Max von der Grün (1926 – 2005) wäre am 25. Mai 2016
90 Jahre alt geworden.
Max von der Grün war einer der wichtigsten und letzten Repräsentanten der so genannten „Arbeiterliteratur“. Im Ruhrgebiet landete er 1951 eher unfreiwillig: Er bezeichnete sich selbst als „Gastarbeiter“ und verdiente seinen Lebensunterhalt als Bergmann auf der Zeche Königsborn in Unna.
Später, in den 1980er Jahren schrieb er: „Hier kann man leben, weil die Menschen menschlich miteinander umgehen. Heimat ist dort, wo es einem leicht gemacht wird, mit Menschen zu reden.“
Max von der Grün kam als Sohn der Dienstmagd Margarete von der Grün, die aus einer verarmten fränkischen Adelsfamilie stammte, und des Bauernknechts Adam Lauterbach im Bayreuther Stadtteil Sankt Georgen zur Welt, im Hinterhaus des Anwesens „Hinter der Kirche 1“, in dem er auch die ersten beiden Lebensjahre verbrachte. Bis 1941 wuchs er überwiegend bei seinen Großeltern Maria und Johann von der Grün in Schönwald in Oberfranken auf, ehe er nach dem Tod des Großvaters zu seiner Mutter nach Mitterteich zog.Von 1933 bis 1941 besuchte er die Volksschulen in Paulusbrunn (Böhmen) und Schönwald. Sein Stiefvater Albert Mark, ein Schuhmachergeselle, den seine Mutter 1933 geheiratet hatte,gehörte den Ernsten Bibelforschern an, einer Glaubensgemeinschaft, aus der später die Zeugen Jehovas hervorgingen, und war deshalb von 1938 bis 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg inhaftiert. Von der Grün besuchte nach der Volksschule die Mittelschule und schloss die Handelsschule ab. Da es ihm aufgrund der Inhaftierung seines Vaters zur Zeit des Nationalsozialismus nicht erlaubt war, eine weiterführende Schule zu besuchen, begann er 1941 eine kaufmännische Lehre in den Rosenthal Porzellanfabriken in Selb und Marktredwitz. 1943 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und absolvierte eine Ausbildung bei einer Fallschirmjäger-Einheit. Während des Zweiten Weltkrieges kam er in der Bretagne zum Einsatz und geriet dort 1944 bei Quimper in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach einem Aufenthalt in einem Auffanglager in Schottland verbrachte er drei Jahre in Camps in den USA, wo er in Louisiana, Texas und New Mexico in Arbeitskommandos auf Baumwoll- und Zuckerrohrplantagen, als Baumfäller sowie als Bergmann in einer Kupfermine arbeitete. Max von der Grün, der unter den Lagerinsassen zu den jüngsten gehörte, sagte über diese Zeit: „Meine Kriegsgefangenjahre waren meine Universität.“(wikipedia)
Der Arbeitswelt des Ruhrgebiets setzte er literarisch ein Denkmal, vor allem in seinem umstrittenen Roman „Irrlicht und Feuer“ (1963), in dem er Arbeitgeber und Arbeitsbedingungen, Betriebsräte und Kumpel an der Ruhr gleichermaßen kritisierte. Im Oktober 1964 schrieb das Magazin „Der Spiegel“ über ihn:
„Der Ex-Kumpel erträgt es, gefragt zu sein, und er besteht strikt auf Unabhängigkeit nach allen Seiten. Mit dieser Haltung repräsentiert Max von der Grün auch jene Vereinigung westdeutscher Arbeiter-Schriftsteller, die seiner Initiative ihre Existenz und neuerdings zunehmende Publizität verdankt: die nach prominentem Vorbild so genannte „Gruppe 61“.“
Die Gruppe 61 – „Arbeitskreis für künstlerische Auseinandersetzung mit der industriellen Arbeitswelt“ hatte er u.a. mit seinem Mentor, dem damaligen Dortmunder Büchereidirektor Fritz Hüser gegründet. Später gehörten auch Günter Wallraff und Wolfgang Körner zur Gruppe. Von 1964 bis zu seinem Tod war von der Grün außerdem Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland. Bei seiner nächsten Jahrestagung 2017 in Dortmund will das PEN-Zentrum an die literarische Tradition Dortmunds als Stadt der Arbeiterliteratur erinnern.
