Breites Bündnis protestiert in Berlin
gegen TTIP und CETA
Ein Bericht aus Berlin von Mathis Willing
Aufgerufen zur Demonstration hatte ein wirklich breites Bündnis: Der DGB und sämtliche seiner Mitgliedsgewerkschaften, alle großen Umweltverbände, viele Entwicklungs- und Verbraucherorganisationen, Sozialverbände, aber auch Organisationen wie der Deutsche Kulturrat; offiziell unterstützt auch von den „Grünen“ und der Linkspartei.
Die Großdemonstration fand bei schönstem Wetter statt, es herrschte eine sehr angenehme Atmosphäre. Die Erwartungen waren sehr hoch. Vor der Veranstaltung hatte man sehr optimistisch mit 50.000 – 100.000 Demonstranten gerechnet. Gekommen sind zwischen 150.000 und 250.000 Teilnehmer. Damit hat Berlin die größte Demonstration seit 2003 erlebt, als geschätzte 500.000 gegen den Irakkrieg demonstrierten.
Schon bei der Anfahrt hieß es, dass der Hauptbahnhof wegen der Masse an Demonstranten gesperrt sei. Vor Ort war ich überwältigt von der Menge an Menschen, die auf teilweise sehr kreative Art ihren Unmut gegenüber dem Freihandelsabkommen mit Nordamerika zum Ausdruck brachten.
Die Teilnehmerstruktur würde ich als sehr familiär bezeichnen. Es waren besonders viele junge Menschen um die 20 dort, auch viele ältere Menschen von 60 Jahren aufwärts. Der Zug ging langsam durch die breiten Straßen des Regierungsviertels, die Teilnehmer/innen ließen sich von Trommel- oder anderen Straßenkünstlern unterhalten und beklatschten die Redebeiträge auf den Zugwagen, die sich mit Musik aus Lautsprechern abwechselten.
Vor dem Bundestag ertönten dann erstmals laute Sprechchöre, wie: „Von Finnland bis nach Kreta, stoppt TTIP und CETA!“ und „Nur Banken und Konzerne mögen TTIP gerne!“.
Für Unverständnis bei den Teilnehmerinnen sorgte der Versuch einiger wirtschaftsnaher Medien und Politiker, die Demonstranten im Vorfeld in eine antiamerikanische, nationalistische oder gar rechtsextreme Ecke zu stellen. Der Geschäftsführer des paritätischen Wohlfahrtsverbandes,Ulrich Schneider, sagte hierzu: „Ich habe selten erlebt, dass ein so großes Bündnis so übel diffamiert wurde.“
Mich interessiert natürlich sehr, wie die SPD künftig reagieren wird. Sie wird wissen, dass viele TTIP-Gegner aus Gewerkschaften und Sozialverbänden stammen und damit wesentlich zu den mageren 25 % gehören, die der SPD noch die Stange halten. Eine Belehrung in ganzseitigen Zeitungsanzeigen am Samstag vor der Demo von Sigmar Gabriel, man solle sich nicht „bangemachen“ lassen, kann allenfalls den Konzernen signalisieren, die SPD werde allen Protesten zum Trotz versuchen, das Abkommen durchzubringen.
Natürlich würde die Welt dann nicht untergehen. Aber durch ein Abkommen mit den vorliegenden Inhalten würde die Macht der Wirtschaft gegenüber der Politik noch weiter gestärkt. Das ließ dann nur den Schluss zu: Der Profit von Konzernen ist wichtiger ist als die Sicherung demokratischer Grundwerte, als die Sicherung von Sozial- und Umweltstandards, als die Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge, als ein fairer Handel mit Entwicklungsländern. Und das für alle Zeiten!
Im Augenblick – vor allem nach der Demo in Berlin – ist für mich unvorstellbar, dass es für so etwas eine politische Mehrheit im Lande gibt.