Schadinsekten und Krankheitserreger auf dem Vormarsch
Schüttere Kronen, tote Äste, schadhafte Rinde an den Stämmen: selbst Laien bleiben die Veränderungen nicht verborgen. Überall kränkeln Stadt- und Straßenbäume. Dortmund macht keine Ausnahme. Vor allem über das rapide Fortschreiten des Eschensterbens wurde in letzter Zeit häufig berichtet. Nicht nur die Gewöhnliche und die Schmalblättrige Esche leiden. Viele heimische Laubholzarten scheinen dem Klimawandel und den besonderen Herausforderungen einer zubetonierten und wenig rücksichtsvollen Umwelt im urbanen Raum kaum noch gewachsen.
Die Pseudomonas-Rindenkrankheit der Rosskastanie, die Massaria-Krankheit der Platane, die für die menschliche Gesundheit gefährliche Rußrinden-Krankheit des Bergahorns und das ebenfalls für Menschen bedenkliche Auftreten des Prozessionsspinners an Eichen sorgen aktuell gleichermaßen für Schreckensmeldungen in den Medien. Die Klimaveränderungen mögen daran nicht unschuldig sein, weil sie die Widerstandskraft der Bäume senken. Inzwischen scheint es in Vergessenheit zu geraten, dass im 20.Jahrhundert eine Gattung bereits fast völlig verschwunden ist. Die Holländische Ulmenkrankheit reduzierte die Ulmen-Bestände in West- und Mitteleuropa so dramatisch, dass die davon befallenen Arten Feld-, Flatter- und Bergulme in einigen Ländern als bedroht eingestuft werden.
Im 20. Jahrhundert starben die Ulmen, jetzt die Eschen?
Jetzt scheinen die Eschen ähnlich schwer in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Auch im Stadtbezirk Mengede ist kaum noch ein Exemplar von Fraxinus excelsior zu sichten, das nicht wenigstens leichte Symptome der Pilzinfektion zeigt: abgestorbene, kahle Triebspitzen und zu kugeligen Büschen zusammen gedrängte Belaubung. Leider gäbe es kein Mittel, der Erkrankung Einhalt zu gebieten, betont der gärtnerische Leiter des Dortmunder Hauptfriedhofes, Gerd Hettwer. „Bedauerlicherweise kann ein Rückschnitt der befallenen Äste nicht die Lebensdauer der infizierten Bäume verlängern,“ so der Gehölz-Experte. Er ist Mitglied einer in der Dortmunder Fachverwaltung neu gegründeten Arbeitsgruppe, die sich Gedanken über die Zukunftsbäume an Straßen, in Alleen, Parks und Grünanlagen der Westfalenmetropole machen will.
Die Stadt und auch ihr heißes Herz, die City, soll (und muss) grün bleiben. Schon heute wird es in Innenstädten um bis zu 9 Grad wärmer als im Außenbereich. Bepflanzung hilft, die Temperaturen zu senken und ist das beste Mittel gegen dicke Luft. Bereits seit langem werden Straßenbäume in Deutschland auf ihre Eignung getestet. Die Gartenamtsleiter-Konferenz (GALK) startete ihre erste Testreihe bereits 1994; die zweite, noch nicht abgeschlossen, begann 2005. Aus Nordrhein-Westfalen sind Köln und Münster mit von der Partie. Die im Internet einsehbaren Straßenbaumlisten enthalten insgesamt 171 Wildarten und Kultursorten, von denen 21 als nicht geeignet, die meisten als geeignet bzw. mit Einschränkungen geeignet und sieben als gut geeignet eingestuft werden.
