Ein Zentrum zieht um: Die Entwicklung vom alten zum neuen Ortskern Mengede
Mit der Eröffnung der Köln-Mindener-Eisenbahn (15. Mai 1847) und der Aufnahme einer Postkutschenverbindung vom Mengeder Bahnhof durch den alten Ortskern ins Münsterland (1848) entwickelte sich reger Verkehr. Wegen des großen Flächenbedarfs für den Bahnkörper lag dieser, wie in allen Dörfern und Städten, außerhalb der gewachsenen Ortschaft. Fast einen Kilometer betrug die Entfernung zwischen altem Ortsmittelpunkt und Bahnhof in Richtung Castrop.
Die erste Baumaßnahme auf den „grünen Wiesen“ entlang der Chaussee in Richtung Bahnhof war die Einrichtung eines katholischen Friedhofs, da die Grabfelder um die Kirche im Ort herum nicht mehr neu belegt werden konnten und nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen neue Anlagen innerhalb der Ortschaften nicht angelegt werden durften. Der heutige Amtshauspark, ein 1856 angelegter katholischer Friedhof lag also Mitte des 19. Jahrhunderts ebenfalls vor den Toren Mengedes.
Lediglich ein einziges Gebäude stand im 19. Jahrhundert außerhalb des Ortskerns in Richtung Bahnhof: Das von Friedrich Koke in unmittelbarer Bahnhofsnähe errichtete „Hotel-Restaurant Koke“, in späteren Jahren besser bekannt als „Gaststätte Kuhaupt“ mit der späteren „Lichtburg“, in dem am 21. Januar 1911 Mengeder Kinogeschichte begann. Vom Burghof aus hatte man in alter Zeit einen ungestörten Blick zur Eisenbahn.
Die neun Gemeinden des heutigen Stadtbezirks hatten Mitte des 19. Jahrhunderts mal gerade rund 2.400 Einwohner. Das Areal rund um die evangelische Kirche reichte als Platz für den sonntäglichen Handel vollkommen aus. Hier herrschte nach dem Gottesdienst reges Treiben, es war Markttag in der Region. Bis 1917 diente als offizieller Marktplatz die Fläche an der Einmündung der Williburgstraße in die Mengeder Straße. An den drei großen Jahrmärkten standen Handwerker und Händler auf allen Ortsstraßen, Groß- und Kleinvieh, Lebensmittel. Kurz: alle Waren des täglichen Gebrauchs wechselten auf diesen Märkten den Besitzer.
Nur innerhalb der vier Stadttore am „Burghof“ (Mengeder-/Siegenstraße), „Schieferecke“ (Siegen-/Freihofstraße), nahe des heutigen „Heimathaus“ (Williburgstraße/Christel-Goltz-Platz) und am „Handelshof“ (Galen-/Mengeder Straße) spielte sich das tägliche Leben bis zum letzten Viertel des 19. Jh. ab.
Die Bevölkerungsentwicklung in der letzten Hälfte des 19. Jh. hatte auch zur Folge, die Gemeinden des heutigen Stadtbezirks aus dem Amt Castrop zu lösen und im April 1898 in das neue Amt Mengede einzubinden. 1898 waren endlich die über ein Jahrzehnt andauernden Probleme des Schachtbaus auf Adolf von Hansemann gelöst und mit dem nun erfolgreichen Bergbau wuchs der Amtsbezirk weiter und erreichte schnell über 10 000 Einwohner.
Kein Wunder, dass sich um die Jahrhundertwende vereinzelt Gewerbetreibende entlang der Straße nach Castrop niederließen. Ein Ärztehaus, einige Bürgerhäuser und die erste Apotheke entstanden in Bahnhofs- und Zechennähe, aber trotz des möglichen Baurechtes blieben große Freiflächen zwischen Bahnhof und Ort gärtnerisch genutzt. Mit dem Bau der katholischen Kirche 1876 begann sporadisch auch die Bebauung an der Siegenstraße und kurz vor Ende des Jahrhunderts ließen sich vereinzelnd Gewerbetreibende wie der Optiker Stöber außerhalb des Ortes an der heutigen Mengeder Straße nieder.
Mit der Bevölkerung wuchsen auch die Amtsgeschäfte und nach schwierigen Diskussionen in der Bevölkerung setzte sich Amtmann Schragmüller mit seinem Standortvorschlag für ein neues Amtsgebäude durch und ließ 1903 das Mengeder Amtshaus nicht im Ort, sondern auf der „grünen Wiese“ zwischen dem alten Ortskern und dem Bahnhof an der Straße nach Castrop errichten.
Als nächstes Großprojekt entstand zwischen Amtshaus und Ortskerngrenze ein neuer Ortsmittelpunkt. Trotz der Kriegsjahre schaffte es die Gemeinde, 1916/17 den Marktplatz einzurichten, flankiert von einem großen Schulgebäude und dem Saalbau, der ursprünglich als Turnhalle gebaut und auch genutzt worden war. Gemeindedienststellen waren dort untergebracht und der stattliche Turm diente der Feuerwehr zum Trocknen ihrer Schläuche.
Die zukunftsorientierten Politiker des Amtes Mengede hatten frühzeitig erkannt, dass der enge alte Ortskern den wachsenden Ansprüchen des aufstrebenden Ortes nicht gewachsen war. Die Gemeindeplaner hatten den Weg zu einem neuen Mittelpunkt geebnet, doch nur zögerlich orientierte sich die Geschäftswelt zum Zentrum des heutigen Stadtbezirks.
Wie langsam sich die neue Mitte entwickelte, sieht man an Betrieben von Handwerk, Handel und Gewerbe, welche noch Mitte des 20. Jahrhunderts in den Straßen an der evangelischen Kirche angesiedelt waren.
Heute ist die Freihofstraße frei von Geschäften, an der Williburgstraße sind noch drei beheimatet (Drucks, Quellenberg, und Wagner) und auch an der Mengeder Straße (im alten Ortskernbereich) kann der tägliche Warenbedarf nicht mehr gedeckt werden. Hier haben lediglich zwei der ehemals sechs Gaststätten (Schieferecke, Mengeder Hof, Ellinghaus, Kaffsack, Vahle, Vereinshaus und Burghof) auf 600 m alten Ortsstraßen die Zeit bis heute überstanden.
Aber schauen Sie selbst auf die Katasterkarte vom November 1949, welche Betriebe noch um 1950/52 ihren Standort im „alten Mengede“ hatten, mehr als 40 Berufe hätte ich in meiner Jugendzeit hier erlernen können.
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