„Anfangen“

Carolin Emckes Dankesrede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises 2016 des deutschen Buchhandels

Seit 1950 verleiht der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die img_1729Berufsorganisation der Verlage und Buchhandlungen in der Bundesrepublik Deutschland, den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Er ist mit einer Preissumme von 25.000 Euro verbunden, die von den Verlegern und Buchhändlern aufgebracht wird. Im Friedenspreis wird die Verpflichtung des Buchhandels, mit seiner Arbeit der Völkerverständigung zu dienen, eindrucksvoll sichtbar.
Niemals fand ein von einem Berufsstand entwickelter und praktizierter Gedanke solch weltweite Anerkennung.
Die Verleihung findet traditionsgemäß während der Frankfurter Buchmesse statt, die jeweils im Herbst (meist im Oktober) abgehalten wird. Überreicht wird der Friedenspreis im Rahmen einer Feierstunde in der Frankfurter Paulskirche, dem Tagungsort der Frankfurter Nationalversammlung (1848), die für die demokratische Entwicklung Deutschlands von historischer Bedeutung war.

„Wir dürfen uns nicht wehrlos und sprachlos machen lassen“, sagte die neue Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels, Carolin Emcke am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche, wo sie den Preis entgegennahm. Emcke rief zu Widerstand der Zivilgesellschaft gegen Hass und Gewalt auf. Allein sei dies nicht möglich, räumte sie ein. „Dazu braucht es alle in der Zivilgesellschaft. Demokratische Geschichte wird von allen gemacht.“img_1724

„Menschenrechte sind voraussetzungslos. Sie können und müssen nicht verdient werden. Es gibt keine Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit jemand als Mensch anerkannt und geschützt wird“, betonte Emcke. „Zuneigung oder Abneigung, Zustimmung oder Abscheu zu individuellen Lebensentwürfen, sozialen Praktiken oder religiösen Überzeugungen dürfen keine Rolle spielen“, verlangte sie. „Das ist der Kern einer liberalen, offenen, säkularen Gesellschaft.“

Den vollen Text ihrer Rede finden sie auf:
https://www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/1244997/

Begründung der Jury

„Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahr 2016 an

Carolin Emcke

und ehrt damit die Journalistin und Publizistin, die mit ihren Büchern, Artikeln und Reden einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Dialog und zum Frieden leistet.

Ihre Aufmerksamkeit gilt dabei besonders jenen Momenten, Situationen und Themen, in denen das Gespräch abzubrechen droht, ja nicht mehr möglich erscheint. Carolin Emcke setzt sich schwierigen Lebensbedingungen aus und beschreibt – vor allem in ihren Essays und ihren Berichten aus Kriegsgebieten – auf sehr persönliche und ungeschützte Weise, wie Gewalt, Hass und Sprachlosigkeit Menschen verändern können. Mit analytischer Empathie appelliert sie an das Vermögen aller Beteiligten, zu Verständi-gung und Austausch zurückzufinden.

Das Werk von Carolin Emcke wird somit Vorbild für gesellschaftliches Handeln in einer Zeit, in der politische, religiöse und kulturelle Konflikte den Dialog oft nicht mehr zulassen. Sie beweist, dass er möglich ist, und ihr Werk mahnt, dass wir uns dieser Aufgabe stellen müssen.“

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Jürgen Habermas – Preisträger 2001