„Die letzten Mohikaner…“

„Die letzten Mohikaner“ – Brieftaubensport in Mengede

Der letzte Mohikaner ist ein 1826 erstmals erschienener historischer Roman des amerikanischen Schriftstellers J. F. Cooper (1789–1851). Die Handlung spielt zur Zeit des Siebenjährigen Krieges in Nordamerika. Es handelt sich um die zweite Folge aus der Serie „ Der Lederstrumpf.“ Im Titel wie im Roman wird der Untergang nordamerikanischer Indianerstämme durch die vorrückenden europäischen Siedler beschrieben. Darauf bezieht sich das geflügelte Wort „der letzte Mohikaner“. Es steht für die letzten Zeitzeugen einer Idee oder – wie nachfolgend beschrieben – einer Sportart, die vor allem das Ruhrgebiet geprägt hat.

Nach dem zweiten Weltkrieg gab es in Mengede und Umgebung etwa 30 Brieftaubensportvereine mit insgesamt 300 Taubenzüchtern, die in der Reisevereinigung Mengede zusammengeschlossen waren. Heute gibt es in Mengede, Nette, Oestrich und Huckarde nur noch eine Reisevereinigung mit etwa 40 Züchtern. Nichts verdeutlicht besser als diese Zahlen, dass es um die Zukunft des Taubensports nicht gut bestellt ist. Taubensport ist deswegen eine korrekte Bezeichnung, weil die Brieftaubenzüchter ihr Hobby als Sport verstehen, ähnlich dem Pferde- und Hundesport.
MENGEDE:InTakt! hat sich auf den Weg gemacht und mit vier Mengeder Taubenzüchtern Gespräche über ihr Hobby geführt. Es sind dies: Siegfried Zink 80 Jahre; Winfried Vedder 75 Jahre; Friedhelm Bleibtreu 72 Jahre und einer der nie eigene Tauben geschickt hat, aber anerkannter Taubenexperte ist: Friedhelm Jasinski 85 Jahre.

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von links: W. Vedder – S. Zink – F. Jasinski – F. Bleibtreu

Für den heutigen Teil unseres Beitrages haben wir einige grundsätzliche Informationen zusammengetragen, um überhaupt erst einmal Verständnis für das Phänomen dieser Sportart zu wecken. In den weiteren Folgen werden wir jeweils einen der vier oben Genannten kurz portraitieren und über die kürzlich begonnene Flugsaison berichten, über die erfreulichen und weniger erfreulichen Ergebnisse einer Flugsaison und über die Mühen, die mit diesem Hobby verbunden sind.

Anfänge des Brieftaubensports im Ruhrgebiet
Die Anfänge des Brietaubensports im Ruhrgebiet gehen in das Ende des 19. Jahrhunderts. Die für den Bergbau benötigten Zuwanderer aus den landwirtschaftlich geprägten Ostprovinzen Preußens und aus Polen halten neben anderem Kleinvieh auch Tauben. Sie werden in den Ruhrgebietsstädten in den sogenannten Kolonien untergebracht. Diese bestehen aus ein-, anderthalb oder zweistöckigen Häusern mit Ställen, die heute noch das Bild der unter Denkmalschutz gestellten Zechensiedlungen prägen – auch das Bild der sog. Kolonie im Stadtbezirk Mengede. Durch die Konzeption der Siedlungen wird versucht, an ländliche Elemente anzuknüpfen.
Die Taubenhaltung und -zucht erfreuen sich großer Beliebtheit, so dass die Brieftaube als „Rennpferd des Bergmanns“ bezeichnet wird. 1869 gibt es in Bochum bereits ein Reisetauben-Sporthaus. Sportliche und patriotische Gründe führen in Bochum im Jahre 1881 zur Gründung der ersten Brieftaubenreisevereinigung für die dortigen vier Vereine. Durch sie wird der Transport der Tauben zu den Auflassorten, besonders bei Weitstreckenflügen, z.B. auch von Königsberg/Preußen, organisiert.

