Frauenpower im Stadtbezirk Mengede (10)

DSC00806heute: Sybille Heuel

Unser Gespräch aus der Serie „Frauenpower im Stadtbezirk Mengede“ führt uns heute nach Bodelschwingh in die Richterstraße. Dort wohnt Sybille Heuel mit ihrer Familie – sei einigen Jahren bereits. Man kann sie deswegen getrost als gestandene Bodelschwingherin bezeichnen.

Geboren und aufgewachsen ist sie in Mengede. Ihre Eltern – Margarete und Aloys Weller – führten dort im alten Ortskern die Bäckerei Thiemann, bevor sie die an die Nachfolger – Helmut und Walburga Bodynek – verkauften und nach Bodelschwingh zogen. Das war 1974, und da war Tochter Sybille 14 Jahre alt. Zunächst wohnte sie noch vier Jahre bei den Eltern in Bodelschwingh, machte ihre Fachhochschulreife in Hacheney und zog um nach Lemgo, um an der dortigen Fachhochschule Lebensmitteltechnologie zu studieren.sybille 4 0235

Nach erfolgreichem Abschluss an der FH bekam sie 1983 gleich eine Stelle bei einem Unternehmen in Hamm und erhielt dann nach einem Jahr ein Angebot der Firma Steinhaus in Remscheid. Das Unternehmen Steinhaus, im Jahr 1841 als Ochsen- und Schweinemetzgerei mit angeschlossener Schankwirtschaft gegründet, schuf sich im Jahr 1983 mit der Herstellung frischer Pasta- und Saucenspezialitäten ein zweites Standbein. Für Sybille Heuel war das eine gute Gelegenheit nach Remscheid zu wechseln. Hier wurde sie gleich mit der Aufgabe betraut, die Abteilung Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle aufzubauen.

Diese neue Standbein des Unternehmens schuf neue Herausforderungen, denn frische Teigwaren und spezielle Saucen im SB-Handel unterlagen ganz anderen Anforderungen, als die normalen Anforderungen an einen Metzgerei-Betrieb. Insbesondere die Haltbarmachung der frischen Waren stellte sich damals als große Herausforderung dar. Auch durch die gesetzlichen Bestimmungen waren vor allem im Lebensmittelsektor die produzierenden Betriebe gezwungen, intensive Maßnahmen zur Qualitätssicherung und -Kontrolle zu ergreifen. Jedes Unternehmen, wollte es am Markt bleiben, musste sich darauf einstellen.sybille 3 0206

Im Jahr 1993 übernahm Sybille Heuel die Aufgaben der Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle in dem Tochterunternehmen Steinhaus Filialbetriebe, dies allerdings nach der Geburt ihres Sohnes Marius als Teilzeitaufgabe. Das war keine leichte Zeit, denn die Aufgaben in dem Unternehmen wuchsen ständig an, und ohne die Unterstützung ihrer Familie wäre es ihr kaum möglich gewesen, die intensive und anspruchsvolle Tätigkeit auszuüben. Ganz oben standen die Entwicklung, Fortschreibung und Überprüfung geeigneter Konzepte und Maßnahmen für die Qualitätssicherung. Um nur ein Beispiel zu nennen. In solch einem „sensiblen“ Betrieb ging es immer wieder um die Frage: Welche Standards wollen wir in Bezug auf die Sauberkeit einhalten, d.h. es mussten Reinigungspläne ausgearbeitet werden und es musste sichergestellt werden, dass sie eingehalten wurden. Die Lagerung der Waren unterlag strengen Vorschriften, und es liegt nahe, dass in einem großen Betrieb manchmal ein erforderliches Bewusstsein für diese Dinge erst entwickelt werden muss. Das hat zur Folge, dass die Abteilung Qualitätssicherung häufig als Buhmann des Unternehmens gesehen wird. „Das ging damals häufig an die Substanz“, erinnert sich Sybille Heuel heute, wenn sie an die Zeit zurückdenkt.sybille 2 0156

2009 – die internationale Finanzkrise in Verbindung mit der Globalisierung hat tiefe Spuren hinterlassen, auch in alt eingesessenen mittelständischen Betrieben. Von ihrem Arbeitgeben erhält Sybille Heuel Mitte des Jahres eine betriebsbedingte Kündigung.

