Wie halten wir es mit den Baudenkmälern im Stadtbezirk (Folge 5)
Die Denkmalliste der Stadt Dortmund umfasst im Stadtbezirk Mengede 79 Baudenkmäler, darunter je 21 Wohnhäuser, Villen oder Wohnsiedlungen und landwirtschaftliche Gebäude, 16 Wohn- und Geschäftshäuser, je fünf öffentliche Gebäude und Kleindenkmäler, je drei Sakralbauten und Industrieanlagen, zwei Adelssitze sowie je einen Friedhof, ein Geschäftshaus und eine Verkehrsanlage.
Absicht dieser Serie ist es, über die Baudenkmäler im Stadtbezirk Mengede zu informieren. Ein manchmal nicht ganz einfaches Unterfangen, weil es sich häufig um private Entscheidungen handelt, wie man mit einem Denkmal umgeht. Aber: Es gibt auch ein Denkmalschutzgesetz. Unsere Beiträge, die wir in loser Folge einstellen, sollen es dem Leser ermöglichen, das Denkmalschutzgesetz mit der Realität vor Ort zu vergleichen.
Und noch eine weitere Vorbemerkung: Baudenkmäler zu erhalten, ist in dieser Gesellschaft nicht einfach. Kapitalisten, Anarcho-Linke, Bürgerliche und vor allem Behörden sind gleichermaßen gefragt und stehen in der Verantwortung, eine dem Denkmal und damit einer Kultur des Stadtbezirks dienende Lösung zu finden.
In dieser Folge wird erneut das Kriegerdenkmal an der früheren Post behandelt. Wir haben in der Folge 4 bereits in Wort und Bild über das Denkmal berichtet, indem wir an diesem Beispiel versucht haben, das Elend des Denkmalschutzes darzulegen. In der heutigen Folge veröffentlichen wir einen Beitrag von Fr.-Heinrich Veuhoff, den er vor Jahren für einen Jahresbericht der damaligen Volksbank Mengede verfasst hat. MENGEDE:InTakt! dankt dem Verfasser für die Überlassung des nachfolgenden Textes.
Das Kriegerdenkmal an der Mengeder Post
Franz-Heinrich Veuhoff
Nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 hielten es die Eingesessenen der evangelischen, katholischen und jüdischen Gemeinde Mengede für ihre Pflicht, den für König und Vaterland gefallenen Kriegern ein ehrendes Denkmal zu errichten. Auf besondere Einladung des Pfarrers Arnold Hausemann (evangelischer Pfarrer in Mengede von 1851 bis 1877) versammelten sich am 23. Juli 1871 viele Eingesessene, um über die Errichtung eines Kriegerdenkmals in Mengede zu beraten. Es wurde ein Komitee von 15 Personen unter dem Vorsitz von Pfarrer Hausemann gewählt, das den Auftrag bekam, ohne Verzug die entsprechenden Schritte einzuleiten.
Zunächst wurden Sammlungen in den einzelnen Gemeinden abgehalten, die 682 Thaler einbrachten. Da diese Summe die geplanten Grundstücks- und Herstellungskosten von l.183 Thalern bei weitem nicht deckte, wurde auf Vorschlag des Gemeindevorstehers Wunneberg in Mengede mit Genehmigung des Königlichen Landrats Freiherrn von der Heyden-Rynsch ein Betrag von 750 Thalern auf die 12 Gemeinden des Kirchspiels verteilt.
Durch Urkunde vom 9. November 1872 gestattete der Graf Droste zu Vischering (Eigentümer von „Haus Mengede“) dem Komitee die Errichtung eines Denkmals auf einem 227 qm großen Grundstück an der Bahnhofstraße (heute Ecke Mengeder Straße/Jonathanstraße gegenüber dem Eingang zum Schulgelände). Die Herstellung des Denkmals wurde dem Bildhauer Tobias Weiß in Tahl bei Ruhla (Thüringen) übertragen.
