Wilfried Schmickler zu den „Sondierungsverhandlungen“

 „Das Verstand“

Von Wilfried Schmickler *

Was sagte der Chef der CSU-Landesgruppe, Alexander Dobrindt, kurz bevor er und seine bajuwarischen Christsozialen in der vorigen Woche geschlossen ins Kloster gingen?
Ich zitiere wörtlich: „Wir wollen die große Koalition, aber wir wollen sie nur mit einer SPD, die die Modernisierung unseres Landes, die Sicherheit und die Wachstum auch buchstabieren kann“

Also, das müsste doch zu machen sein. Die SPD hat über 443 Tausend Mitglieder, da wird ja wohl jemand dabei sein, der die Modernisierung, die Sicherheit und die Wachstum buchstabieren kann. Und wenn nicht, reicht ein kurzer Blick in die Duden und schon ist die erste Hürde auf dem Weg zu eine große Koalition beseitigt.

Und wenn dann die SPD noch die Finger lässt von der – Zitat Dobrindt – „alten sozialistischen Klamottenkiste“, dann dürfte einer Wiederauflage der Großen Koalition nichts mehr im Wege stehen.
Und welche Altkleider sollten die Sozialdemokraten schon aus der sozialistischen Klamottenkiste kramen? Die Prinz-Heinrich-Mütze von Helmut Schmidt? Die Badehose von Rudolf Scharping? Die Brioni-Anzüge von Gerhard Schröder? Oder am Ende doch noch den roten Schal von Franz Müntefering? Nein, mit den ollen Plünnen ist wirklich kein Staat mehr zu machen.

Wissen Sie, manchmal frage ich mich, ob der Schuss vor den Bug, den die CSU bei der Bundestagswahl abgekriegt hat, bei ihren führenden Mitgliedern nicht zu schwerwiegenden Folgeschäden geführt hat.
In München wählen sie ihren missratendsten Sohn, den Markus, zum neuen Landesvater, sein Vorgänger Horst taumelt apathisch über die Abstellgleise im politischen Niemandsland, und in Berlin riskiert die Heißluft-Nummer Dobrindt die ganz dicke Lippe.
Der sieht sich ja schon als Führer einer konservativen Revolution, die ausgehend von den weiß-blauen Bergen ganz Deutschland befreit von den selbsternannten Volkserziehern einer linken Meinungs-Diktatur, die seit Jahrzehnten die politische Diskussion in diesem geknechteten Land dominiert. In einem Land, in dem die CSU seit über 12 Jahren gefesselt und geknebelt in der Regierung sitzt und nicht verhindern kann, dass Deutschland im links-alternativen Chaos versinkt.

Aber damit ist jetzt Schluss. Denn hier kommt Alexander der Große, der Che Guevara der Reihenhäuser, der die unterdrückte bürgerliche Mehrheit in eine strahlende Zukunft führt.
Also, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört hätte, ich würde es nicht glauben. Wie groß muss die Angst der CSU vor dem Abschneiden der AFD bei den bayerischen Landtagswahlen im Sommer sein, dass ein Windbeutel plötzlich versucht einen Volkssturm zu entfachen. Heute fegt er durch Bayern und morgen durchs ganze Land.

Für die Modernisierung, für die Sicherheit, für die Wachstum! Und was bleibt auf der Strecke? Genau: Das Verstand!

*Der vorstehende Text ist erstmals am 8.1.2018 auf WDR 2 gesendet worden. Der Abdruck des Textes auf MENGEDE:InTakt: erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors. Wir haben bereits am 18.11.2015 von Wilfried Schmickler das Gedicht „Die Gier“ abgedruckt.
Wilfried Schmickler (* 1954 ) ist ein deutscher Kabarettist.
Er wuchs in Hitdorf am Rhein auf und lebt seit den 1990er Jahren in der Kölner Südstadt.
Seit Beginn der 90er Jahre tritt Schmickler  als Solokünstler auf und wurde 2007 mit dem Deutschen Kabarettpreis und im Rahmen des Prix Pantheon mit dem Sonderpreis „Reif & Bekloppt“ ausgezeichnet. 2009 erhielt er den renommierten Deutschen Kleinkunstpreis in der Kategorie Kabarett.
Schmickler ist seit 1992 ständiger Mitwirkender der WDR-Kabarettsendung „Mitternachtsspitzen.“ Für WDR 2 und für den „Schrägstrich“ im WDR 5-Morgenecho ist Schmickler außerdem als Autor satirischer Radiobeiträge tätig. (nach Wikipedia)

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