So geht Datenschutz

Der Volltrottel

Eine Kolumne von Heinrich Werbedes
Prost Stammtischbrüder!

Nach mehrmaligem Klingeln gehe ich ans Telefon. Auf meinem Display erscheint eine Nummer. Sie ist so lang wie der Rundweg um Mengede. „Werbedes“, melde ich mich etwas unwirsch. Lasse mich ungern beim Genießen meines Highballs (Southern Comfort mit Ginger Ale und Eis) stören. „ Spreche ich mit Herrn Heinrich Werbedes?“, flötet mich eine durchaus sympathische Stimme an. Normalerweise lege ich an dieser Stelle auf.

Weiß auch nicht was mich geritten hat, plötzlich überfällt mich die Lust weiter zu telefonieren. Es liegt wahrscheinlich daran, dass die Stimme weiblich klingt. „Ja“, antworte ich freundlich, „ mit wem spreche ich?“. „ Mein Name ist Katja Mond. Ich rufe von der Kündigungsabteilung der Vorteilsgemeinschaft aus Langen an. Herr Werbedes, wissen sie eigentlich, dass mit Ihren persönlichen Daten weltweit gehandelt wird? Unsere
Institution ist dazu da, Sie vor etwaigem Missbrauch zu schützen!“ Ich bleibe ganz ruhig
und frage, mit welchen meiner Daten denn gehandelt würde? Zu meinem Erstaunen konnte sie mir meine Bankverbindung, meine Anschrift, mein Alter und noch einige persönliche Dinge nennen.

Ein ungutes Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. Eigentlich bin ich ja einer, der seine Daten im digitalen Zeitalter penibel schützt. So gut es geht. Glaube ich zumindest. Ich nehme noch einen Schluck von meinem Highball.
„Was möchten Sie denn nun eigentlich von mir Frau Mond? Oder darf ich Fräulein sagen?“, flirte ich. „ Sie dürfen selbstverständlich auch Fräulein sagen“, antwortet sie freundlich.
„Herr Werbedes, wir haben ein Problem. Sie haben sich vermutlich durch einen versehentlichen Klick an Ihrem Computer bei der Lotterie Mega Millions angemeldet. Ab Morgen werden von Ihrem Konto monatlich 96 Euro abgebucht. Lange Rede kurzer Sinn. Wir können das noch stoppen. Wir haben zwar Ihre Bankverbindung und Ihre Bankleitzahl, aber in der uns vorliegenden Mitteilung ist wahrscheinlich aus Datenschutzgründen Ihre Kontonummer unkenntlich gemacht!“

Jetzt nehme ich einen großen Schluck von meinem Kaltgetränk. Überlege nur kurz, ob ich die Kontonummer meines Lieblingsfeindes angebe und lege los. Drohe mit einem persönlichen Besuch in Langen. Wo immer das ist. Frage ob Fräulein Mond, oder Mars, oder Venus, oder wie immer sie heißt mich vera….en will. Drohe mit der Polizei, Bild kämpft für Sie, der Staatsanwaltschaft und meinem Anwalt Kai Neuvians. Bei Kai Neuvians legt sie auf.

Ehrlich, Stammtischbrüder. War schon lange nicht mehr so auf 80. Bilde mir ein, drei Mal chemisch gereinigt zu sein. Scheine aber die Aura eines Volltrottels zu haben.
Meine Frau geht mit mir nicht mehr in die Stadt, weil ich von allen Seiten angesprochen werde, ob ich mal nen` Euro oder Zigaretten oder wer weiß was hätte.

Vor Jahren fuhr ich während meiner Ausbildung immer mit dem Zug nach Dortmund. Damals existierte
dort noch hinter dem Bahnhofsausgang ein kleiner künstlicher Teich. Dort saß immer ein Berber auf einer Bank. Jeden Morgen haute er mich an, ob ich nicht ein Butterbrot für ihn hätte. Ich gab es ihm. Nach der xten Begegnung fragte ich ihn, ob ich denn nicht mal einen Schluck aus seiner Wermutpulle kriegen könnte. Fortan beschimpfte er mich, wenn er mich nur sah. Ich glaube damals habe ich mich vom Samaritertum verabschiedet.

Euer Heinrich Werbedes!