Am 16. August 1873 erging im „Dortmunder Anzeiger“ folgende Einladung des „Mengeder Kriegervereins“ an die Mengeder Bevölkerung:
Mengede, 14. August 1873
„Wir verhehlen nicht, auf das am 16. und 17. d. Mts. dahier stattfindende Kriegerfest, welches noch durch die Einweihung eines Denkmals erhöht wird, besonders aufmerksam zu machen. Für Musik ist die ausgezeichnete Kapelle des 7. Pionierbataillons aus Deutz unter Leitung des Dirigenten Herrn Münch engagiert. Herr Artmann, der Hauptmann des Kriegervereins hier, als tüchtiger Wirt bekannt, wird sicher für gute Speisen und Getränke sorgen. Abends gegen 9.00 Uhr wird ein brillantes Feuerwerk abgebrannt werden. Das Nähere ersieht man aus dem Programm des Fest Comitee’s. Unser Fest verspricht demnach in jeder Hinsicht ein genußreiches zu werden.“
So zeigte der Mengeder Kriegerverein im Umland sein Fest 1873 an, zu dessen Höhepunkt die Einweihung des neuen Denkmals gehörte. Auf einem achteckigen Sockel steht eine runde Säule aus Sandstein mit Kapitell, auf dem der Reichsadler mit leicht gespreizten Schwingen und gewundenem Hals das Denkmal krönt.
Der Verwaltungsbericht des Amtes Mengede belegt, dass „zur Nachricht für kommende Geschlechter unter dem Fuße des Adlers eine Stiftungsurkunde, ein Verzeichnis sämtlicher Krieger des Kirchspiels, welche den Krieg 1870/71 mitgemacht haben, Statuten des Mengeder Kriegervereins, sowie Scheidemünzen bis zu einem Thaler hinterlegt wurden“. Als Zeitereignis wurde zur Erinnerung an die politischen Kämpfe in der Stiftungsurkunde u.a. auf das vielbesprochene Projekt „Herstellung eines Rhein-Emscher-Weser-Kanals“ hingewiesen
Nach dem Bericht über die Verwaltung des Amtes Mengede starben noch: im Kriege 1864 der Eleve Sommermann von Haus Bodelschwingh und im Kriege 1870/ 71 Wessel Keller und Eberhard Huppe, beide Bodelschwingh.
Während der kriegerischen Auseinandersetzungen im deutsch-dänischen Krieg von 1864, im Deutschen Krieg von 1866 (Preußen gegen Österreich und Sachsen) sowie im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 hatten die Mengeder Bürger bereits durch große Opferbereitschaft die Einheiten unterstützt. Der Wert der Sammlungen überstieg 1866 den Wert von mehr als tausend Thalern, und aus dem Jahre 1870 ist ein Ergebnis von über 566 Thalern bekannt. Aus Geld und Sachspenden (u.a. Leinwand) wurden Unterjacken, Strümpfe und Leibbinden für die Mengeder und ihre Kameraden im Felde beschafft, und natürlich durfte auch der Tabak nicht fehlen.
Die Herren Major a.D. Amtmann Mayer zu Castrop, Doctor Medizin Eduard Funke sowie Pfarrer Arnold Hausemann waren die unermüdlichen Organisatoren und auch die Helfer bei der Pflege in einem Lazarett, welches 1870 über 6 Monate in Castrop für 40 Verwundete eingerichtet war.
Die Leistungen der drei Männer während der Kriegsjahre haben ihre Würdigung in einem Brief gefunden, den „Sn. Exellenz unterthänigster und gehorsamer Diener der Gemeindevorsteher Wunnenberg“ am 24. Februar 1873 mit der Bitte um Auszeichnung an seine Majestät über „Sn. Exellenz den königlich Preuß. Staatsminister a.D. Ritter mehrerer Orden Herrn von Bodelschwingh“ gerichtet hatte.
Bei der Abrechnung der Gesamtkosten standen 1.542 Thaler 14 Silbergroschen 10 Pfennige zu Buche, die durch die eingegangenen Beträge aus den Sammlungen und den Beträgen der einzelnen Gemeinden gedeckt waren.
