Was macht eigentlich….(6) Dr. Herbert Wörmann

„Aus der Not ein Tugend machen“IMG_1134

85 Jahre ist er inzwischen alt und lebt und wohnt von Geburt an – also seit 1930 – in Mengede. Aufgewachsen ist er mit drei Geschwistern, übrig geblieben ist er allein. Eine Schwester ist 1944 bei einem Bombenangriff auf den Dortmunder Hauptbahnhof ums Leben gekommen, der Bruder wurde kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges als vermisst gemeldet und die jüngere Schwester ist in den Kriegsjahren ebenfalls gestorben.

Herbert Wöhrmann – von seinen Freunden liebevoll „Hebsche“ genannt – hat somit als Kind die Absurdität des Krieges zur Genüge miterlebt. Das sind keine guten Erinnerungen und auch auf seine persönlichen Erlebnisse könnte er gut verzichten. Als 12jähriger – also im Jahr 1942 – wurde er zusammen mit drei weiteren Mengedern als Schüler des heutigen Helmholtz-Gymnasiums zusammen mit den Lehrkräften und den anderen Schülern im Wege der Kinderlandverschickung in die Slowakei evakuiert.IMG_1139

Da sich die Lage auch dort verschlechterte, zog die „Karawane“ nach Süddeutschland und blieb dort bis Ende des Krieges. Die Schule erlebte das Ende des Krieges allerdings nicht. Die Verantwortlichen machten sich aus dem Staub und die drei Mengeder – die zwischenzeitlich auf einem Bauernhof wohnen konnten und bei der Ernte mitgeholfen hatten – beschlossen, sich zu Fuß auf den Weg zu machen. Gedacht – getan! Die drei – Manfred Lillinger, Bernhard Baukloh und Herbert Wörmann verstauten ihr Hab und Gut in einen Bollerwagen und machten sich zu Fuß auf den Weg Richtung Heimat. Dort kamen sie nach knapp zwei Wochen in Mengede an – fröhlich und guter Dinge.

Studium in Köln – Ferienjob „Unter Tage“
Herbert Wörmann musste dann gleich von seinen Eltern erfahren, was mit seinen Geschwistern passiert war. Die Erinnerung daran macht ihn noch heute sehr traurig.

Sobald es möglich war, ging es wieder zur Schule. 1951 machte er das Abitur auf dem Helmholtz-Gymnasium, es folgte das wirtschaftswissenschaftliche Studium in Köln mit dem Abschluss als Dipl. Kaufmann im Jahr 1955. Diese Zeit des Studiums hat Herbert Wörmann in vielerlei Hinsicht geprägt. Nicht nur das Studium an sich, sondern vor allem die Begleitumstände.

Zu Hause waren die Finanzen eher knapp bemessen; es musste jede Mark umgedreht werden, bevor sie ausgegeben wurde. Er empfand es daher als besonderes Privileg, gleichwohl studieren zu dürfen. Sein Ziel war es, möglichst zügig und mit geringstem finanziellen Aufwand zum Abschluss zu kommen. Also ging es vom ersten Semester an „zur Sache“ – bummeln war nicht angesagt. In Köln bewohnte er eine kleine Studentenbude. Jeweils am Montagmorgen ging es von Mengede nach Köln und am Freitagmittag wieder zurück nach Mengede – immer per Anhalter und mit einem Köfferchen mit Wäsche unterm Arm. Das funktionierte bestens, denn die Anbindung der beiden Städte an die Autobahnen war für den Tramper Wörmann geradezu ideal. Es funktionierte vor allem auch deshalb gut, weil es nicht alltäglich war, dass ein junger Mann an der Autobahnauffahrt in Mengede stand, um nach Köln mitgenommen zu werden.IMG_1130

In den Semesterferien galt es die Haushaltskasse zu entlasten, d.h. Ferienjobs waren angesagt. Der damalige Hauptarbeitgeber im Stadtbezirk Mengede – die Zeche Adolf von Hansemann – beschäftigte auch Studenten, wenn diese bereit und in der Lage waren, richtig anzufassen. In seinen ersten Semesterferien wurde er noch in der Lehrwerkstatt der Zeche angelernt, in den folgenden Ferien danach ging es „unter Tage“ – Holzstempel schleppen. Diese Zeiten waren häufig hart für ihn, da er körperliche Arbeit ja nicht gewohnt war. Doch sie sind so nachhaltig in positiver Erinnerung geblieben, dass er zu besonderen Anlässen und wenn er darum gebeten wird sich ans Klavier zu setzen, immer noch gerne das Steigerlied spielt und dazu singt – mindestens 12 Strophen.