Dass Max von der Grün weit mehr war als ein Arbeiterschriftsteller, beweist u.a. sein zeitloser Jugendroman „Vorstadtkrokodile“ von 1976, der noch heute zum Kanon der Schullektüre gehört und mehrfach, zuletzt 2011 fürs Kino verfilmt wurde. In der Stadt- und Landesbibliothek stehen der Film sowie Hörspiel-Bearbeitungen und eine Fernsehverfilmung von 1977 mit Martin Semmelrogge, Eberhard Feik und Rosel Zech zum Ausleihen bereit. Insgesamt wurden elf Fernsehspiele nach seinen Texten produziert, u.a. „Stellenweise Glatteis“ (Regie: Wolfgang Petersen) und „Flächenbrand“.
Der literarische Nachlass des Schriftstellers ist im Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt in Dortmund-Bövinghausen archiviert und öffentlich zugänglich.
1987 verlieh ihm die Stadt Dortmund den Ehrenring. 1989 wurde die Ruhroper „Brot und Spiele“ nach einem Libretto Max von der Grüns im Dortmunder Opernhaus uraufgeführt.
„Max von der Grün wird heute als Arbeiterschriftsteller klassifiziert. Doch das ist ein Klischee. Von der Grün war und ist vor allem eine erzählerische Naturbegabung. Seine Bücher vermögen, auch nach Jahrzehnten noch, zu fesseln. Und dass sie in der Welt der Arbeit spielen, ist grade heute, in Zeiten, in denen soziales Bewusstsein mehr denn je gefordert ist, ein großes Plus.
»Gradlinig, ohne Angst, die Dinge klipp und klar beim Namen nennend«
»Nichts als gegeben hinnehmen«, war seine Antwort auf die FAZ-Frage nach seinem Motto. Ungeduld war eine seiner schlimmsten Eigenschaften. »Der Spiegel« bezeichnete ihn einmal als »Revier-Goethe«. Wolfgang Petersen verfilmte in jungen Jahren lange vor Hollywood seinen Roman »Stellenweise Glatteis« mit Günther Lamprecht in der Hauptrolle. Horst Frank spielte den Lothar Steingruber in der Verfilmung von »Flächenbrand«. Insgesamt wurden elf Fernsehspiele nach seinen Texten erstellt (womit er zu den am häufigsten verfilmten deutschen Autoren zählt). Dennoch ist er innerhalb der Literaturkritik und -wissenschaft selten angemessen rezipiert und akzeptiert worden: Max von der Grün, postulierter Arbeiterschriftsteller der mit diesem Begriff nie etwas anfangen konnte , ein Verfasser kurzweiliger Bücher, Chroniken seiner Welt im Ruhrgebiet, in denen dem »kleinen Mann« gründlich »aufs Maul« geschaut wurde.“(Heinz Georg Max, in: Literatur in Westfalen, Beiträge zur Forschung 9, 2008).
„Max von der Grün war der wichtigste Autor der Nachkriegszeit über Welten, die im bürgerlichen Deutschland die unfeinen sind. Der bekennende Wahldortmunder […], der, vielleicht ein Hinweis auf seinen Klassensnobismus, Wein für ein bourgeoises Getränk hielt und Canapés für Sitzmöbel, hat dem Proletarischen als Gegenstand des Erzählens den Hautgout genommen – the working class, das ist jedem seiner Bücher zu entnehmen, war ihm keine Masse, sondern die Zugehörigkeit wie zu einer Schicksalsgemeinschaft von Einzelnen.“(taz vom 9.4.2005)
Max von der Grün wurde auf dem Bezirksfriedhof Dortmund-Scharnhorst beerdigt.