Heute: Klimawandel, Griechenland, Streik und Vorratsdatenspeicherung
1. Klimawandel
„Dekarbonisierung“ war das Schlüsselwort beim Gipfel der G-7 Staaten in Elmau. Das Ergebnis war für manchen etwas mager, aber Dekarbonisierung nichts weniger als den Verzicht auf Kohle, Öl und Gas. Wer den Kampf für den Klimaschutz ernsthaft aufnehmen will, muss die Verfeuerung fossiler Brennstoffe beenden. Diese Botschaft ist in ihrer Langzeitwirkung nicht zu unterschätzen. Das wird nicht nur Einfluss auf künftige Investitionsentscheidungen haben: Es dürfte attraktiver werden, sein Geld in „sauberen“ Alternativen zu investieren.
Allerdings müssen der Botschaft auch Taten folgen. Ein Plan von Dietmar Gabriel, mit einer Klimaabgabe ältere Kohlekraftwerke unwirtschaftlich zu machen und damit die Kohle-Emissionen zu senken, droht am erbitterten Widerstand von Stromkonzernen und Gewerkschaften (!), den Landesregierungen NRW, Sachsen und Brandenburg sowie einflussreichen Lobbyisten aus der CDU zu scheitern.
2. Griechenland
Am kommenden Montag verhandeln sie wieder auf dem Euro-Gipfel: Griechenland und die EU-Staaten. Es geht zu, wie auf dem Jahrmarkt. Dabei wird in der deutschen veröffentlichten Meinung häufig eine Demütigung der griechischen Regierung in kauf genommen. Sollte Ministerpräsident Alexis Tsirpas die vorgelegten Vereinbarungen unterschreiben, dann könnte er gleich seinen Hut nehmen. Um die Stimmung gegen die Griechen anzuheizen, ist kein Argument zu billig.
Ein Beispiel aus der letzten Woche: Renteneintrittsalter. Das tatsächliche durchschnittliche Renteneintrittsalter lag in Griechenland laut OECD im Jahr 2011 bei 61,4 Jahren. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung betrug das tatsächliche durchschnittliche Renteneintrittsalter in Deutschland im Jahr 2013 ebenfalls 61,4 Jahre (Spiegel online vom18.6.2015). Der Boulevard und selbst die FAZ verbreiten Statistiken, wonach die Griechen im Schnitt schon mit 56 Jahren in Rente gehen, die Deutschen erst mit 64 Jahren. Das veranlasste Wolfgang Bosbach – Innenpolitiker der CDU und Dauergast bei den abendlichen Talkshows – am letzten Sonntag bei Günter Jauch zu der Aussage, der griechische Ministerpräsident habe immerhin angeboten, das Renteneintrittsalter, das in Deutschland bei fast 64 Jahre liege, für die Griechen auf 56 Jahre anzuheben. Hallo! Unwissenheit oder Lüge? Eines wäre so schlimm wie das andere.
3. Streik bei der Post
Seit dem 8. Juni wird bei der Post gestreikt. Es ist ein Abwehrkampf gegen die Profitsucht des Konzerns. Der hat sich zu einem hochprofitablen DAX-Unternehmen entwickelt. 2014 betrug der Vorsteuergewinn knapp drei Milliarden Euro. In diesem Jahr soll er auf 3,2 Milliarden Euro steigen, für 2016 sind 3,7 Milliarden Euro angepeilt. Post-Chef Appel will den operativen Gewinn bis 2020 jährlich durchschnittlich um mehr als acht Prozent auf mindestens fünf Milliarden Euro steigern. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, sollen die Personalkosten drastisch gesenkt werden.
