Der Streik der Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas
erreicht eine neue Dimension
Im Arbeitskampf um eine bessere Bezahlung der ErzieherInnen in den in den Kitas wird härter. Nach wochenlangen ergebnislosen Tarifverhandlungen mit den kommunalen Arbeitgebern haben über 90 % der Gewerkschaftsmitglieder für einen Streik gestimmt.
Was sich nach den ersten Warnstreiks Ende März abgezeichnet hatte, ist eingetreten: Ein raschen Einlenken ist nicht in Sicht – im Gegenteil. Ab Freitag, dem 8.5. werden Erzieherinnen in den kommunalen Kitas nach und nach in den Ausstand treten. Geht es nach dem Willen der Arbeitnehmerseite, erfolgt der Ausstand bundesweit und unbefristet.
Um was geht es?
Bundesweit gibt es etwa 50.000 Kitas, in denen etwa 3 Millionen Kinder betreut werden. Vom Streik betroffen sind die rund 17.500 Kitas in kommunaler Trägerschaft, in denen etwa 1.8 Millionen Kinder betreut werden. Betroffen von den Gehaltsforderungen sind auf Seiten der ArbeitnehmerInnen rund 240.000 Personen: KindergärtnerInnen, SozialarbeiterInnen und Erzieherinnen.
Die Bertelsmann Stiftung hat in einer Studie herausgefunden, dass sich eine Erzieherin in Ostdeutschland um durchschnittlich 6,3 Kinder kümmern muss, während es in den westdeutschen Bundesländern lediglich durchschnittlich 3,8 Kinder sind. Tatsächlich dürfte dieser Schlüssel mit der Praxis nicht übereinstimmen, denn die Erzieherinn können aufgrund von Fortbildung, Teambesprechungen und Urlaub höchstens 75 % ihrer Arbeitszeit für die pädagogische Arbeit nutzen.
Die Stiftung empfiehlt, dass bei unter Dreijährigen eine Erzieherin für höchstens drei Kinder verantwortlich sein sollte. Für die Altersgruppe ab drei Jahren sollte der Personalschlüssel nicht schlechter als 1:7,5 sein. Um die Personalschlüssel bundesweit den Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung anzupassen, wären laut Schätzung etwa 120.000 zusätzliche Erzieherinnen erforderlich. Das würde nach Berechnungen der Stiftung jährlich rund fünf Milliarden Euro kosten.
Die Gewerkschaften fordern eine bessere Bezahlung der Erzieherinnen. Dies soll nicht mit einer pauschalen Lohnerhöhung erreicht werden, sondern durch eine um mehrere Stufen höhere Eingruppierung in der Gehaltstabelle. Je nachdem wie viel Berufserfahrung die MitarbeiterInnen haben, könnte das einen Lohnzuwachs von bis 15 Prozent bedeuten. Für Kita-Leiter/innen fordern die Gewerkschaften einen Zuwachs von teilweise mehr als 17 Prozent. Im Durchschnitt sollen die Angestellten zehn Prozent mehr verdienen.
Diese Forderung begründen ver.di und die GEW auch damit, dass die Berufsgruppe in den vergangenen Jahren deutlich weniger von Gehaltssteigerungen profitiert habe als der Durchschnitt der Arbeitnehmer. Zwischen 2004 und 2013 habe sich das Gehalt der Erzieher/innen zwar um mehr als 14 Prozent erhöht, das Durchschnittsgehalt aller Arbeitnehmer jedoch um 21,2 Prozent.
Laut Arbeitgeberseite würden die Gewerkschaftsforderungen die Kommunen pro Jahr 1,2 Milliarden Euro kosten, aber auch wenn es nur die Hälfte wäre, würde das vor allem die Kommunen treffen. Die tragen – ungeachtet aller geänderten Aufgaben in der frühkindlichen Betreuung – die Hauptverantwortung und Hauptlasten. Deswegen kämen auf die Kommunen die Mehrausgaben zu, sollten sich die ErzieherInnen mit ihren Forderungen durchsetzen. Jeder kann sich ausmalen, mit welchen Konsequenzen: Es wäre kaum ein Euro für zusätzliches Personal verfügbar.
So versucht denn auch die Vereinigung kommunaler Arbeitgeber durch ihren Hauptgeschäftsführer einen Keil zwischen Eltern und ErzieherInnen zu treiben: „Das könnte dazu führen, dass die Eltern am Ende höhere Beiträge zahlen müssten.“
Daran wird auch das Dilemma dieses Arbeitskampfes deutlich: Bund und Länder beschlossen 2008, jedes Kind ab dem 1. Geburtstag hat einen Anspruch auf einen Kita-Platz. Die Kommunen tragen mit 60 % der Kosten die Hauptlast. 20% der Ausgaben tragen der Bund und die Länder, den Rest finanzieren die Eltern.
Das ist nach Ansicht von Experten entschieden zu wenig für Bund und Länder und zu viel für die Kommunen. Der Bundesfinanzminister müsste etwa 10 Milliarden – das 10fache des bisherigen Betrages – an die Familienministerin überweisen, damit die Kommunen halbwegs entlastet würden. So gesehen gewinnt der Streik der ErzieherInnen eine ganz andere Dimension. Der Bund muss sich künftig substantiell beteiligen. Wie heißt es doch so vielversprechend im Koalitionsvertrag: Kitas verbessern den Bildungserfolg von Kindern und leisten einen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit.