Verlegerin Brigitte Ebersbach las und referierte zum
Thema „Aufbrüche und Umbrüche“
Gisela Meininghaus wusste, wovon sie redete, als sie am Donnerstagabend in der „Buchhandlung am Amtshaus“ die Besucher zur Lesung mit der Berliner Verlegerin Brigitte Ebersbach begrüßte. Denn mindestens zwei Umbrüche gab es auch in ihrem Leben.
Einen, als sie sich entschloss, in Mengede zur besseren literarischen Nahversorgung und Beratung eine Buchhandlung zu gründen und den anderen, als sie mit Blick auf den eigenen Ruhestand diese Buchhandlung an ihren ehemaligen Auszubildenden Michael Nau übergab.
So hieß das Thema, das sie der Referentin vorgeschlagen hatte, auch folgerichtig „Aufbrüche und Umbrüche“. Wie starke oder auch weniger starke Frauen diese Lebenssituationen bewältigt haben, in die sie durch äußere Ereignisse oder innere Entscheidungen gekommen waren, zeigte Brigitte Ebersbach an Textbeispielen aus Büchern ihres umfangreichen Verlagsprogramms. Doch zunächst berichtete sie von ihren eigenen Lebensstationen. Auch Brigitte Ebersbach hatte Auf- und Umbrüche erlebt: Als sie ihre Tätigkeit als Literaturwissenschaftlerin an einer Schweizer Universität aufgab und im Jahre 1990 einen eigenen Verlag in Dortmund gründete, als sie nach 10 Jahren dann Berlin zu ihrem Unternehmens- und Wohnsitz auswählte. Die jüngste Veränderung ergab sich im Januar dieses Jahres. Da nahm sie Sascha Nicoletta Simon, die bisher Kinderbücher verlegt hatte, als Nachfolgerin auf.
Der Verlag firmiert jetzt unter Ebersbach & Simon. „Seitdem mache ich das, was mir Spaß macht, berate als Seniorverlegerin und betätige mich im Lektorat. Oder ich veranstalte Lesungen. Anlässlich des 25-jährigen Verlagsjubiläums nur in meinen Lieblingsbuchhandlungen. Und dazu gehört diese hier in Mengede“, verriet sie.
Mina Loy und Madge Jenison
Zuerst stellte sie aus dem Buch „20 Abwege zum Glück“ die Allround-Künstlerin Mina Loy vor, die u.a. in den Bereichen Dichtung, Schauspiel und Design tätig war. Sie gab nach Zwischenstationen in Florenz und Paris im Jahre 1916 ihre vier Kinder in die Obhut einer Nanny und brach nach New York auf. Auch hier musste sie Schicksalsschläge hinnehmen. Sie folgte ihrem zweiten Ehemann Arthur Cravan nach Mexiko, der musste auf einem Schiff flüchten und wurde niemals mehr gesehen. Wieder in Berlin und dann in New York setzte Mina ihren Lebensweg fort, auf dem sie sich immer neu erfinden musste.
In dem Buch „Sunwise Turn“ wird beschrieben, wie sich Madge Jenison und Mary Mowbray-Clarke mit Gründung einer Buchhandlung im Jahre 1916 einen Traum verwirklichten und damit ihr Glück fanden. Nicht in Bezug auf finanziellen, sondern auf emotionalen und kommunikativen Reichtum. Sie berieten in ihrem Laden ihre LeserInnen nicht nur über Bücher, sondern sie fungierten auch als Beraterinnen für alle Lebenslagen ihrer Kunden und Besucher. Ein befreundeter Wirtschaftsfachmann wollte ihnen durch Marketingmaßnahmen auch einen finanziellen Erfolg bescheren. Doch seine Werbekampagnen brachten keinen zusätzlichen Umsatz. So blieb nur die Erkenntnis: Die beste Werbung sind immer noch die Zufriedenheit der Kunden und deren Weiterempfehlungen.
Bei Vicky Baum gibt es viel zu entdecken
Die Puppenschöpferin Käthe Kruse wurde ebenso kurz vorgesellt wie die Modemacherin Coco Chanel und die Schauspielerin Ingrid Bergman. Einen breiten Raum im Laufe des Abends nahm die Würdigung von Vicky Baum ein. Brigitte Ebersbach räumte ein, dass sie anfangs diese erfolgreiche Schriftstellerin, die sich der Unterhaltungsliteratur verschrieben hatte, falsch eingeschätzt habe. Dann habe sie erkannt, welches Potenzial in ihren Romanen steckt. Als Beispiel las sie Auszüge aus dem Roman „Rendevous in Paris“, der in den 20-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts spielt.
Die Berliner Ehefrau und Mutter Evelyne Droste besucht ihren Liebhaber Frank Davis in Paris, während ihr Gatte Kurt glaubt, sie sei bei einer Freundin auf dem Lande. Anschaulich werden die Entwicklungen und die Einsichten dieser an sich einfachen Frau beschrieben.
Zu den Buchempfehlungen gehörte auch die Anthologie „Unbeschreiblich weiblich“, in dem 25 literarische Variationen über das Frauenleben vorgestellt werden. Hier kommen u.a. Francois Sagan, Ingeborg Bachmann und Doris Lessing zu Wort. Als Schlusspunkt setzte Brigitte Ebersbach eine Kurzgeschichte von Franz Kafka. Nicht, um auch einmal einen Mann zu Wort kommen zu lassen, sondern weil die Parabel „Der Aufbruch“ die Thematik vorzüglich abrundete: Hier bezeichnet der Protagonist „Nur weg von hier“ als Ziel, und drückt zum Schluss die vage Möglichkeit aus, auf dieser „unendlich langen Reise“ sein Glück zu finden.
Das Publikum
Diskussionsbedarf gab es zum Schluss wenig. Dafür hatten rege Gespräche sowohl mit der Referentin, als auch mit den anwesenden Experten und Expertinnen der Buchhandlung und der Gäste untereinander schon in der Pause stattgefunden. Zu den Besuchern: Unter den Anwesenden war auch Autorin Susanne Nadolny, die mehrere ihrer Bücher bei Ebersbach verlegt hat. Bei dem vornehmlich weiblichen Publikum hatten immerhin zwei Herren für eine Männerquote von gut 5 Prozent gesorgt.
Zur Pause
Traditionsgemäß wurden wieder Getränke und ein kleiner Imbiss gereicht. Salvatore del Sorbo von der gegenüberliegenden Pizzeria hatte leckere Pizzabrötchen mit diversen köstlichen Füllungen gebacken. Und noch eins: Die Buchhandlung am Amtshaus hält einen Vorrat aus dem Verlagsprogramm von Erbersbach & Simon bereit. Nicht vorhandene Werke können wie gewohnt in kürzester Zeit beschafft werden. Ein Besuch dort lohnt sich also. Nicht nur für Frauen.