In Lünen geht ein Stück Ruhrgebiets-Theatergeschichte zu Ende

Der letzte Vorhang für die legendäre Liebesperlen-Revue im Heinz-Hilpert-Theater

„Wir haben viel gelacht auf der Beerdigung“. An diesen lockeren Spruch fühlte man sich erinnert, wenn man in der vergangen Woche die Stimmung im rappelvollen Lüner Heinz-Hilpert-Theater miterlebt hat. Da war auf der einen Seite die Wehmut, dass mit den letzten beiden Vorstellungen der „Liebesperlen“ ein Stück Ruhrgebiets-Theatergeschichte zu Ende ging.

Da war auf der anderen Seite aber auch die Freude darüber, diese grandiose Schau mit den schmissigen Melodien und den augenzwinkernden, sich selbst nicht ernst nehmenden Dialogen noch einmal erleben zu dürfen, die das Publikum wieder zu wahren Begeisterungsstürmen hinriss.

Musikalische Weltreise mit Daniel Printz, Tina Podstawa undThomas Zimmer vom Liebesperlen Ensemble. (von li)

Zwischen der Vorstellung am Samstagabend und der endgültig letzten am Sonntag gab es eine persönliche gehaltene Abschiedsfeier im Rahmen des Theatertreffs im Foyer des Hansesaals. Dabei erinnerte die damalige Vorsitzende des Theaterfördervereins Barbara Höpping daran, wie sie nach dem überraschenden Aus nach 21 erfolgreichen Jahren in Dortmund den Kontakt zu dem musikalischen Leiter Heinrich Huber und dem Ensemble aufnahm und sie nach Lünen einlud: „Als sie unser Theater mit dem Charme der 50-er Jahre sahen, war das Liebe auf den ersten Blick. Später haben sich auch persönliche Freundschaften entwickelt.“ „Dann hatten wir vier Jahre erfolgreiche Jahre mit nahezu immer ausverkauften Vorstellungen“, erinnerte sich Kulturbüroleiter Uwe Wortmann, „und der finanzielle Erfolg war so positiv, dass der Kämmerer uns eine moderne Tonanlage für das Theater bewilligte, die wir noch heute nutzen.“

Im Orient gibt’s ein Lokal… Samira Hempel, Tina Podstawa und Dominik Freiberger.

„Kapellmeister“ Tankred Schleinschock, der mit dem Ensemble des westfälischen Landestheaters Castrop-Rauxel 2016 das Erbe von Huber antrat, meinte: „Wir hätten gerne noch 20 Jahre weitergespielt und sind sehr, sehr traurig. Aber wir sind ein Tourneetheater, manche Bühnen buchen uns im Gegensatz zu Lünen nur einmal, und da müssen wir immer wieder etwas Neues bringen.“ Ihre besondere Trauer drückten auch Dominik Freiberger und Tina Podstawa aus, die schon in den Dortmunder Inszenierungen mitgewirkt hatten und für diese Produktion Gäste des Westfälischen Landestheaters waren. Mindestens die Stimme von Dominik Freiberger werden seine Fans auch in Zukunft noch hören können, denn er wurde inzwischen als Ansager von WDR 4 verpflichtet.

Und dann nahm die „Raupe Rückwärts“ der Cranger Kirmes mit ihrer Chefin „Spange von Crange“ zum letzten Mal ihre rasante Fahrt zurück zu den Schlagern der 50-er bis 70-Jahre auf. Den Start bildeten die Ohrwürmer der Rock’n’Roll Ära von „Rock around the Clock“ von Bill Haley bis „Tutti Frutti“ von Elvis Presley.

Raupe rückwärts in die Schlagersteinzeit: Tina Podstawa, Daniel Printz und Dominik Freiberger (von links)

Danach gab es eine musikalische Reise um die Welt, wobei die Melodien ineinander übergingen und geschickt miteinander verwoben waren. Ohne Zeitverzögerung ging es vom Place Pigalle zur Akropolis, zwischendurch wurden Tulpen in Amsterdam gepflückt, wurde mit Wodka gegen die kalte Moskauer Nacht angetrunken, mit dem Fazit: „Zieht euch warm an.“

„Heute Abend ist Laternenfest“. Samira Hempel undStefanie Kirsten am Fudschijama zur Kirschenblütenzeit. (von links)

Sogar der Ferne Osten mit dem Fudschijama wurde nicht ausgespart. Im Wilden Westen wieherten nicht nur die (Stecken)pferde, da durfte der „Alte Häuptling der Indianer“ sein Kriegsbeil begraben und als Kondukteur bei der Western -Bahn anfangen. Zwischendurch wurde immer noch „Der Cowboy als Mann“ gesucht und die Lady aus Arkansas ballerte und trällerte munter drauflos. Besonders stark war als einzig voll ausgespielter instrumentaler Titel der Mitternachtsblues von Franz Grothe, bei dem der Lüner Posaunist Guido Wellers ein hinreißendes Trompeten-Solo bot.

Wie in den 50-er und 60-er Jahre üblich, wurde voll auf der maritimen Welle geschwommen und die Häfen Bombay und Rio angelaufen.

„St. Pepper’s lonely Heartclub Band“, nachempfunden vom Liebesperlen Ensemble.

Die Ruhrgebietsmutter im Kittel schrieb einen Brief an ihren Sohn, und bat ihn, nach den Ermahnungen, sich an Bord immer warm anzuziehen: „Junge, komm bald wieder.“ Doch der trauerte immer noch seiner „Juanita aus der großen fernen Welt nach“. Mit „St. Pepper“ und „Satisfaction“ gab es eine Hommage an die Beatles und Stones, die „Bridge over troubled Water“ bildete die Brücke zur Flower-Power-Zeit. Da durfte auch „A little help from my friend“ von Joe Cocker nicht fehlen.

Tina Podstawa und Dominik Freiberger waren schon in den Dortmunder Aufführungen dabei.

Das finale „Tank you for the Music“, sprach den Zuschauern aus dem Herzen, denn die waren inzwischen von ihren Plätzen aufgestanden und belohnten die Akteure mit einem begeisterten Schlussapplaus, bevor diese als Dank des Kulturbüros eine Rose überreicht bekamen.

Bleibt zu hoffen, dass die „Beerdigung“ der Liebesperlen eine Seebestattung war, und vielleicht irgendwann ein Perlentaucher wie Tankred Schleinschock die Arrangements von Heinrich Huber und die Dialoge von Jürgen Uter wieder an die Oberfläche holt und uns die Liebesperlen im neuen Glanz präsentieren wird. Denn, wie heißt es so schön in einem Lied aus der besungenen Schlagersteinzeit: „Jeder Abschied kann ein neuer Anfang sein.“

„Thank you for the Music“:Das Liebesperlen Ensemble: Thomas Zimmer, Samira Hempel, Dominik Freiberger, Stefanie Kirsten, Daniel Printz und Tina Podstawa. (von li)

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