Noch eine weitere Sammlung unterstützten die Bürger. Vom 2. August 1877 bis 12. Mai 1878wurden 1.462 Mark gespendet, die u. a. zur Verschönerung des Denkmalplatzes mit einem Gitter in Anspruch genommen wurden.
Das Komitee hatte mit dieser Verschönerungsmaßnahme sein Ziel erreicht und löste sich in der Sitzung vom 29. November 1879 auf, nachdem es zuvor eine Kommission aus Pfarrer Hausemann, den Herren Schröder-Prein (Groppenbruch) und Theodor Reeck (Mengede) zur Aufsicht über das Denkmal bestellt hatte.
1890 wurde der Sockel umfassend erneuert und auf Vorschlag des Amtmanns Schragmüller erklärte die Amtsversammlung am 19. Juni 1891 die Übernahme und Unterhaltung des Denkmals als Amtssache zu behandeln. Dass die Amtsverwaltung diesen Beschluss ernst nahm, beweist ein weiterer Beschluss der Amtsversammlung vom 30. Januar 1893. Danach wurde der Gärtner Grasmann zu Oestrich verpflichtet, für den Betrag von 15 Mark jährlich die Unterhaltung und Ausschmückung des Denkmalplatzes mit Blumen zu besorgen.
55 Jahre trotzte das Denkmal Wind und Wetter an der Ecke Jonathan-/Mengeder Straße in einer prächtigen Anlage. Im Zuge des Neubaus des Postgebäudes schlug die Baukommission der Amtsversammlung am 6. Februar 1928 vor, die Säule zu versetzen. Im Frühjahr 1928 erfolgte die Umsetzung mit einem Kostenaufwand von 1500,- Mark.
Der Dortmund-Mengeder-Lokal-Anzeiger meldete am 2. April 1928: „Am alten Kriegerdenkmalsplatz sah man in den letzten Tagen fleißiges Schaffen galt es doch, das Ehrenmal aus Deutschlands Einheitskämpfen niederzulegen und zu versetzen. Leider ist die Säule dabei zu Bruch gegangen … In einer Öffnung unter dem das Ganze abschließenden Adler befand sich eine Kapsel mit allerlei Münzen, die in der Zeit der Errichtung im Umlauf waren. Das eingelegte Schriftstück war nicht mehr zu entziffern. Die Tinte war dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen. Das alte Kriegerdenkmal wird in neuer Auffrischung dem Platz an der neuen Post eine besondere Zierde sein und sich inmitten der Grünflächen sehr gut ausmachen.“
Die Neueinweihung erfolgte schließlich am 3. Juni 1928 durch Bürgermeister Pauly, der in einer ergreifenden Rede auch Pfarrer Arnold Hausmann und den Herren Schröder-Prein und Reeck den Dank der Mengeder für die unermüdliche Arbeit aussprach. Es konnte nicht ermittelt werden, ob die bei der Versetzung unter dem Adler gefundenen Gaben sichergestellt, oder der Säule wieder zugefügt wurden.
Neben dem Schloss (Haus Mengede), einer Ortsansicht (kath. Kirche nur mit ihrem kleinen Turm) und dem Bahnhof war das Ehrenmal Motiv lithographischer Postkarten des vorigen Jahrhunderts. Festwochen begannen am Denkmal mit musikalischen Darbietungen, und bis zum Dritten Reich stand die Säule häufig im Mittelpunkt örtlicher Ereignisse. Des rechten Flügels durch Kriegseinflüsse (einrückende amerikanische Besatzungstruppen haben laut Augenzeugen im Mai 1945 den Flügel abgeschossen und als Souvenir mitgehen lassen) beraubt, stehen Adler und Säule seit 65 Jahren still zwischen Post und Rampe zur Bahnhofsüberquerung. Es ist ruhig geworden um das Bauwerk und die Toten, und nur wenige Bürger sammeln sich am Volkstrauertage, um für die Stadt einen Kranz niederzulegen.
