Alte Kameraden, durchnässt – Ein Kolumne von Peter Grohmann

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Alte Kameraden, durchnässt

Ein Kolumne von Peter Grohmann

(c) Martin Storz

 KONTEXT:Wochenzeitung vom 25. 10. 2017

Früher, als die Schmetterlinge noch flogen … nein, Sie sind zu jung, das können Sie nicht wissen! Da gab es noch echte Wiesenblumen und Bienen, Radfahrer ohne Helm und grüne Demonstranten vor Heckler&Koch und in Neckarwestheim und bei der Polizei wusste man noch, wo hinten und vorne ist.

Sorry, aber woher sollten Sie wissen, dass ein großer Teil der deutschen Justiz nazi-durchnässt war, dass Nazis überall in einflussreichen Positionen in Verwaltungen und Ministerien saßen, Gesetze machten, Bundespräsident waren, Bundeswehr und Geheimdienste nach 1945 aufbauten? Globke, Oberländer, Carstens, Speidel – ich fürchte, die Namen sagen Ihnen nicht viel.

Und so verstehe ich auch Ihre Aufregung, wenn uns dieser Tage eine starke AfD-Fraktion den Marsch bläst und das Ansehen des ganzen Reiches beschädigt und Ihnen das dann irgendwie peinlich ist. Gottlob haben wir aber jetzt mit Wolfgang Schäuble einen Bundestagspräsidenten der unbefleckten Empfängnis – der alte Schatzmeister und Schlawiner aus dem politischen Schwarzwald hatte in der guten alten Zeit eine 100 000-Mark-Spende des Waffenlobbyisten Schreiber schlicht in seiner Schreibtischschublade vergessen. Nun ist der gute Onkel für die Kontrolle der Parteifinanzen zuständig, da schließt sich der Kreis.

Angela Merkel macht vieles umsonst, und vielleicht winkt sie ja just in diesem Moment das kaum krebserregende Glyphosat noch schnell durch, bevor die Grünen am Kabinettstisch sitzen und gegen das Ackergift abkotzen. In Brüssel geht es heute um die Zukunft des Pflanzenschutzes, nicht um den der Krebskranken. Trau nie einer Statistik, es sind viel mehr! Schon um die Ecke.

Geld regiert die Welt – über diesen alten Hut können uns selbst die etwas Jüngeren, unsere Versorger von morgen, einiges erzählen. Nehmen Sie unsere Nachbarn, die Tschechen. Die rücken nach rechts, haben eine spanische Angst vor den Dirigenten der Finanzmärkte und koppeln sich wie andere Nachbarn auch nach und nach aus der europäischen Gemeinde aus. Es ist fast überall das Gleiche: Das Rennen um die meisten Sitze macht in der Demokratie meistens der mit der meisten Knete. Armut ist keine Schande, sagen uns die noch reicheren Freunde dann. Aber Schmetterlinge können sie sich auch nicht kaufen.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter.
Die KONTEXT:Wochenzeitung ist eine Internet-Zeitung aus Stuttgart, die seit 6 Jahren wöchentlich mittwochs ins Netz gestellt wird. Zusätzlich liegt sie als Printausgabe der Wochenendausgabe der taz bei. Wir danken der Redaktion und Peter Grohmann für die Zustimmung zum Abdruck der Kolumne.
Näheres unter:
https://www.kontextwochenzeitung.de/kolumne/343/alte-kameraden-durchnaesst-4681.html

 

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