Helga Malten präsentierte Schmuck im Rittersaal des Haus Opherdicke
Am letzten Wochenende gab es in Haus Opherdicke in Holzwickede eine bemerkenswerte Ausstellung. Helga Malten – lange Jahre als Galeristin auf der Kleppingstraße in Dortmund ein Begriff für individuellen, künstlerischen Schmuck – präsentierte Schmuck von Alexandra Bahlmann, Ike Jünger, Hadfried Rinke und Caroline von Steinau-Steinrück.
Haus Opherdicke
Haus Opherdicke liegt östlich des Ortskerns Opherdicke hoch über dem Ruhrtal, ein im 12. Jahrhundert erbautes Wasserschloss. Seit 1980 befindet sich der ehemalige Adelssitz im Besitz des Kreises Unna.
Dank der großzügigen Unterstützung aus Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen wurde es möglich, Haus Opherdicke zu einem viel beachteten Beispiel für den gelungenen Ausgleich zwischen den Geboten des Denkmalschutzes und den Erfordernissen einer zeitgemäßen Nutzung werden zu lassen.
Neben den architekturhistorischen Qualitäten und der Schönheit der Lage ist es vor allem das attraktive Veranstaltungsprogramm, das diesem Ort eine überregionale Aufmerksamkeit schenkt. Kammermusikalische Konzerte, Workshops, Festivals, und Kunstausstellungen in unvergleichlichem Ambiente haben einen stetig wachsenden Freundeskreis – so steht es im Internet zu Haus Opherdicke auf der Seite www.kulturkreis-unna.de
Die vier anwesenden Künstlerinnen und Künstler stellten ihre aktuellen Kreationen aus und fanden ein interessiertes – teilweise begeistertes Publikum. Der Rezensent dieser Ausstellung war ebenfalls von den Broschen, Halsketten, Ringen und Armreifen beeindruckt – Schmuck trägt er allerdings nicht, wie die meisten Männer; allenfalls einen Ehering und eine Armbanduhr. Selbst die früher obligatorische Krawatte und das „Kavalierstuch“wird bei derartigen Ereignissen nicht mehr aus dem Schrank geholt.
So war es denn zwangsläufig, dem Grußwort von Thomas Hengstenberg – Fachbereich Kultur und Medien des Kreises Unna – zuzuhören. Was er sagte, war für ein Grußwort ungewöhnlich anregend und wird deswegen zur Lektüre empfohlen.
Grußwort zur Eröffnung der Ausstellung „Schmuckdesign“ am 21. März 2015 auf Haus Opherdicke
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
im Namen des Hausherrn auf Haus Opherdicke, dem Kreis Unna, heiße ich Sie herzlich willkommen.
Mein ganz besonderer Gruß gilt Alexandra Bahlmann, Ike Jünger, Caroline von Steinau-Steinrück und Jürgen Hanfried Rinke, die heute und morgen im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit stehen.
(…)
Ich freue mich darüber, dass Sie dieses Haus für ihre Präsentation ausgewählt haben, denn dies ist ein Ort, der der Begegnung mit den Künsten gewidmet ist. Vor gut 30 Jahren wurde er von dem Kreis Unna erworben, um seinen Fortbestand zu sichern und um hier eine Insel der Erholung für Geist und Seele in einer Alltagsweilt zu schaffen, die uns zu oft durch ihr Tempo und durch ihre Lautstärke vom dem Blick auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens ablenkt.
Zwischen dem biblischen Satz: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“ und Gotthold Ephraim Lessings Dialog aus dem Trauerspiel Emilia Galotti mit der Frage: „Was macht die Kunst?“ und der Antwort „Die Kunst geht nach Brot“, liegt eine tiefe, über Jahrhunderte gepflegte Kluft. Wir alle kennen dies aus den Endlosdebatten, die wir immer dann zu erdulden haben, wenn die wirtschaftliche Lage uns zwingt, Prioritäten zu setzen.
