695. Kirmes lockt seitdem ins „ewige Dorf“ Bodelschwingh
Wie mag es gewesen sein, im Jahre des Herrn 1322, als Ritter Ernst I. von Bodelschwingh, der Besitzer der benachbarten Wasserburg, zum ersten Kirchweihfest einlud? Die kleine gotische Saalkirche war 1312 von seinem Vater gestiftet worden. Was hätten andererseits die damals Lebenden gedacht, wenn sie heute dabei sein könnten? Die Bodelschwingher Kirmes ist 2016 zum 695. Mal gefeiert worden. Sie ist der älteste Dortmunder Jahrmarkt.
Dass der bevölkerungsreichste Ort des Stadtbezirks Mengede immer noch „das Dorf“ genannt wird, mag an seinem Alter und dem Aussehen liegen: Bodelschwinghs historischer Ortskern, das Gegenüber von Wasserschloss und Fachwerkhäusern rund um die kleine gotische Kirche, eingebettet in eine grüne Hügellandschaft, sind unverwechselbar und unverkennbar uralt. Im späten Mittelalter hatte die Siedlung bereits eine Vergangenheit. 1220 wird erstmals ein „Hof Bodelswenghe“ erwähnt, der möglicherweise mitten im heutigen Ortskern lag.
Laut wie heute, aber sicher ganz anders
Unternähme man eine Zeitreise zur Bodelschwingher Kirmes vor fast sieben Jahrhunderten, gäbe es andere Attraktionen als heute zu sehen, das ist gewiss. Mangels technischer Möglichkeiten unterhielten Gaukler aller Sparten, Puppenspieler und Musiker das Publikum. Zudem wurden, was wir heute grausam finden,Tiere und Menschen mit seltsam erscheinenden Mutationen und anderen Fehlbildungen zur Schau gestellt, und das bis ins 19. Jahrhundert. Sportliche Wettkämpfe, wie Tauziehen, Wurfspiele oder Schießen gehörten bei vielen Festen ins Programm. Es wäre laut wie heute, aber mit Sicherheit schmutziger und möglicherweise auch gefährlicher.
Der Handel spielte bei den nur einmal im Jahr stattfindenden Kirchweihfesten eine besondere Rolle. Sein Angebot unterschied sich in der Regel von dem der üblichen Wochenmärkte. Welche Produkte und Lebensmittel im Einzelnen im frühen 14. Jahrhundert und später im Dortmunder Nordwesten verkauft wurden, ist – genau wie Details zur Unterhaltung – nicht schriftlich belegt.
Nirgends grunzt ein Borstenvieh beim „Schweinemarkt“ 2016
Noch heute wird in Bodelschwingh am Montag traditionell morgens ein Krammarkt auf der Deininghauser Straße veranstaltet, ergänzt durch den „Schweinemarkt“ in der Straße Im Odemsloh. Heute ähnelt sich das Verkaufsprogramm in beiden Straßen. Nirgends ist das Grunzen eines Borstenviehs hörbar. Der Name Schweinemarkt hat jedoch durchaus eine reale Bedeutung gehabt. Lebende Tiere, sowohl als Nutztiere zur weiteren Haltung, z. B. Hühner als Eierlieferanten, Esel und Pferde als Zug- und Reittiere waren bis weit in die 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein hier zu erwerben.
Otto Schmidt, aktives Mitglied im Heimatverein Mengede und selbst „Ur-Bodelschwingher“, erinnert sich daran, dass damals in der Tat lebende Ferkel und Geflügel den Besitzer wechselten, vereinzelt auch Pferde. Letztere seien von umherziehenden Sinti und Roma angeboten worden, die einen festen Lagerplatz außerhalb des Siedlungsbereiches genutzt hätten. Die Ferkel seien meist von Bergleuten gekauft, und in den zu den Koloniehäusern gehörenden Ställen bis zur Schlachtreife gefüttert worden. Ganz offensichtlich: Vegane Kost stand noch nicht so hoch im Kurs wie heute. Zwar habe es damals im Ort mehrere Gärtnereibetriebe gegeben, aber diese hätten zur Kirmes eher frische Blumen und Zierpflanzen als Gemüse angeliefert.