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Taubenvatter-Denkmal in Castrop-Rauxel

Seit 1905 hat die Brieftaubenreisevereinigung ihren Sitz in Hattingen. 1891 hatte die RV bereits 24, im Jahre 1895 36, im Jahre 1897 48 und für 1899 meldet das Protokoll, dass 72 über das Ruhrgebiet verteilte Vereine der RV angehören. 1894 geht die Mitgliederzone der RV bereits bis Bottrop, Duisburg-Meiderich, Dortmund, Gladbeck, Moers, Mülheim (Ruhr), Neviges, Velbert, Volmarstein, Vorhalle bei Hagen und Witten. In dieser Zeit gründen sich weitere Reisevereinigungen.
Nach wechselvoller Geschichte und unterbrochen von den beiden Weltkriegen, erlebt der Taubensport im Ruhrgebiet mit Beginn der 1950er Jahre und im folgenden Jahrzehnt seine Blütezeit. Mutterland des Brieftaubensportes ist Belgien. Hochburgen sind neben Belgien auch die Niederlande und Deutschland, besonders das Ruhrgebiet.

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Motiv in der Malerei: Frau mit Nachricht einer Brieftaube

Brieftauben als Informationsvermittler
Brieftauben waren vor der Erfindung des Telegraphen oder bei Fehlen einer Drahtverbindung praktisch die einzige Möglichkeit, Informationen schneller zu übermitteln als durch einen Boten. Zudem konnten Tauben Nachrichten auch ohne Aufsehen über feindliche Stellungen hinweg transportieren. Dazu mussten sie allerdings zuvor vom gewünschten Zielort herbeigeschafft sein, was naturgemäß schwierig war.

Historische Beispiele für einen Langstreckeneinsatz von Brieftauben sind die Taubentürme der Republik von Genua im Mittelmeer oder die Übermittlung der Nachricht vom Sieg in der Schlacht von Waterloo am 18. Juni 1815 an die britische Regierung. Die Nachrichtenagentur Reuters begann seinen Pressedienst mit Brieftauben. Auf Kurzstrecken wurden Brieftauben im Grabenkrieg des Ersten Weltkriegs auf deutscher wie auf französischer Seite eingesetzt, wenn Telefon- und Telegrafenleitungen zerstört und optische oder drahtlose Telegrafie ebenso wenig möglich waren wie eine Übermittlung durch Melder.

Die Schweizer Armee etablierte 1917 einen Brieftaubendienst, der 1951 den Fernmeldetruppen angegliedert wurde und seine Basis auf der Armeebrieftaubenstation Sand-Schönbühl (Kanton Bern) hatte. Der Dienstzweig wurde zwar formell schon im Zuge der Armeereform 1995 abgeschafft, doch die Auflösung des Brieftaubendienstes der Schweizer Armee wurde erst 1996 abgeschlossen, nachdem die 30’000 Tauben der neu gegründeten Schweizerischen Brieftaubenstiftung (SBS) als gemeinnützige Organisation übergeben und die Tauben „in die zivilen Lüfte entlassen“ worden waren. (Qulle: Wikipedia Stand: 18.5.2015)

Orientierungsvermögen
Wie Brieftauben und Zugvögel sich auf ihren zum Teil hunderte Kilometer langen Flugreisen orientieren, ist bisher ein ungelöstes Rätsel. Wissenschaftler gehen davon aus, dass Brieftauben wie auch Zugvögel den Stand der Sonne und Sterne sowie das Magnetfeld der Erde als Kompass verwenden können und außerdem optische Anhaltspunkte zur Orientierung nutzen. Neueste Forschungsergebnisse vermuten im Innenohr der Vögel einen magnetischen Sinn: Die Forscher konnten in einem Experiment nachweisen, dass sich die Aktivität von Neuronen in vier Hirnregionen der Vögel, die bekanntermaßen mit dem Innenohr gekoppelt sind, je nach Stärke und Ausrichtung eines Magnetfelds ändert.

