Verein roterkeil .
Das Spendenkonto von roterkeil Dortmund e.V. lautet: Volksbank Dortmund Nordwest eG;
Konto-Nr: 4140 984 900 BLZ: 440 601 22 oder
BIC: GENODEM1DNW
IBAN: DE09 4406 0122 4140 9849 00.
Im folgenden Anhang ist der Bericht aus dem Alltag der Mitternachtsmission Dortmund beigefügt, verfasst von einer Mitarbeiterin:
Genauso so unterschiedlich wie die Einstiegsbedingungen in die Prostitution sind, genauso vielfältig sind auch die Beratungen und deren Schwerpunkte. Zur Veranschaulichung zwei Fallbeispiele: Lena fiel dem Ordnungsamt und den Streetworkern das erste Mal mit 14 Jahren auf, da sie in der nördlichen Innenstadt sexuelle Dienstleistungen anbot. Gespräche mit den Jugendamt und der Familie konnten die Situation relativ schnell klären, so dass Lena nicht mehr anschaffen ging.
Wir begleiteten Lena und ihre Familie noch ein paar Monate. Die Entwicklung verlief wunschgemäß. Wir regten allerdings einen Schulwechsel an, da Lena in ihrer bisherigen Schule extrem gemobbt wurde. Nach gut einem Jahr nahm die Polizei zu uns Kontakt auf. Lena war wieder wegen Prostitution aufgefallen. Lenas Geschwister hatten mittlerweile beide zu einer weiterführenden Schule gewechselt,sowohl sie als auch Lena wurden in den Schulen wieder gemobbt, da sie bei den „Bekleidungs- und Ausstattungsvorschriften“ ihrer Mitschüler nicht mithalten konnten. Über die Möblierung ihrer Kinderzimmer wurde zunächst gelacht, dann kamen überhaupt keine Mitschülerinnen mehr zu ihnen zu Besuch.
Lena versuchte einfach durch die Prostitution für sich und ihre Geschwister Sachen zu finanzieren, die ihnen die Akzeptanz und auch Zuneigung ihrer Mitschüler wiederbringen sollten. Die Familie lebte von ALG II, das bekanntlich nur das Existenzminimum sichert. Was uns allerdings bis dahin nicht bekannt war, war die hohe Überschuldung der Familie. Durch Verhandlungen mit Gläubigern oder den klaren Hinweis an diese, dass die Familie zurzeit zahlungsunfähig ist, konnten wir Entspannung in die finanzielle Situation bringen. Aber zaubern konnten wir auch nicht, so dass es bei den Kindern immer wieder Bedürfnisse gab, die vom ALG II nicht zu befriedigen waren.
Lena „entschied“ sich dann immer für den ihr bekannten Weg. Wir waren in großer Sorge, da sie einenzunehmend teilnahmsloseren Eindruck hinterließ. Letztendlich besprachen wir unsere Einschätzungen und Beobachtungen mit ihr, und dass wir sie „hier“ nicht mehr schützen können. Zu erwähnen ist auch, dass Lara einen größeren Kreis von Stammkunden hatte, die ihre private Handynummer besaßen oder in der näheren Umgebung wohnten.
Lena lebt heute in einer Wohngruppe. Sie hat sich dafür freiwillig entschieden. Dieser Schritt ist ihr – auch auf Grund ihres starken Verantwortungsgefühls für ihre kleineren Geschwister – nicht leicht gefallen.
Ganz anders die Situation von Anna. Sie kommt aus einer gut situierten Familie. Die Mutter ist zwar allein erziehend, hat jedoch einen gut bezahlten Job und der Vater zahlt großzügig Unterhalt. Anna lernte mit 16 Jahren in einer Diskothek einen „sehr netten“ jungen Mann kennen. Er war sehr aufmerksam, sehr charmant, sehr großzügig und gab ihr das Gefühl etwas ganz Besonderes zu sein. Es war die große Liebe.
Das Paar plante eine gemeinsame Zukunft, was Anna nach der Schule machen wollte (Der junge Mann war ja nur vorübergehend arbeitslos und hatte natürlich die sichere Aussicht auf eine sehr gut bezahlte Managerstelle in einem Autohaus?!), wo man wohnen wollte, wie man sich einrichten würde, wohin man in Urlaub fahren würde und sogar wann man an die Kinderplanung denken sollte.
Pech war jetzt nur, dass sich der Beginn der Managertätigkeit immer weiter verzögerte. Zum Beispiel musste dann doch ein neues eigenes Büro für den jungen Mann geschaffen werden, was diverse Umbauarbeiten notwendig machte. Dann hatten die Handwerker Murks gebaut…. Unter Tränen berichtete der junge Mann Anna eines Tages, dass er nun in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei. Er hätte nun Möbel etc. für seine Wohnung kauft, damit Anna sich bei ihm wohl fühle und er müsse ja noch (nur) ein paar Raten für sein Auto bezahlen. Allerdings hätte er jetzt auch hohe Pokerschulden und die Leute, denen er etwas schulden würde, wären nicht zimperlich!
Gemeinsam überlegte man einige Tage, was man tun könnte. Vielleicht wären die Leute bereits zufrieden, wenn man einige hundert Euro anzahlen könnte. So kam es zu Annas erstem Einsatz auf einem Straßenstrich außerhalb Dortmunds. Natürlich waren die Leute nicht nur mit einer Anzahlung zu frieden. So kam es zu weiteren Einsätzen von Anna auf der Straße.
Sie kam über die Polizei zu uns. Auf Grund der Bedrohungssituation musste Anna in ein anderes Bundesland. Sie lebt heute bei der Cousine ihrer Mutter und hat eine Ausbildung begonnen. Es geht ihr richtig gut.