Kindheit in der Zechensiedlung (19 und letzte Folge)

Vom Knappen- und Schützenverein
und vom „letzten 
Fuhrmann aus Mengede“

Howard B.

Früher gab es in Mengede mehrere Knappenvereine, von denen einer noch aktuell besteht. Mein Großvater, Vater und Onkel waren Mitglieder im Verein „Schlag und Eisen“. Mein Opa als Kassierer, mein Onkel als Spieler im Trommler-Corps, und mein Vater konnte gut zeichnen und fertigte immer die Plakate für die regelmäßigen Karnevalsfeiern an.

Sonntags vormittags traf man sich im Vereinslokal „Purcel“ an der Käthe-Kollwitz-Straße auf ein paar „Pilsken“. Pünktlich zum Mittagessen mussten aber die Männer der Familie, meist etwas „angeschickert“ , wieder zu Hause sein. War das nicht der Fall, was auch schon mal vorkam, hing für ein paar Stunden der Haussegen schief.

Das sonntägliche Mittagessen bestand aus Fleisch vom Schwein, Huhn, Kaninchen oder seltener aus Rindfleisch in Form von Sauerbraten oder Rouladen. Dazu kamen Salzkartoffeln mit Soße, Gemüse aus dem Garten und immer eine „Frische Suppe“ vorneweg. Meine Mutter konnte durch ihre Hauswirtschaftslehre sehr gut kochen und backen. Sie machte die leckerste Buttercremtorte und backte einkochkesselweise Eiserkuchen, die „Tröter“. Weil das Gelingen des Backprozesses mit den damaligen Küchenöfen eher Glückssache war, besaßen wir auch irgendwann eine elektrisch betriebene Backhaube. Das war ein rundes Ding aus Metall mit einem Kuppeldeckel und sah aus wie ein „UFO“.

Die Bergmannsvereine veranstalteten regelmäßig schöne Umzüge und Paraden. Dazu kamen auch Abordnungen und Kapellen von anderen Vereinen aus der Umgebung. Die Majore führten dabei ihre Kapellen preussisch-zackig an und konnten ihre oftmals militärische Vorbildung im „Dritten Reich“ nicht verleugnen.

Es gab auch einen Schützen Verein, dessen Mitglieder sich aber vorwiegend aus dem Mengeder Bürgertum rekrutierten . Am Sonntag nach dem Königsschießen schauten wir uns gerne den  Umzug der Schützen an. Die Straßen waren festlich geschmückt, und ganz Mengede war auf den Beinen. Besonders beeindruckt haben mich damals die schönen langen Kleider der Schützenköniginnen und ihrer Hofdamen.

Auf dem Bock der Kutsche für die Königspaare saß „Heinrich der Fuhrmann“. Ich habe ihn Jahre später in Bodelschwingh wieder getroffen . Er war beim Reiterverein beschäftigt und sah immer noch so aus, wie ich ihn aus meiner Kindheit in Erinnerung hatte. Zu Lebzeiten war er schon ein „Original“ und nannte sich auch selbst „Der letzte Fuhrmann von Mengede“. Er liebte gutes reichliches Essen und Trinken.

Als er einmal wieder in leichter Schräglage mit dem Fahrrad auf dem Heimweg von Bodelschwingh nach Mengede unterwegs war, wurde er von einer Polizeistreife angehalten und aufgefordert, sein Rad das letzte Stück des Weges zu schieben. Zunächst folgte er auch dieser Anweisung. Als aber das Polizeiauto außer Sichtweite war, setzte er sich wieder auf seinen Drahtesel und fuhr weiter. Die Beamten hatten so etwas aber voraus geahnt , hielten ihn erneut an und schraubten ihm kurzerhand die Ventile aus den Reifen. Er konnte sie am nächsten Tag auf der Wache in Mengede wieder abholen.

Anmerkung  der Redaktion von MENGEDE:InTakt! zur vorstehenden letzten Folge
Diese 19. Folge wird zugleich auch die letzte Folge unserer Serie „Kindheit in der Zechensiedlung“ sein. Als wir am 21.2. 2015 die Folgen 1+2 veröffentlichten, konnten wir nur hoffen, dass die Beiträge von Bärbel Howarde ein Renner sein könnten. Denn wir waren ja erst knapp zwei Monate „auf Sendung“ und wussten nicht, ob unsere Leser Geschichten aus der „Kolonie“ schätzen würden. Jetzt nach knapp einem Jahr stellen wir fest: Die Erinnerungen an die Kindheit in der Kolonie sind mit Abstand die erfolgreichste Serie bei uns. Bisher sind die Beiträge insgesamt rd. 5300 mal aufgerufen worden, die meisten Aufrufe verzeichnete die Folge 7 mit 691 Aufrufen.
Es ist schade, dass wir nun am Ende sind. Aber wir trösten uns, denn jedes Ende wird durch die Hoffnung auf einen Neubeginn begleitet. So denkt auch Bärbel Howarde – bisher noch zaghaft – über etwas Neues nach.
MENGEDE:InTakt! dankt ihr sehr für ihre Mitarbeit und wünscht ihr weiterhin gutes Gelingen. (K.N)