Das war ein Schock, und was zunächst als unlösbares Problem erschien, erwies sich letztendlich als Chance. Es gibt eine passende Volksweisheit, die hier Anwendung finden könnte: Aus der Not hat sie eine Tugend gemacht. Zum Abschluss einer 6 Monaten andauernden „kreativen Phase“ wagte sie im März 2010 einen Start in die Selbständigkeit. Im Grunde genommen die einzig richtige Entscheidung, denn sie entschied sich, die Aufgabe, für die sie in den Jahren zuvor bei der Firma Steinhaus zuständig war, fortan als eigenständigen Beruf auszuüben. Sie machte sich selbständig und wurde Beraterin für Qualitätssicherung für Unternehmen in der Lebensmittelbranche.

In ihrer Ausbildung und der anschließenden beruflichen Tätigkeit hatte sie gelernt, dass Qualitätssicherung nur in einem Gesamtkonzept wirkungsvoll sein kann, d.h. die qualitative Sicherung der Waren muss von der Herstellung bis zum Verbraucher erfolgen – und zwar konsequent. Dafür gibt es keine Patentrezepte, die man aus der Schublade ziehen kann; vielmehr müssen die Vorschläge auf die individuelle betriebliche Gegebenheit zugeschnitten werden. Inzwischen hat sie unterschiedliche Beratungsmodule entwickelt, mit denen sie in die Beratungsgespräche geht. Je nach Bedarf kann sie unterschiedliche Dienstleistungen anbieten: Da ist z. B. zunächst ein sog. Gratis-Check, mit dem einem potentiellen Kunden die augenblickliche gesetzliche Situation anhand praktischer Beispiele aus dem jeweiligen Betrieb dargelegt wird. Sie berät Betriebe bei der Entwicklung eines eigenen Kontrollsystems und führt zusammen mit den MitarbeiterInnen das Konzept ein. Im Anschluss daran werden, über das Jahr verteilt, Hygiene-Checks durchgeführt. Wichtig ist natürlich in diesem Zusammenhang auch die Schulung der MitarbeiterInnen. (Einzelheiten hierzu findet man unter www.qs-heuel.de)

sybille-1 0108Die Liste der Betriebe und Unternehmen, für die sie in den Jahren beratend tätig gewesen ist, lässt sich gut vorzeigen. Aufschlussreich ist auch die Resonanz ihrer Kunden, von denen der Deutsche Olympische Sportbund vermutlich zu den prominentesten gehört. Kurzum: Nach nunmehr sechsjähriger freiberuflicher Tätigkeit zieht Sybille Heuel eine positive Zwischenbilanz. „Es war die richtige Entscheidung damals. Die Arbeit macht nach wie vor Spaß, ich lerne immer noch dazu. Ich nehme mir Zeit für die Beratung der Kunden, denn das Thema ‚Qualitätssicherung‘ in einem solch sensiblen Bereich wie der Lebensmittelindustrie liegt mir am Herzen.

Im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit ist sie auch auf den „Dortmunder Klüngel-Stammtisch“ gestoßen. (www.dortmunder-kluengelstammtisch.de)

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Die Frage ist natürlich berechtigt, wer und was sich hinter dem „Dortmunder Klüngel-Stammtisch“ verbirgt. Hierbei handelt es sich um eines der ältesten geschäftlichen Frauennetzwerke Dortmunds. Etwa knapp 800 Frauen jeden Alters und aus den verschiedensten Branchen – selbstständig arbeitend, arbeitssuchend oder als Angestellte tätig – sind hier vernetzt, um sich gegenseitig inspirieren, motivieren und weiter empfehlen zu können. An jedem zweiten Dienstag im Monat besteht Gelegenheit zum Kennenlernen und Bekanntwerden.