Urzeitbaum überlebt sogar im heißen Herz der Großstadt
Unter den besonders empfohlenen Spezies wird auch der asiatische Ginkgo genannt, der urzeitliche Fächerblattbaum, einziger Überlebender einer längst ausgestorbenen Familie. Immerhin knabberten bereits die Dinos an derartigen Bäumen, die trotz ihrer sommergrünen Blätter weder zu den Laub- noch zu den Nadelbäumen gehören. „Die Ergebnisse der GALK-Listen berücksichtigen wir natürlich bei unseren Überlegungen,“ versichert Hettwer. Noch interessanter sei aber vermutlich ein erst 2009 von der Bayerischen Landesakademie für Wein- und Gartenbau (LWG) Veitshöchheim begonnenes Projekt, „Stadtgrün 2021“. Das untersucht die Klimafestigkeit von 20 Arten aus Südeuropa, Asien und Amerika – und zwar an drei Standorten, dem Weinbauklima in Würzburg, dem „bayerischen Sibirien“ Hof und dem regenreichen Voralpenland in Kempen.
Hettwer: „Bäume, die in allen drei Klimazonen zurecht kommen, können wir auch für unsere Stadt ins Auge fassen.“ Allerdings gäbe es einen Faktor, der die Situation verschärfe: „Die Belastungen einer Großstadt kommen hinzu, wie Staub, begrenzter Wurzelraum, Hundekot und -urin sowie Anfahrschäden.“ Das seien zumindest die Risiken für die Gehölze an Straßen und auf Plätzen. In Parks und Grünflächen sei die Situation in dieser Hinsicht einfacher. Alles in allem sei es jedoch deprimierend, dass „heute gepflanzte Bäume möglicherweise nur noch eine Lebenserwartung von 30 Jahren haben.“
Die Ansiedlung von Pflanzen aus anderen Erdteilen wurde (und wird) nicht zu Unrecht von Naturschützern kritisch gesehen. Zu groß wäre die Gefahr, dass die Immigranten zu alles andere verdrängenden Neophyten mutieren. Für den Außenbereich gilt sicher noch heute, dass heimischen Arten der Vorzug zu geben ist. Im urbanen Raum müssen offensichtlich neue Wege beschritten werden. Ein Fehler wäre es, auf einige wenige Problemlöser zu setzen. Dies würde nur das Auftreten von spezialisierten Schadinsekten und anderen Erregern begünstigen. Das betonen die Veitshöchheimer Experten Klaus Körber, Dr.Susanne Böll und Dr. Philipp Schönfeld.
Vertikale Systeme im Test: noch gibt es Kinderkrankheiten
Um Grün in die Stadt zu bringen, werden neuerdings anspruchsvolle technische Lösungen vorgeschlagen, wie die „vertikale Begrünung“. Damit sind nicht die bekannten Kletterpflanzen, sondern normalerweise horizontal wachsende Stauden gemeint, die mittels aufwändiger Plattensysteme an Gebäudewänden wachsen können. Die Pflanzendecke isoliert das Gebäude zusätzlich und verbessert auch die Luft. Ist die nicht ganz billige vertikale Neuheit darum eine ökologisch sinnvolle oder wirtschaftliche Lösung? Auf jeden Fall sind künstliche Bewässerung und Düngung vorzusehen. Auch in Dortmund soll demnächst ein solches Gebäude entstehen.
Die LWG Veitshöchheim hat vier Begrünungssysteme über zwei Jahre in Nürnberg getestet. In der Juni-Ausgabe der Fachzeitschrift „Garten-Praxis“ veröffentlichte LWG-Abteilungsleiter Jürgen Eppel jetzt die Ergebnisse. Leider sei der Aufwand in den ersten zwei Standjahren sehr hoch. Sowohl die gärtnerische Pflege als auch die technische Wartung seien aufwändiger als veranschlagt gewesen. Im Winter seien viele Pflanzen ausgefallen, sodass mehr als gedacht nachgepflanzt werden müsse. Hinzu kamen technische Störungen und entsprechende Reparaturen.
Der optische Eindruck sei „passabel“ und der Kühlungseffekt liege bei durchschnittlich 3,8º C, auch die für Bewässerung und Düngung notwendigen Kosten für Strom und Wasser seien gering. Diese Vorzüge würden derzeit noch durch die oben erwähnten Probleme eingeschränkt. Der Autor hofft, dass es den Herstellern gelingt, die Kinderkrankheiten ihrer Systeme in nächster Zeit in den Griff zu bekommen.
Fotos: M. Zybon-Biermann