Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung

Hohes Alter, aber nicht für alle: Wie sich die soziale Spaltung auf die Lebenserwartung auswirkt

„Noch nie konnten so viele Menschen so alt werden. Zwar gab es schon immer Einzelne, die ein sehr hohes Alter erreichten. Aber bis in die frühe Neuzeit starben viele schon im frühen Kindesalter an Infektionen oder Hunger. Das hielt den Durchschnitt auf niedrigem Niveau. Seit der Wende zum 20. Jahrhundert ist die Lebenserwartung im weltweiten Mittel von geschätzt etwa 30 Jahren auf rund 71 Jahre angestiegen. In Deutschland kann ein neugeborener Junge heute mit einer durchschnittlichen Lebenszeit von 78,2 Jahren rechnen, ein Mädchen sogar mit 83,1 Jahren.“

Zu diesem Ergebnis kommt das Berlin-Insitut für Bevölkerung und Entwicklung in seiner jetzt vorgelegten Studie: „Hohes Alter, aber nicht für alle.“

Afrika und Südostasien holen auf
In allen Regionen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) steigt die Lebenserwartung, in Afrika und Südostasien sogar stärker als in den mehrheitlich von Industrienationen dominierten Teilen der Welt – allerdings von niedrigem Niveau aus.

Große Unterschiede
Es gibt jedoch beträchtliche Abweichungen, die das Berlin-Institut in der neuen Studie zusammengetragen hat. So klafft einer kleinräumigen Auswertung aus dem Jahr 2012 zufolge zwischen der ehemaligen Schuhmachermetropole Pirmasens in Rheinland-Pfalz und dem wohlsituierten bayerischen Landkreis Starnberg eine Lücke von rund acht Jahren bei der männlichen Lebenserwartung. Besonders krass fällt die Kluft in den Vereinigten Staaten von Amerika aus: Zwischen dem Bezirk (County) mit der höchsten und jenem mit der niedrigsten Lebenserwartung liegen rund 20 Jahre. Zumindest in den USA deutet nichts darauf hin, dass sich die soziale Ungleichheit und damit auch die Unterschiede bei der Sterblichkeit in nächster Zukunft verringern. Das könnte den weiteren Anstieg der mittleren Lebenserwartung bremsen.

Sozialstatus und Bildung – zwei Faktoren für gesundheitliche Ungleichheit
Für gesundheitliche Ungleichheit und damit das Risiko, vorzeitig zu sterben, sind nach Ansicht der Verfasser der Studie  zwei Faktoren entscheidend: der Sozialstatus, definiert durch Erwerbs-, Familien- und Wohnsituation, und das Bildungsniveau. Menschen, die über einen Sekundarschul- oder höheren Abschluss verfügen, in guter beruflicher Position arbeiten und sich auf ein Netzwerk von Freunden und Angehörigen verlassen können, werden im Allgemeinen weniger krank und leben länger als solche mit geringer Bildung und niedrigem sozioökonomischem Status.

„Viele Studien belegen, dass zwei Faktoren entscheidend sind für gesundheitliche Ungleichheit und damit das Risiko, vorzeitig zu sterben: der Sozialstatus und das Bildungsniveau“, sagt Reiner Klingholz, der Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Je niedriger der sozioökonomische Status, desto höher die subjektiv erlebte Stressbelastung. Auf Dauer fördert dieser Lebensstress die Entstehung von körperlichen Erkrankungen, Depressionen und anderen psychischen Störungen. Hinzu kommt, dass Risikofaktoren für die Gesundheit wie Bewegungsmangel, Übergewicht und Rauchen in Gruppen mit niedrigem Sozialstatus überproportional häufig vorkommen. „Gesellschaft und Politik müssen aktiv werden, um diese Ungleichheiten zu verringern“, so das Fazit der Studie.

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