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Einen besonderen Ehrenplatz in seiner Wohnung nimmt die Grubenlampe ein, die er nach Abschluss seines Studiums von Helmut Geiger überreicht bekommen hat – s. Zt. Direktor auf A.v.H. und auch als Vorsitzender des TV Mengede bekannt. Herbert Wörmann schätzt aus dieser früheren Tätigkeit auch ganz besonders die Initiative des Mengeders Max Rehfeld mit seiner BUV Kleinzeche auf dem ehemaligen Zechengelände.

Job in Oberhausen…
Sofort nach Ende seines Studiums mit dem Abschluss als Diplom-Kaufmann fand er einen Job in Oberhausen in der Firma Krebber-Asphalt. Die Entscheidung für einen Arbeitgeber in räumlicher Nähe zum Heimatort Mengede hatte einen einfachen Grund. „Hebsche“ wollte seine Mutter dort nicht alleine lassen, denn auch sein Vater war zwischenzeitlich verstorben. Lukrative Angebote aus dem Süden Deutschlands lehnte er ab, und so nahm er die Stelle in Oberhausen an. Das war nicht nur für die Mutter eine gute Entscheidung. Er fühlte sich schnell in der Firma in Oberhausen gut aufgehoben, so gut, dass er erst im Jahr 1990 aus Altersgründen ausschied – nach 35 Jahren Betriebszugehörigkeit in der Funktion eines Geschäftsführers. Nicht zu vergessen, dass er in den ersten Jahren seiner Berufstätigkeit – neben seinem Job auch noch an der Universität Köln zum Dr. rer. pol. promovierte.

Es passt zu Herbert Wörmann, dass er diese Eckdaten seines Lebens nicht als besonders spektakulär ansieht. Dabei hätte er allen Grund, seine Leistungen in ein anderes Licht zu rücken. Aber er gehört eher zu den Stillen im Lande, und deshalb soll es auch an dieser Stelle gut sein.

…aber Mengede bleibt sein Ankerplatz
Es liegt die Frage nahe, ob er nicht mal zwischendurch überlegt habe, aus Mengede wegzuziehen – z. B. wenigstens in den Dortmunder Süden. Die Antwort von Herbert Wörmann ist mit „auf keinen Fall“ knapp, aber nicht überraschend. Ausführlich dazu seine Begründung:

„Mengede hat eine Vielzahl von positiven Seiten, die es verdienen festgehalten zu werden. Erfreulicherweise ist der dörflich-ländliche Charakter des alten Mengede – an den Ufern der Emscher gelegen – erhalten geblieben. Der ehemalige Mittelpunkt des Ortes, die sehenswerte und über 1000 Jahre alte ev. St. Remigius Kirche sowie das Widum rund um die Kirche empfinde ich als ein besonderes Kleinod, über das Städte und Gemeinden im Ruhrgebiet nur noch selten verfügen.IMG_1122

Zu diesem baulichen Kleinod passen auch die guten nachbarschaftlichen Beziehungen, die auch heute noch in den verschiedenen Ortsteilen des Stadtbezirks gepflegt werden. Das ist mit ein Grund, dass viele Mengeder sich hier wohlfühlen oder – wenn sie weggezogen sind – gute Erinnerungen an ihren Heimatort haben.

Das ist auch das Ergebnis einer intensiven Vereinskultur im Stadtbezirk Mengede. Nicht nur große und bekannte Sportvereine prägen das Bild über den Stadtbezirk hinaus, auch Kunst und Musik haben hier eine Heimat und vor allem mit dem Kulturzentrum im Mengeder Saalbau, dem Amtshaus,  der ‚Kaue‘ der ehemaligen Zeche A.v. Hansemann, dem Schloss Bodelschwingh und den beiden Kirchen verfügt der Stadtbezirk über geeignete Präsentationsmöglichkeiten.

Allerdings sind die Potentiale, die der Schlossgarten Bodelschwingh und der Volksgarten Mengede bieten, noch gar nicht ausgeschöpft. Als besonders verdienstvoll sehe ich in diesem Zusammenhang das Bemühen von Winfried Jürgens und Isabell Knappmann, zweimal im Jahr einen Veranstaltungskalender für den Stadtbezirk Mengede herauszubringen, der Auskunft gibt über sämtliche Veranstaltungen, die jeweils für die erste bzw. zweite Jahreshälfte geplant sind, und der ist jetzt bereits in der 20. Auflage erschienen.“

