Mit dem Nabu und den Experten der Biologischen Station Kreis Unna/Dortmund
durch das Naturparadies vor unserer Haustür
„Herzlich Willkommen zu unserer Exkursion im Naturschutzgebiet Siesack. Es ist eines der wertvollsten Naturschutzgebiete im hiesigen Raum“. Mit diesen Worten begrüßte Rolf Ohde von der Biologischen Station Kreis Unna/Dortmund in der vergangenen Woche mehr als 30 Teilnehmer einer naturkundlichen Wanderung.
Die Biologische Station, die bis vor kurzem noch „Ökologiestation Bergkamen“ hieß, dokumentiert durch die Namensänderung, dass der Aufgabenbereich erweitert und die Stadt Dortmund mit ins Boot geholt werden konnte. „Rührig in diesem Zusammenhang ist u.a. der Dortmunder Oberbürgermeister Sierau, der für Dortmund als ‘grüne Kommune‘ 6% der Stadtfläche als ausgewiesenes Naturschutzgebiet erhalten und evtl. erweitern möchte“, erklärt Ohde. Zusammen mit dem Naturschutzbund Dortmund (Nabu) hatte er zu der Veranstaltung eingeladen, in der sich die Teilnehmer aus Mengede und Umgebung vor Ort von seiner in jeder Hinsicht zutreffenden Aussage vom außergewöhnlich wertvollen Naturschutzgebiet überzeugen konnten.
Da sich das Gebiet durch eine ausgesprochene Arten-Vielfalt auszeichnet, hat Ohde drei fachkundige Kollegen mitgebracht. Das sind sein Kollege Magnus Süllwold, der Biobauer Dirk Liedmann und der Vogelexperte Dr. Erich Kretzschmar, der frühere Vorsitzende des Nabu Dortmund. Während die meisten Exkursionsteilnehmer auf den ersten Metern noch ihren eigenen Gedanken nachgehen, hat Kretzschmar schon seine Ohren gespitzt: „Hier im Gebiet nisten viele Vogelarten, unter denen sich auch seltene und bedrohte Vogelarten befinden. Wegen des dichten Strauchbewuchses sind besonders viele Heckenvögel hier zu finden. Gerade hören wir eine Dorngrasmücke und auf der anderen Seite einen Neuntöter.“
Der Neuntöter bekam seinen Namen, weil ihm nachgesagt wird, dass er seine Beute, die er nicht verzehren kann, auf Dornen aufspießt und so Vorräte für schlechte Zeiten anlegt. Kretzschmar räumt allerdings ein, dass der größte Teil dieser Behauptung Legende sei, dass aber in Ausnahmefällen ein derartiges Verhalten auch schon mal vorkommt. Auch Goldammer, Rohrammer und Gelbspötter sind im Siesack zu Hause, genauso wie Singdrossel, Sumpfmeise und Mäusebussard. Und wie es beim Vorführeffekt so ist, hat nicht jede Vogelart Lust, an diesem Abend für die Exkursionsteilnehmer zu singen. Doch auch darauf ist Kretzschmar vorbereitet. Mit einem Artenbestimmungsbuch und einem QR-Code lässt er deren Gesang „aus der Retorte“, einem kugelschreiberähnlichen Instrument erschallen.