Um Personalkosten zu sparen, hat die Post im Januar unter dem Namen DHL Delivery GmbH 49 regionale Tochtergesellschaften gegründet hat. 3.800 zuvor befristet angestellte Paketzusteller hat die Post bislang in die neuen Gesellschaften überführt, hinzu kommen etwa 2.200 Neueinstellungen. Für die Neuen gilt nicht mehr: Gleiches Geld für gleiche Arbeit am selben Arbeitsplatz. Die Delivery-Mitarbeiter werden nicht mehr nach dem Haustarif, sondern nach den schlechteren Tarifverträgen in der Speditions- und Logistikbranche bezahlt. Laut Verdi geht es um Lohnabsenkungen von bis zu 20 Prozent.
Bis Ende des Jahres soll die Zahl der Delivery-Zusteller auf insgesamt etwa 8.500 aufgestockt werden. Bedrohlicher ist der Umstand, dass Ende des Jahres zwei Verträge auslaufen, die Verdi mit der Post geschlossen hat. Zum einen hat sich der Konzern verpflichtet, bis dahin nur höchstens 990 von insgesamt rund 41.000 Bezirken in der Brief- und Paketzustellung an Tochterfirmen zu vergeben. Zum anderen gilt bis zu diesem Zeitpunkt ein Schutz vor betriebsbedingten Beendigungs- und Änderungskündigungen.
Das sollten die Kunden der Post wissen, wenn sie in diesen Tagen über den Streik der Postbediensteten fluchen.
4. Vorratsdatenspeicherung
Die Glaubwürdigkeit eines weiteren führenden SPD-Politikers ist dahin: Es handelt sich um Bundesjustizminister Heiko Maas. Vor nicht langer Zeit war er entschieden gegen die Vorratsdatenspeicherung. Bei Twitter ist seit Dezember 2014 folgende klare Aussage zum Thema Vorratsdatenspeicherung gespeichert:“VDS lehne ich entschieden ab – verstößt gg. Recht auf Privatheit u Datenschutz.“ (Spiegel online vom 20.6.2015). Beim SPD-Parteikonvent vom Wochenende wollte Maas seinen Parteivorsitzenden nicht im Regen stehen lassen und hat sich wieder entschieden geäußert. Diesmal aber für die Vorratsdatenspeicherung.
124 der Delegierten haben für das Vorhaben gestimmt, 88 waren dagegen, 7 haben sich enthalten. Für Gabriel ist das ein klares Ergebnis, doch sind knapp 57 Prozent wirklich die „deutliche Mehrheit“, die der SPD-Chef sich erhofft hatte. Wohl nicht.
Juso-Chefin Johanna Uekermann und andere Gegner der Vorratsdatenspeicherung in der SPD kritisierten erneut „einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte der Bürger“. Allerdings waren die Delegierten des Konvents in einem Dilemma: Im Vorfeld des Konvents hatten führende SPD-Politiker eine Verbindung zwischen dem Votum zur Vorratsdatenspeicherung und dem politischen Schicksal von Parteichef Sigmar Gabriel hergestellt. Damit bekamen die über 100 Änderungsanträge aus kritischen Bezirken gleich ein anderes Gewicht.
Eine entschiedene Gegnerin der Vorratsdatenspeicherung ist auch die – seit 2013 amtierende – Bundesbeauftragte für den Datenschutz und ehemalige CDU-Abgeordnete Andrea Voßhoff. Bei der Begründung für ihre Ablehnung bezieht sie sich auf den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der hatte die damalige EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für nichtig erklärt. Voßhoff: „Mit den strengen Auflagen des EuGH kann eine Vorratsdatenspeicherung nicht mehr den Effekt erzielen, den die Sicherheitsbehörden ursprünglich erreichen wollten. In der Abwägung ist eine Vorratsdatenspeicherung deshalb unverhältnismäßig“. (taz vom 20./21.6.2015).
Ein andere Sorge treibt die Gegner der Vorratsdatenspeicherung um: Ist ein solches Gesetz erst einmal verabschiedet, wird nie mehr über seine Abschaffung geredet – allenfalls um eine Ausweitung.