Klaus Neuhaus
DER SPIELZEUG-REFORMATOR und andere Gerechtigkeiten
Was ist Gerechtigkeit? Ein Frage, die schon seit der Antike kontrovers diskutiert wird. Platon und Aristoteles stellten die ersten systematischen Betrachtungen hierzu an, doch erst in der Neuzeit begannen die heute überwiegend gültigen Überlegungen, Vertragsbeziehungen zwischen Menschen zur Klärung der Frage nach der Gerechtigkeit heranzuziehen.
„Der Begriff der Gerechtigkeit bezeichnet einen idealen Zustand des sozialen Miteinanders, in dem es einen angemessenen, unparteilichen und einforderbaren Ausgleich der Interessen und der Verteilung von Gütern und Chancen zwischen den beteiligten Personen oder Gruppen gibt.“ (wikipedia)
Wenn jemand, wie der Mengeder Klaus Neuhaus, der sich bis jetzt erfolgreich als Sänger und Komponist von Kinderliedern des Themas „Gerechtigkeit“ angenommen und einen Namen gemacht hat, ein Buch über Gerechtigkeit schreibt, dann sollte man nicht erwarten, dass er sich hier mit grundsätzlichen Fragen wie beispielsweise der Chancengleichheit, der Bildungsgerechtigkeit oder der Generationengerechtigkeit in unserem Lande auseinandersetzt.
Klaus Neuhaus hängt seine Texte in diesem kleinen Band mit Kurzgeschichten aus dem Alltag um einige Stufen niedriger, was allerdings nicht bedeutet, dass er die soziale Funktion seiner Gedanken zur Gerechtigkeit nicht im Auge behält – vielleicht mehr, als es jede theoretische Debatte zur allenthalben anzutreffenden Ungerechtigkeit. Vermutlich weiß er, dass Debatten über die alltäglichen Beschwernisse auch darin besteht, Werturteile darüber zu ermöglichen, worauf jeder einzelne ein Recht hat oder meint, ein Recht zu haben.
Klaus Neuhaus hat sich – quasi als Vorbereitung – Anfang 2015 vorgenommen, über das Thema „Gerechtigkeit“ – wie er sagt – zu stolpern. Stolpern wollte er natürlich nicht über die Frage, ob es gerecht ist, dass in Deutschland die Reichen immer reicher werden, obwohl die SPD seit – gefühlten – Generationen in der Regierung sitzt. Stolpern wollte er auch nicht über die Frage, warum das Steueraufkommen der öffentlichen Haushalte in den letzten Jahren steigt, aber die Infrastruktur des Landes – Bildung, Verkehr, Wohnungsbau um nur einige Beispiele zu nennen – immer mehr verrottet.
Er wollte sich auf die Dinge des Alltags konzentrieren, die er aus den örtlichen Medien erfahren konnte oder die ihm bei Spaziergängen oder Reisen aufgefallen sind. So sind denn seine kleinen, lesenswerten Geschichten entstanden, die bewusst machen, dass unser Wohlbefinden vor allem auch von den alltäglichen Gegebenheiten und Zwängen abhängt.
Eine besondere Stärke entwickelt der Autor, wenn sein Geschichten von seiner engeren Heimat – dem Ruhrgebiet – erzählen, wie in „Erfurt fließt“ oder der „Erdbeerhof“. Diese persönliche Kenntnis gibt den Geschichten noch einen besonderen Erkenntniswert: „Ja, so ist es!“
Eher nach Satire der Marke „Die Anstalt“ lesen sich die Geschichten „Hochspannung“ oder „Salman allein am Strand“. Dann erinnert man sich aber an die alte Volksweisheit: „Die besten Geschichten schreibt das Leben selbst!“
Ähnlich ging es mir bei der Geschichte, die dem Buch seinen Namen verliehen hat: Der Spielzeugreformator. Solch eine Geschichte kann jemand schreiben, der sich zeitlebens an der Kirche gerieben, aber inzwischen zumindest einen Waffenstillstand geschlossen hat. Jeder, der in nächster Zeit erinnerungstrunken des halben Jahrtausends Reformation gedenkt, sollte sich zwischendurch die Zeit nehmen, zumindest diese Geschichte zu lesen.
Klaus Neuhaus: DER SPIELZEUG-REFORMATOR und andere Gerechtigkeiten, 60 Seiten. Unkorekt-Verlag, 2016.