Meiner Meinung nach, gibt es diesen Konflikt jedoch nicht. Ich denke viel mehr, dass Heinrich Große-Brockhoff, der damalige Staatssekretär für Kultur des Landes Nordrhein Westfalen, die Situation vollkommen richtig beschrieben hat, als er in den letzten Tagen seiner Amtsführung feststellte: „Kunst und Kultur sind nicht Folge des Wohlstands, sondern seine Voraussetzung.“
Es ist hier und jetzt nicht meine Aufgabe, meine verehrten Damen und Herren, über Schmuck zu referieren. Dazu sind andere berufen, die in diesem Punkt sehr viel kompetenter sind als ich. Lassen Sie mich daher nur so viel feststellen:
Seit Anbeginn seiner Kultur trachtet der Mensch nach Wegen, sich zu schmücken und sich mit Dingen zu verschönern, die ihn von anderen unterscheiden.
Ob Körperbemalung oder einfache Perlen aus Samen, Beeren oder Muscheln, ob Knochen, Zähne der Jagdbeute oder Steine, die durchbohrt und durch eingeritzte Muster verändert wurden, all diese Dinge mochten zwar eine Signalwirkung haben, waren jedoch frei von jeglichem praktischen Nutzwert.
Und vor allem, es waren Einzelstücke, geprägt von der Handschrift derer, die sie hergestellt hatten.
Seit dem hat sich die Welt verändert. Wir leben heute in Zeiten, die geprägt sind durch die Konsequenzen einer geradezu unentrinnbaren Flut kaum zu bewältigender Informationen und durch die Selbstverständlichkeiten einer scheinbar unbegrenzten Reproduktion. An den Umstand, dass die Verpackung wichtiger ist, als ihr Inhalt, haben wir uns schon längst gewöhnt.
Wer will kann sich einen perfekt reproduzierten, vom Original kaum zu unterscheidenden van Gogh in das Wohnzimmer hängen oder Michelangelos „David“ in maßstäblich verkleinerter Form in den Garten stellen. Und natürlich ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, die wundervollen Kompositionen der Herren Mozart, Beethoven und Co. jederzeit und an fast jedem beliebigen Ort in einer Qualität hören zu können, die zu hören ihren Schöpfern nie vergönnt gewesen ist.
Das ist wunderbar, und niemand möchte diese Möglichkeiten der Teilhabe an Kunst und Kultur missen. Doch wo, meine Damen und Herren, wo bleibt die Aura der Kunst; wo bleibt das Einzigartige, das Erhabene, das, was sie von dem Beliebigen unterscheidet?
In seinem Essay „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ sieht Walter Benjamin in der „Aura die Grenze der Reproduzierbarkeit, weil die Aura das Einzige ist, das sich nicht reproduzieren lässt“. Oder anders formuliert: Das Original hat sie, die Reproduktion hat sie nicht.
Die Kunstwerke, die wir heute in diesem Haus sehen können, sind Unikate. Sie haben diese Aura, das spürt jeder, der sie betrachtet. Sie haben, wie Benjamin sagen würde: ein „Hier und ein Jetzt“ und sie haben, wie er weiter feststellen würde, die „Einmaligkeit ihres Daseins“.
Am gestrigen Abend hatte ich Zeit, still zu betrachten, was heute hoffentlich noch viele Menschen begeistern wird. Dabei ist mir bewusst geworden, dass sich die Wahrnehmung dieser Kunstwerke auf zwei Ebenen vollzieht. Zum einen sehe ich in diesen traumhaft schönen Ringen, Ketten Broschen oder Anhängern großes Design, dessen Gültigkeit unabhängig ist von den wechselnden Launen des Zeitgeistes – das ist eben Größe.
Zum anderen glaube ich, dass sich eine weitere Dimension des Erlebens entfaltet, wenn das, was geschaffen wurde, um von Menschen getragen zu werden tatsächlich dieser Bestimmung zugeführt wird und mit seiner Trägerin oder seinem Träger zu einer Einheit verschmilzt.
Nun, meine Damen und Herren, ein Grußwort ist kein Vortrag, lassen Sie mich daher mit einem Zitat schließen. Es stammt von Otl Aicher, einem der prägenden Gestalter und Grafikdesigner, er sagte: „Das Schöne ist auf das Richtige angewiesen, und das Richtige muss sich in der besten Ästhetik entfalten.“
Dem habe ich nichts hinzu zu fügen außer der Empfehlung, begeben Sie sich auf die Suche nach dem Richtigen im Schönen, genießen Sie diese Suche, und haben Sie Dank für Ihre Aufmerksamkeit.