Es ist keine „Ehre“ mehr, sein Leben für Volk und Vaterland gelassen zu haben bzw. zu lassen. Die Aktionen der heutigen Zeit bestehen zumindest in unserem Land aus friedlichen Bemühungen. Mit Lichterketten und anderen Aktionen werden Politiker aufgefordert, nicht verantwortungslos das Leben ihres Volkes aufs Spiel zu setzen. Die „vergessenen“ Ehrenmale und Toten könnten daher eine Mahnung zum Frieden sein. In diesem Sinne haben sie gerade heute wieder ihren berechtigten Platz im Leben einer Gemeinde und in deren Ortsbild.
Wer war Tobias Weiß, der künstlerische Vater des Denkmals.
Tobias Weiß, geb. am 4. April 1840 als sechstes Kind armer Hirtenleute in der nach Nürnberg eingemeindeten Ortschaft Krottenbach, war Professor an kunstgewerblichen Schulen und Künstler, besonders im Freihandzeichnen und Modellieren.
Viel Sinn für Musik und Kunst wurde dem Vater nachgesagt, und so war der Weg des jungen Weiß schon im Kindesalter vorgezeichnet. Mit 14 Jahren begann Weiß seine Lehrzeit im Elfenbeinwarengeschäft Frank in Fürth. Seine guten Arbeiten eröffneten ihm früh Stipendien, die der bescheidene Mann aber nicht annahm. An die 5 ½ jährige Ausbildung schlossen sich drei Jahre Kunstschulzeit in Nürnberg an, die ohne seine Einwilligung mit einer Professur an der Kunstschule endete. Ein Jahr lang wurden seine Schulkameraden zu seinen Schülern, bis der Weg ihn wieder in den Schoß der Familie Frank zurückführte. München, der Krieg 1866 und wieder München waren die weiteren Stationen, ehe ihn das Ministerium in Gotha im Winter 1867 an die Gewerbeschule zu Ruhla (Berufsschule kunsthandwerklicher Ausrichtung) berief. Einige Jahre wirkte Weiß erfolgreich in Thüringen. In dieser Zeit entstand auch das Mengeder Ehrenmal in seiner Werkstatt. Zwei freie Lehrstellen an der Baugewerbe- und Kgl. Industrieschule ließen ihn 1871 wieder den Weg nach Nürnberg finden, wo er bis 1911 segensreich wirkte. Aber auch nach seiner Rückkehr in die Heimat begleitete er seine ehemaligen Schüler an der Gewerbeschule zu Ruhla noch einige Jahre mit seinem künstlerischen Rat.
Der Mann, der in vielen Städten Deutschlands und Europas Kunst lehrte und schuf, mit 70 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet wurde, konnte als einziger „Gründungslehrer“ 1921 das 50jährige Jubiläum seiner „Städtischen Bauschule Nürnberg“ erleben.
Nach dem Tode seiner ersten Frau heiratete Weiß am 29. April 1874 zum zweiten Male. Vierzehn Kinder waren dieser Ehe entwachsen, für deren Zuhause eigens ein großes Haus an der Nürnberger Peter-Henlein-Straße entstand.
Seiner unveröffentlichten Biographie ist erfolg- und umfangreiches Wirken zu entnehmen. Schwerpunktmäßig war Tobias Weiß in kirchlichem Auftrag tätig, und diese künstlerische Richtung könnte ihn auch mit dem Mengeder Denkmalkomitee zusammengeführt haben. Zu recherchieren war das Zusammenkommen leider nicht.
Hoch geehrt starb Tobias Weiß am 26. Februar 1929 im gesegneten Alter von 89 Jahren in Nürnberg. Der Stadtrat widmete dem Verstorbenen „für seine segensreiche Tätigkeit als Lehrer für Freihandzeichnen und Modellieren, für seine unverdrossene Arbeitsfreudigkeit, sein ruhiges, bescheidenes, abgeklärtes Wesen, dem jedes Streben nach öffentlicher Anerkennung fern lag“, Nachrufe und sicherte „dem feinsinnigen, tief religiös veranlagten Künstler dauerndes Gedenken bei allen, die ihm auf seinem Lebensweg begegneten“, zu.