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Mengeder Brieftauben im Anflug auf den Heimatschlag

Wettflüge
Bei den Wettbewerben werden die Tauben heute mit einem Kabinenexpress zu einem etwa 100 bis 700 Kilometer vom Heimatort entfernten Auflassplatz transportiert, von wo sie ihren Heimflug antreten, wenn die Witterungsverhältnisse dies erlauben. Die Auflassentscheidung liegt in der Verantwortung eines vom Verband Deutscher Brieftaubenzüchter zertifizierten Flugleiters, der dazu detaillierte Informationen über die Wetterverhältnisse auf der gesamten Flugstrecke einholt. Bei ungünstigen Wetterverhältnissen, insbesondere bei Regen, Gewitter oder Nebel, wird der Auflass verschoben oder der Flug ganz abgesagt. Die Ankunftszeiten der einzelnen Tiere im heimatlichen Taubenschlag wurden früher mit einer sog. Konstatieruhr registriert.letzte Mohikaner Uhr
Heute übernimmt diese Aufgabe ein elektronisches System. Nach dem Wettflug werden die Daten zur Auswertung und Erstellung der Ergebnisliste (Preisliste), in der sich 33 Prozent der eingesetzten Tiere platzieren, an ein Rechenzentrum übergeben.

Wettflüge werden sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene organisiert. Die Flugsaison reicht für die mehrjährigen, erfahrenen Brieftauben (Alttauben) etwa von April bis Juli und für die Tauben des letztjährigen Geburtsjahres von August bis September. In dieser Zeit nehmen die Alttauben an bis zu 14 Preisflügen teil. Die Jungtauben absolvieren bis zu sechs Preisflüge. Die Alttauben legen pro Flug Entfernungen von 150 bis 700 km zurück, Jungtauben nur bis zu 350 km. Dabei erreichen sie durchschnittliche Fluggeschwindigkeiten von bis zu 100 km/h.
Zur besonders schnellen Rückkehr werden die Tauben motiviert, wenn im Heimatschlag ein Gelege zu bebrüten bzw. Jungtauben zu füttern sind, die sog. Nestmethode. Von der Witwerschaftsmethode wird gesprochen, wenn die nach Geschlechtern getrennt gehaltenen Brieftauben bei der Rückkehr ihren Partner vorfinden.

Die Identifikation der einzelnen Taube geschieht mittels eines geschlossenen Nummernringes, der ihr für gewöhnlich in der 2. Lebenswoche am rechten Fuß aufgezogen wird und dort ein Leben lang verbleibt. Die Farben der Ringe wechseln jedes Jahr.
Verirrte Brieftauben können mit Hilfe dieser Fußringnummer im Internet gemeldet werden. In der Regel tragen Brieftauben zusätzlich auch am linken Fuß einen Ring mit der Telefonnummer des Eigentümers.
Diese Regelung beruht auf einer Vereinbarung mit den Tierschutzverbänden, um damit die Tierhalter einer verirrten Taube informieren zu können.

Kritik
Diverse Tierschutzorganisationen kritisieren die Praxis des Brieftaubensportes, weil zahlreiche Tauben verenden oder in den Städten sich den Stadttauben anschließen. Den Züchtern gehe es nur um Leistungsfähigkeit, weshalb sie schwächere Tauben ausselektieren. Außerdem gebe es nicht genügend Freiflug, keine genauen Regelungen zum Transport, und auch die Gabe von Aufputschmitteln („Doping“).

Hierauf werden wir eingehen und auch über die gerade begonnene Flugsaison berichten, wenn wir in den folgenden Beiträgen die „letzten Mohikaner“ näher vorstellen.

(Wird fortgesetzt)

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