Putin to go
Eine Kolumne von Peter Grohmann
KONTEXT:Wochenzeitung vom 16. 5. 2018
„Wandel durch Annäherung“, hat Willy Brandt gern seiner Ruth zugerufen, als noch alles gut war. Genau deshalb will Finanzminister Scholz ja auch bei Apple, Starbucks oder Amazon nicht so hart durchgreifen wie beim G20-Gipfel in Hamburg, wo man heute noch europaweit die Verbrecher sucht. Die Botschaft heißt: Auch ein Sozialdemokrat kann zu den internationalen Konzernen nett sein und ihnen signalisieren: Marx ist tot, Jesus lebt, und meine Omi Glimbzsch in Zittau auch. Angesichts dessen sind die 17 Milliarden Steuerverluste durch die internationalen Brigaden der Hütchenspieler zu verschmerzen – und wenn sich der Papst auf den Kopf stellt! OK, 17 Milliarden Euro jährlich, das ist eine Menge Holz. Das neue Steuergeld könnte so sinnvoll genutzt werden für alte Wahlversprechen: Fünf Milliarden wären nötig, um den Pflegenotstand anzugehen und zwölf Milliarden nehmen wir für den sozialen Wohnungsbau. Den Rest zahlen VW und Daimler.
Dass die Politik das Vertrauen der Bürger verspielt hat, sagt sogar Carolin Emcke, und die ist Friedenspreis-Trägerin. Sie moniert, dass sich die Bundesregierung von einer einzelnen Branche am Nasenring durch die Manege führen lässt. Die Autoindustrie kann es sich halt leisten, ökologische und politische Vorgaben zu ignorieren, erstens: weil die eh kein Mensch ernst nimmt, zweitens: Weil es die Industrie ist, die die Vorgaben macht, egal wo. Sie ist mächtiger.
Klar, wir haben momentan außer der Schwäbischen Alb nur diese eine Erde, und die fressen wir auf wie eine Torte. Aber das kann sich ändern. So oder so können wir uns trösten: Wenn sich’s nicht ändert, werden wir es nicht mehr erleben, und wenn doch, dann gibt es synthetische Lebensmittel und der Urwald kann wachsen, wo er will.