Sie treffen sich jeden Dienstag um fünf. Die Senioren des TV Mengede (im geschmeichelten Vereinssprech: „Männer über 50“) in der Turnhalle am Mengeder Markt. In einer Turnhalle, die monatelang wegen unsicherer Deckenplatten gesperrt war, dann schließlich nach Entfernung aller Platten mit provisorischer Lochmusterdecke für den Sportbetrieb wieder freigegeben wurde.
Die oben horizontal angebrachten Flachheizkörper blieben jedoch als Deckenabschluss bestehen und bilden dort seit der Wiederinbetriebnahme ein Nirwana für alle Sportgeräte, die versehentlich den Weg in die oberen Gefilde finden.
Männersport ohne Ball? Undenkbar. So auch beim Training der alten Knaben des TV Mengede. Und es kam, wie es kommen musste: Ausgerechnet ihr Lieblingsball, eine gelbe Filzkugel in Fußballgröße, verschwand nach einem Abpraller beim Fußballtennis unsichtbar im Deckenverlies. Keine Chance, an ihn heran zu kommen.
Keine Chance? Geht nicht, gibt´s nicht! Die Tage der folgenden Woche bestanden aus gemeinsamem Brainstorming: E-Mails sausten hin und her, neue Werkzeuge wurden erfunden, alte Werkzeuge umgerüstet, sogar der Einsatz einer Video-Kamera wurde mit in die Überlegungen einbezogen. Johann, der einzige unter ihnen, der noch am Kletterseil bis ganz nach oben kommt, war nicht zur Stelle, für einen Pyramidenbau nach alter Turner Sitte fehlte dann doch die Behändigkeit und der Einsatz eines Industrie-Staubsaugers als Gebläse wurde wegen nicht vorhandener Schlauchlänge gleich verworfen.
Dank seiner dreidimensionalen Technik-Erfahrungen favorisierte Burckhard schließlich die eigens für diesen Zweck von ihm angefertigte Gliederfilzfußballschubskonstruktion, bestehend aus drei Dachlatten – auf Transportmaß gekürzt – die über Vorbohrungen und in Verbindung mit der in der Halle befindlichen Hochsprung-Latte als Verlängerungs-Elemente zu einem bis an die Decke reichenden Stochergestänge Verwendung finden sollten. Als besondere Finesse war zudem von ihm vorgesehen, mit farblich abgestimmten Kabelbindern die für die als notwendig erachteten Vorweg-Sondierungen bereitgestellte Videokamera anzuheften.
Eine Eintragung der genialen Erfindung beim Patentamt steht noch aus, wobei allein der Begriff alle Chancen hat, zum Wort des Jahres gekürt zu werden.
Der folgende Dienstag war der Tag der Entscheidung. Während Burckhard seine Hardware für den Einsatz vorbereitete, versuchte der internationale Angelkönig Willi (den Titel hatte er sich kürzlich mit dem Fang eines 8,5 kg schweren Dorsches in Dänemark erwerben können) filigran seine Künste mit einem ebenfalls vor Ort befindlichen Fummel-Gestänge. Sein Beifang war beachtlich. Federbälle segelten auf den Hallenboden, der Staub von Jahrzehnten trübte die Luft, alle Versuche den Ball zu finden, stießen jedoch buchstäblich ins Leere.
Doch auf welcher der vielen Heizplatten lag nun der verflixte Ball? Die Videobilder waren wegen des fehlenden Lichts in dem finsteren Verschlag unbrauchbar. Noch während mit allem Einsatz alle Winkel des Hallenobergeschosses systematisch sondiert wurden, entdeckten die bisher nur mit verbalen Anfeuerungen beschäftigten Mitturner im hintersten Winkel der Geräteecke eine riesige Stehleiter, die offensichtlich seit Jahrzehnten hinter Turnmatten und Schwebebalken verschollen war. Alle packten mit an, so schaffte man es, das Holzgestell ins Hallenzentrum zu hieven.
Übungsleiter Manfred ließ es sich natürlich nicht nehmen, seine Kletterkünste unter Beweis zu stellen und höchstpersönlich das Ballversteck in Augenschein zu nehmen. Und dann ging alles ganz schnell. Obwohl an ganz anderer Stelle als vermutet, hatte das Lieblingsspielgerät keine Chance, unerkannt zu bleiben und landete unter Jubelovationen aller Beteiligten auf dem Hallenboden.
Bleibt noch zu erwähnen, dass derselbe Ball, kurz vor dem Ende der anschließenden Trainingsstunde, erneut im Deckengebälk landete. Diesmal jedoch so, dass er es – wohl in Erwartung des erneut einsetzenden Such-Procederes – gnädig vorzog, von unten sichtbar am Rand einer Heizplatte hängen zu bleiben. So fand die geniale Erfindung der Gliederfilzfußballschubskonstruktion dann doch noch die ihr gebührende Verwendung.