Das ehemalige Geschäftszentrum Ammerstraße/Wodanstraße
Zur Zeit meiner Kindheit wurden die Bewohner der Kolonie mit den Dingen des täglichen Gebrauchs von vielen kleinen Geschäften auf der Ammerstrasse oder der mittleren Wodanstrasse versorgt.
Es gab Lebensmittelläden wie Pütthoff, Ziemann (später Sabransky), zwei Textilgeschäfte, wo man neben anderen Sachen, Aussteuerwaren, Socken, Unterhosen, Schürzen und Handarbeitsmaterialien kaufen konnte. Gestrickt, gestickt und genäht wurde viel, und in den Räumen des Kindergartens traf sich eine abendliche Handarbeitsgruppe.
Bei Niggemann konnte man auf der linken Seite Lederwaren und Schirme kaufen, und auf der rechten Schreibwaren und Schulbedarf. Das Geschäft wurde geführt von Schwestern gleichen Namens. Zwei ältere ledige Damen. Überhaupt traf man bei berufstätigen Frauen oft auf unverheiratete Damen, die ihren Bräutigam oder Verlobten im Krieg verloren hatten, und so für ihren Lebensunterhalt sorgen mussten. Leider waren sie im Alter rententechnisch meist unterversorgt, weil niemand für sie Rentenversicherungsbeiträge gezahlt hatte. „Geklebt“ nannte man das früher.
Es gab Bäcker Thiemann, Brauckhoff und später Tappe, wo man nach Gusto einkaufte. Bei dem einen schmeckte das Kassler besser, bei dem anderen das Doppelgebackene. Den besten Kuchen gab es bei Tappe. Man konnte aber bei allen dreien für zwei Mark eine riesige Tüte mit Hefeteichen erwerben.
Später, als der Fernseher auch in die Bergmannswohnungen einzog, gab es auch dafür einen Händler. Die Firma Budde führte ein kleines Möbelsortiment und Mönnich verkaufte und reparierte Fahrräder, Mopeds und bot Schläuche und Flickmittel für die vielen „Drahtesel“ an.
Der praktische Arzt Dr. Durau stellte die Rezepte aus, die anschließend in der Wodan Apotheke vorgelegt wurden. Die Wodan Apotheke ist übrigens unter gleichem Namen noch vor Ort zu finden, und wird von Tochter, Schwiegersohn und Enkeltöchtern des Gründers weitergeführt. Durch die erhalten gebliebene Ladeneinrichtung sieht es dort immer noch so aus wie zu meiner Kindheit. Und riechen tut es dort auch noch genauso wie früher.
Die Gärtnerei mit Blumenladen band die üppigen Kränze für die Beerdigungen, die als Trauerzug unter Begleitung der Blaskapelle des Knappen-Vereins zelebriert wurden. Sie bot aber auch Schnittblumen für Blumensträuße an. Meistens wählte man „Nelken mit Grünes“. Das Grüne war feingliedriges Spargelkraut. Die Nelken hielten, das war so gewünscht, sehr lange und verströmten einen süß-herben Duft. Die Mirco-Blätter des Spargelkrauts fielen schon nach ein paar Tagen ab und landeten als entfernungsresistente Krümmel, die wie Gewitterwürmer aussahen, unter der Blumenvase. Meistens aber kamen die Blumen aus dem eigenen Garten.
Die Drogerie Birkenfeld verkaufte Artikel von Rattengift bis 4711. Unter dem Ladentisch wurden auch Kondome – „Pariser“ genannt – zur Geburtenkontrolle verkauft. Dabei achtete der Käufer peinlich darauf, dass kein anderer Kunde im Laden war. Zwei Metzger gab es, die selber schlachteten. Das Vieh kam von Bauern aus dem Umkreis und hatte vor seinem Tod sicher ein glücklicheres, artgerechtes Leben hinter sich als heutzutage. An Schlachttagen verkaufte man Spezialitäten wie „Panhas“ und „Möppkenbrot“, das aus dem frischen Blut der geschlachteten Schweine hergestellt wurde. Beides mag ich heute noch gerne, wobei ich Zutaten und Herstellung immer gerne verdränge.