Beim nächsten Halt vermittelt Rolf Ohde einen Eindruck von der Amphibien- und Reptilienvielfalt. Mit einer Molchreuße, in der Biologischen Station in Eigenbau gefertigt, hat er u.a. Exemplare der europaweit geschützten Kammmolche eingefangen, die die Teilnehmer in kleinen Aquarien bewundern können. Und als „Beifang“ können noch Großlibellenlarven bestaunt werden. „Hier im Bereich gibt es etwa 30 größere oder kleinere Gewässer. Wir arbeiten z. Zt. an einen Biotopmanagementplan, der den Entscheidungsträgern des Naturschutzes Handlungsvorschläge macht. Ob sie sie schließlich realisieren, liegt natürlich in deren Ermessen. Für den Plan machen wir auch eine Bestandsaufnahme bei den Amphibien.“
Selbstverständlich werden alle eingefangenen Amphibien nach dieser Vorführung wieder in ihre Gewässer entlassen. Ein besonderer Erfolg war eine Aktion, die im Jahre 2006 begonnen hat. Es wurden im Siesack 300 Ringelnattern ausgesetzt und mit Mulden unter Bodenbrettern Rückzugsmöglichkeiten für sie geschaffen. Inzwischen sind die Schlangen hier heimisch geworden. „Jetzt beobachten wir mit Spannung, ob sie von sich aus auch den Weg zu den Hochwasserrückhaltebecken finden. Ich bin da sehr optimistisch.“
Ohdes Kollege Süllwold weist auf die augenblicklichen Bedrohungen des Gebietes hin, die Goldrute, den Riesenbärenklau und das in jüngster Zeit sich erschreckend schnell ausbreitende Nadelkraut, das ursprünglich aus Neuseeland kommt: „Es wuchert die Gewässer zu und verdrängt heimische Süßwasser-Lebewesen. Eine wirksame Bekämpfungsmöglichkeit haben wir bisher nicht gefunden.“ Eine erfreuliche Entwicklung sieht Süllwold in der Übereinkunft, die umliegenden Wälder in den nächsten 10 Jahren forstwirtschaftlich nicht zu nutzen. „Das ist ein erster Schritt. Dadurch kann sich mehr Biodiversität entwickeln, denn mit dem Zerfall beginnt die Totholzbesiedelung.“ Das kann er mit anschaulichen Statistiktafeln belegen.“ Mit der Aussage, „Ein toter Baum ist das blühende Leben“ unterstreicht Kretzschmar dieses Phänomen. Ansonsten äußert er sich eher kritisch zu diesem Abkommen: „Diese Ruhezeit ist viel zu kurz. Wenn nach zehn Jahren die Nutzung wieder losgeht, ist nicht viel gewonnen.“
Was passt in ein Naturschutzgebiet besser als durch biologische Landwirtschaft genutzte Flächen? Davon weiß Dirk Liedmann zu berichten, der hier nach dem Rückzug der Familie Mowwe nach Kurl mit einer 6-sechsjährige Fruchtfolge gute Erfahrungen gemacht hat. Begonnen wird stets mit Rotklee, der als natürlicher Stickstofffabrikant fungiert, das in den Boden geht. „Durch die Bio-Vergasung wird der Stickstoff auch transportabel und kann als pflanzliche Gülle auf anderen Flächen verteilt werden:“ Es folgen Weizen, Kartoffeln, Dinkel, Hafer (nicht immer in dieser Reihenfolge) und dann wieder Rotklee. „Dadurch kommen wir ohne Kunstdünger aus und erzielen trotzdem zufriedenstellende Ernteerfolge.“ Und der liebevoller Umgang mit dem Pflanzen, wie genügend Abstand und „Hacken und Striegeln“ gehören für ihn auch dazu. Trotz seiner Überzeugung für den biologischen Anbau hat Liedmann viel Verständnis für seine Kollegen, die den konventionellen Anbau mit Kunstdünger und chemischer Unkrautbekämpfung bevorzugen.
Nach gut zwei Stunden ist die Exkursion beendet. „Wir sind bewusst nur auf freigegebenen, zugegeben manchmal auch recht schmalen Pfaden gegangen und haben die Halde ausgelassen. Die ist ja für die Öffentlichkeit gesperrt, und wir wollten bei den Teilnehmern nicht die Lust wecken, diese später einmal illegal zu betreten. Unser Ziel ist, dass manch einer beim nächsten Spaziergang aufmerksamer durch dieses Naturparadies geht und für dessen Schutz eintritt.“
„Das war eine sehr informativ Veranstaltung, vor allen Dingen, weil die verschiedenen Experten uns aus ihrem Spezialwissen informiert haben“, urteilte eine Teilnehmerin aus Lünen.