Ein Menschenfreund – kritischer Geist – und Wagnerfan
Ende Mai 2018 ist Egon Riepe im Alter von 90 Jahren verstorben. Damit ging ein ereignisreiches Leben zu Ende, das geprägt war von viel Engagement für seinen Beruf und für den Stadtbezirk Mengede, in dem er beinahe 70 Jahre seines Lebens verbrachte.
Geboren und aufgewachsen ist Egon Riepe in Kleve am Niederrhein, dort ging er auch zur Schule. Kurz vor Ende des Krieges wurde er vom Volkssturm eingezogen, musste seine Schulausbildung unterbrechen – er stand kurz vor dem Abitur – und kam zur Flugabwehr. Nach dem Krieg machte er sein Abitur und lernte seine Frau Rosemarie kennen.
In dieser Zeit gehörte er in Kleve zu den „aufmüpfigen jungen Wilden.“ Rauchen, trinken und musizieren in provisorisch eingerichteten Jazzkellern, das war nach seinem Geschmack – weniger die Bereitschaft, sich den Vorstellungen der Kriegsgeneration anpassen zu müssen.
Zu Beginn der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts zog er ins Ruhrgebiet, um an der Päd. Akademie in Essen ein Pädagogik-Studium aufnehmen zu können. Nach Abschluss des Studiums kam er nach Dortmund, weil er hier eine Stelle als Lehrer an einer Volksschule antreten konnte. In seinen letzten Berufsjahren war er als Leiter der Schopenhauer Grundschule in Nette tätig.
Egon Riepe war für den Beruf des Lehrers wie geschaffen. Allerdings war nicht der von Wilhelm Busch beschriebene Lehrer Lämpel sein Vorbild – eher das Gegenteil war der Fall.
Seine Motivation war, den Kindern Hilfe und Unterstützung zu geben, wo immer es ging, häufig bis an die Grenze des Zulässigen. Dabei konnte er aus einem schier unerschöpflichen Fundus an Ideen schöpfen.
Dieser Ideenreichtum beschränkte sich natürlich nicht auf den Schulalltag. Seine Fantasie kam – was heute selten genug ist – auch seinem privaten Umfeld im Stadtbezirk Mengede zugute. Auch hier testete er häufig die Grenzen des bis dato Möglichen aus.
Ein typisches Beispiel hierfür ist die Entwicklung des Rollhockeysports in Mengede. Im Jahr 1971 begannen die Rollhockeyer, die zu jenem Zeitpunkt noch dem ERC Westfalen Dortmund angeschlossen waren, auf der Rollschuhbahn am Mengeder Markt zu trainieren und die Ligaspiele auszutragen. Seit dieser Zeit war Egon Riepe der spiritus rector für den glanzvollen Aufstieg der kleinen Truppe. Er sorgte dafür, dass die Mannschaft sich dem TV Mengede anschloss. Er brachte internationales Flair nach Mengede, indem internationale Rollhockey-Turniere auf der Rollschuhbahn ausgetragen wurden. In mühevollen Verhandlungen konnte die Stadt Dortmund für die Modernisierung der Rollschuhbahn und später für die Einrichtung von Umkleidekabinen an der Rückseite des Saalbaus gewonnen werden – alles wesentliche Voraussetzungen für die sportliche Entwicklung der Rollhockeyabteilung hin zu einer Spitzenmannschaft in der Rollhockey-Bundesliga.
Ebenso ungewöhnlich wie typisch für den Verstorbenen war die Idee, einen Lauf von Mengede zu Dortmunds französischer Partnerstadt Amiens zu starten. Es gab in Mengede einen Lauftreff, u.a.
mit ehemaligen Leichtathleten und Rollhockeyspielern. Die konnten sich für die Idee begeistern. Es wurde intensiv für das Ereignis trainiert, aber auch logistisch war der Lauf von Dortmund nach Amiens eine große Herausforderung. Natürlich gab es damals weder Handy noch Navi.
Nach der Rückkehr schwärmten LäuferInnen und Begleitpersonal von dem tollen Erlebnis, von der Freundlichkeit der Menschen in Amiens und vor allem von dem herzlichen Empfang und den mehrgängigen französischen Menüs, zu denen sie während es Aufenthalts in Amiens eingeladen wurden.
Es würde den Rahmen dieses Nachrufs sprengen, sollten all die Aktivitäten aufgezählt werden, die der Verstorbene mit auf den Weg gebracht hat. Die Gründungsphase des Heinrich-Heine Gymnasiums, Gründung und Betrieb eine VHS-Nebenstelle Mengede, Initiierung einer Unterstützungsaktion für die Eastern-Klinik in Sierra Leone mögen als Stichworte genügen. Jedes Ereignis böte für sich alleine hinreichend Stoff für eine ausführlich Erinnerung. Egon Riepe war hierbei häufig Stichwort- und Ideengeber. Er brachte sich aber auch aktiv in die Entwicklung der Vorhaben ein. Das gilt auch für die wirkungsvollen und erfolgreichen Protestaktionen gegen die Einrichtung einer Müllhalde in Groppenbruch oder die Ansiedlung einer Müllverbrennungsanlage auf dem damaligen „Knepper-Gelände“. Wir von MENGEDE:InTakt! könnten ihn heute gut gebrauchen!
Seine Liebe zur Musik hat ihn sein ganzes Leben begleitet. Selbst in den krankheitsbedingt mühevollen letzten Lebensjahren konnte er sich an der Musik erfreuen und neue Zuversicht aus ihr schöpfen. Die Komponisten der europäischen Romantik waren seine Favoriten. Eine besondere Leidenschaft verband ihn mit der Musik Richard Wagners. In der Dortmunder Oper wurde vor Jahren der der vollständige „Ring der Nibelungen“ von seinem Lieblingskomponisten aufgeführt. Der Chronist dieser Zeilen ließ sich überzeugen und erlebte mit dem Verstorbenen alle Abende des vierteiligen Opernzyklus – Rheingold, Walküre, Siegfried, Götterdämmerung. Das war ein hartes Stück Arbeit – erträglich u.a. durch die Gewissheit, einem alten Kumpel eine besondere Freude zu bereiten.
Diese Erfahrung lässt vermuten, dass der direkte Weg ins Himmelreich für die meisten nur über den steinigen Weg der Hölle führt. Der wäre dann schon erträglich, wenn wir ihn gemeinsam zur Musik von Richard Wagner, z. B. dem Trauermarsch aus der „Götterdämmerung“ beschreiten würden.