Musik lässt vieles leichter erscheinen
Herbert Wörmann hat sich zeitlebens sich für Bücher interessiert. Er liest viel, in letzter Zeit Bücher zu aktuellen gesellschaftpolitischen Fragen, aber auch Reise- und Naturberichte. Er ist musisch interessiert und gebildet, d.h. er hat früher über lange Jahre im Musikverein Mengede die Bass-Stimme gesungen. Vor 70 Jahren hat er Klavierspielen bei der bekannten Klärchen Potkämper gelernt. Im Gegensatz zu vielen anderen hat er damit nicht aufgehört, als er großjährig geworden war. Er hat diese Fähigkeit für sich weitergepflegt und entwickelt, so gut, dass er sich heute noch spontan im Heimathaus Mengede ans Klavier setzen und fetzige Musik spielen kann. Das ist eine Musik, die nach dem Krieg von den amerikanischen Soldaten nach Deutschland gebracht wurde.IMG_1142

Die hat ihn immer begeistert – auch heute noch. Wenn er diese Musik hört oder selbst auf dem Klavier spielt, fallen die Mühsale des Alters von ihm ab und die guten Erinnerungen an frühere Jahre lassen vieles leichter erscheinen. Allerdings – ohne seine Partnerin Gisela Heymanns, geb. Hallermann, mit der er seit Jahren zusammenlebt – „von 1977 bis 2002 in wilder Ehe und danach ordentlich verheiratet“, wie er scherzhaft sagt, wäre der Alltag bedeutend mühsamer.

Es ist gar nicht seine Art zu meckern, aber es stört ihn immer wieder, sich den erbarmungswürdigen Zustand mancher Straßen im Stadtbezirk ansehen zu müssen. Wenn er noch jünger und bei vollen Kräften wäre, würde ihm sicher einiges einfallen, um diese Zustände zu verbessern.
MENGEDE:InTakt! hat Dr. Herbert Wörmann gebeten, den (aktualisierten) Fragebogen von Marcel Proust* auszufüllen. Hier ist das Ergebnis:

Ihr Motto/Leitspruch?
Aus der Not eine Tugend machen
Ihr Hauptcharakterzug?
Zuverlässigkeit, Hilfsbereitschaft
Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?
Immer fröhlich zu sein
Was verabscheuen Sie am meisten?
Unzuverlässigkeit, Lügen, Gewalt
Ihr Interesse an Politik?
Politisch interessiert, vor allem an Nachrichten und Diskussionen im Fernsehen
Glauben Sie Gott sei eine Erfindung des Menschen?
Ja, vermutlich
Welche Reform/Erfindung bewundern Sie am meisten?
Computertechnik und alles, was damit zusammenhängt
Mit wem möchten Sie an einer Hotelbar ein Glas Wein trinken und dabei worüber reden?
Mit guten Freunden über spannende, aber erfreuliche Themen
3 Dinge, die Sie mit auf eine einsame Insel nehmen würden?
Radio, Buch, Klavier
Sommer oder Winter?
Sommer
Ihre Hobbies?
Klavierspielen, Lesen
Film oder Buch?
Buch
Welchen Film haben Sie zuletzt gesehen?
Kann mich nicht erinnern, da schon ewig keinen Film mehr gesehen
Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Dieter Hildebrandt: „Was bleibt übrig?“; Joachim Fuchsberger: „Alt werden ist nichts für Feiglinge“
Ihre Lieblingsmusik?
Jazz; Volksmusik
Ihre Lieblingsblume?
Nelke
Ihr Lieblingstier?
Hund (habe über 10 Jahre einen Berner Sennenhund als treuen Begleiter gehabt)
Essen & Trinken hält Leib und Seele zusammen – auch bei Ihnen? Wenn ja, was ist es?
Ich bin kein großer Esser; bevorzuge Eintöpfe und westfälische Kost
 * Der Fragebogen von Marcel Proust
Was denken und fühlen bekannte Zeitgenossen? Diese Fragen faszinierten die Menschen schon immer. Vorbild für diese Fragen ist der wohl bekannteste Fragebogen, der den Namen des französischen Schriftstellers Marcel Proust (1871-1922) trägt. Dieser hat ihn aber nicht entworfen, sondern nur ausgefüllt, das heisst, genau genommen sogar zweimal: Einmal als 13-jähriger auf einer Geburtstagsparty. Dann im Alter von etwa 20 Jahren einen ähnlichen Fragebogen, dem er selber den Titel «Marcel Proust par lui-même» («Marcel Proust über sich selbst») gab. Berühmt wurden die Fragen durch Publikationen z. B. in der FAZ.
MENGEDE:InTakt! hat den Fragebogen etwas aktualisiert.

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