Kritik an Änderung der Betreuung und Schlachtung
Den Heckrindern im Naturschutzgebiet Im Siesack geht es im Vergleich zu den meisten ihrer Verwandten in diesem Land richtig gut. Statt in einen Stall eingesperrt zu sein und mit den Hufen auf Spaltfußboden zu scharren, laufen sie das ganze Jahr über frei auf bunten Wiesen herum. Glückliche Kühe fühlen sich wohl – und das schlägt sich in ihrer Vermehrungsrate nieder. Die Herde war fast doppelt so groß wie zulässig geworden und musste reduziert werden. Das ist früher auch geschehen, aber weit weniger auffällig als in diesem Jahr. Bürger protestierten gegen „öffentliche Massenschlachtung“. Was war geschehen? Das erläuterte eine Mitarbeiterin des Umweltamtes jetzt der Bezirksvertretung in einem mündlichen Bericht.
Claudia Vennefrohne, die erst seit kurzem ihren Job bei der Dortmunder Behörde angetreten hat und sich selbst als Vegetarierin outete, gestand ein, dass der Anblick einer Schlachtung für unvorbereitete Zuschauer schockierend sein könne. Bisher wurden die Tiere einzeln durch einen Schuss auf freiem Feld getötet. Das merkte kein Spaziergänger; oft bekam nicht einmal die Herde etwas davon mit. Durch ihre Lebensweise hatten sie wenig Zutrauen zur Fanganlage. Weder die Kälber noch die erwachsenen Tiere seien daher regelmäßig mit den vorgeschriebenen Ohrmarken versehen worden.
Das sei ein Verstoß gegen das Tierseuchengesetz. Das Veterinäramt habe diesen Aspekt, aber auch die Qualität des frei lagernden Futters kritisiert. Es sei oft feucht und schimmlig, da die Heuhaufen nicht überdacht waren. Die neue Fanganlage werde inzwischen als überdachte Futteranlage angenommen. Die Herde sei zutraulicher geworden. Daher sei auch eine tierärztliche Betreuung möglich. Aber die Sollstärke sei noch nicht erreicht. Es werde weitere „Entnahmen“ in diesem Jahr geben, erklärte die Berichterstatterin.
Alternativ-Lösung: Auswandern und weiterleben
Maximal 20 Tiere sind für die Fläche des Naturschutzgebietes vorgesehen. Die Herde war zuletzt auf 38 Tiere angewachsen. Dies sei, so die Abgesandte des Umweltamtes – abgesehen von den anderen Kritikpunkten – das Hauptproblem. Jetzt seien erst einmal elf Tiere getötet worden. Sieben weitere sollen im Herbst folgen. Die Vorwürfe einiger Zeugen, die Rinder seien betäubt und auf brutale Weise geschlachtet worden, wies Vennefrohne zurück. Die Tötung sei vor Ort mit einem Bolzenschussgerät erfolgt. Der Schuss auf freiem Feld – eine jagdliche Methode – sei sicher oben auf der Haldenfläche möglich. Die Fanganlage wurde allerdings weiter unten auf festem Boden platziert und war dort auch von Unbeteiligten einsehbar. Eine Schlachtung auf matschigem Untergrund sei nicht möglich, so die Mitarbeiterin des Umweltamtes.
Die bekennende Vegetarierin hatte noch eine zweite Idee zum Problem „Reduzierung der Herdengröße“ im Gepäck, die ihr selbst (und vermutlich auch anderen) als Lösung sympathisch schien: Die überzähligen Tiere könnten lebend weiter gereicht werden – in andere Zuchtprogramme und Naturschutzprojekte. Allerdings dürfe man nicht vergessen, dass die Heckrinder in einer Großstadt wie Dortmund schon etwas Besonderes seien. Das sei nur realisierbar, wenn man großflächige Außenbereiche wie in Mengede zur Verfügung habe. Bemerkenswert sei allerdings der Effekt der Herde auf das Naturschutzgebiet. Die imposanten Tiere, Rückzüchtungen des ausgestorbenen Auerochsen, sorgten dafür, dass hier mehr Ruhe und Ordnung herrschen als an vergleichbaren Orten.
Bricht eine Kuh aus, kommt jetzt die Polizei
Die Bezirksvertreter äußerten vor allem Kritik an der neuen Regelung, dass der Landwirt, der neuerdings die Betreuung und Schlachtung übernimmt, auch für die Vermarktung des Fleisches zuständig ist. Bei den hohen Preisen, die für hochwertiges Bio-Fleisch dieser Art erzielt werden könne, sei das möglicherweise ein gutes Geschäft, vermuteten einige. Auch der Betreuerwechsel sei nach 19 Jahren überraschend und auf wenig schöne Weise erfolgt. Bisher seien immer Mengeder Landwirte zuständig gewesen, jetzt habe man sich für einen Waltroper entschieden.
Diese Wahl hat im „Ernstfall“ – nämlich dann, wenn eins der Tiere ausbricht – praktische Konsequenzen. Bisher konnte man den Betreuer vor Ort ansprechen. Da gebe es jetzt eine neue Regelung, betonte Vennefrohne. Wer ein frei herumspazierendes Heckrind entdecke, solle die Polizei anrufen. Die Infotafel am Gehege müsse deswegen ersetzt werden. Neben der Kritik am Tötungsverfahren und der Sorge um eine Kommerzialisierung des Projektes nahm die Berichterstatterin noch einen positiven Kommentar wegen der nun hygienischen und gesetzeskonformen Lösung sowie eine Frage mit ins Umweltamt: „Werden wir in Zukunft noch etwas über das Projekt erfahren und wird es weiterhin Führungen geben?“