Das Mitbringen von Flyern und Visitenkarten ist ausdrücklich erwünscht. Außerdem kann jeweils eine „Klünglerin“ sich und Ihr Unternehmen bzw. ihre Tätigkeit vorstellen. Diese Vorstellung kann nach vorheriger Absprache auch als Betriebsbesichtigung vor Ort im Unternehmen durchgeführt werden.klüngel IMG_1866_Bildgröße ändern

Ein weiterer Programmpunkt jedes monatlichen Treffens dient dem Wissensaustausch. Hier werden aktuelle Themen aus den Bereichen Steuern, Marketing, Gesundheit u.a. in einem zehnminütigen Kurzvortrag präsentiert. An den monatlichen Treffen nehmen im Durschnitt 30 bis 40 Frauen teil. „Klüngeln heißt, sich gegenseitig erfolgreich machen!“ Nach diesem Motto – auf Neudeutsch „Networking“ – steht die Zusammenarbeit der „Klüngel-Frauen.“ Über Mund-zu-Mund-Propaganda erfolgt ein Erfahrungsaustausch mit Berufskolleginnen aus der Branche, frau hilft sich bei Entscheidungsfindungen und macht sich Mut machen neue Ideen zu kreieren.klüngel IMG_1869_Bildgröße ändern

Der Klüngel-Stammtisch-Dortmund arbeitet nach dem Prinzip „Ich empfehle Dich – Du empfiehlst mich“ und setzt dies seit 2001 virtuell und real und vor allem erfolgreich in die Tat um. Hier hat Sybille Heuel viele gute Anregungen bekommen, und deswegen ist es für sie auch keine Frage gewesen, sich für diese Ideen ehrenamtlich einzusetzen. Derzeit ist sie als Sprecherin tätig und sie ist zuständig für die Mailingliste, ein Forum, das zum internen Austausch der Klünglerinnen dient. Beide Aufgaben sind ihr im Rahmen ihres Engagements für den Verein besonders ans Herz gewachsen.

Von dieser ehrenamtlichen Tätigkeit mal abgesehen, am Herzen liegt ihr natürlich auch die Entwicklung des Stadtbezirks Mengede, in dem sie sich wohl fühlt und den sie ohne besonderen Grund nicht verlassen würde, um beispielweise an den Phoenix-See zu ziehen. Die Nähe zur Natur und die gute Verkehrsanbindung sind für sie ein besondere Lebensqualität. Zahlreiche vertraute Personen schaffen ein Gefühl der Heimat, das sie nicht missen möchte.

Allerdings: Wenn sie etwas zu entscheiden hätte, dann würde sie die Verantwortlichen für die evangelische Noah-Gemeinde im Stadtbezirk Mengede umgehend in den unbezahlten Ruhestand versetzen. Vor allem stört sie mächtig die geplante Schließung weiterer Gemeindehäuser und der geplante Abbau von hauptamtlichen MitarbeiterInnen. Was hier passiert, erinnert sie an den Niedergang des Karstadt Konzerns. Der Abstieg des Konzerns begann, als das Management das Interesse der Kunden aus den Augen verloren hat. Der Niedergang wurde durch den Abbau von Personal noch beschleunigt, auch der Verkauf von Filialen konnte diesen Prozess nicht aufhalten. Das ist eine klare Position, die manchem „Kirchenmanager“ nicht schmecken mag. „Leider“, so findet sie, „sind die Parallelen zur realen Wirtschaftswelt unverkennbar.“

Ihr Fazit: „Das ist mehr als schade und unverständlich. Gerade den Kirchen hätte ich mehr Fantasie bei der Bewältigung finanzieller Engpässe zugetraut“.

So hofft sie denn auf die Fantasie und die Solidarität der im Stadtbezirk Mengede lebenden Menschen. Bisher hatte sie damit gute Erfahrungen. Sie ist überzeugt: „Wenn es ernst wird, halten Mengeder, Netter, Westerfilder und Bodelschwingher ebenso wie Oestricher, Groppenbrucher und Schwieringhauser zusammen.“

Foto 2-5, Anke Sundermeier, https://ankesundermeier.de/.
Foto 6-8, Gabriele Protze, https://www.bildnis.de/
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