Der Eritreer von Frankfurt – Eine Kolumne von Peter Grohmann

Der Eritreer von Frankfurt

Eine Kolumne von Peter Grohmann

KONTEXT:Wochenzeitung vom 07.08.2019

Der Eritreer als solcher bringt eben, bei aller Nachsicht, auch die ganze Last seiner Geschichte mit, ja eines ganzen Kontinents! Natürlich darf man nicht verallgemeinern, aber es sind eben andere kulturelle Prägungen. Da ist die Religion, die Erziehung, uralte Riten, Sitten und Gebräuche, die mit hineinspielen, die Familie, der Stamm, auch die Natur, die dort unten ja viel prägender ist.

Viele Menschen, die von dort zu uns stoßen, willkommen oder nicht, sind psychisch und physisch nicht stabil, sie sind schlicht überfordert. Wie sollen sie sich in einer Zivilisation wie unserer zurechtfinden?

Schauen Sie, in den Ostgebieten gab es im Weltkrieg Zwo einen regelrechten „Erschießungstourismus“: Die SS hatte „eingeladen zum Judenschießen“, erzählte uns Oberstleutnant von Müller-Rienzburg von der Luftwaffe. Die ganze Truppe war mit ihren Gewehren dabei. In Warschau, ein ganz anderes Beispiel, stürmten die Deutschen ein Kinder-Krankenhaus, in dem sich Partisanen aufgehalten hatten. Als die erledigt waren, sicherten im Hof deutsche Soldaten das weitere Geschehen. Teil der Truppe durchkämmten die Räume mit dem MG, andere warfen die Babys aus dem Fenster – „es war wie Tontaubenschießen“, so ein Wehrmachtsoffizier.

Nehmen Sie Vietnam – der Amerikaner musste letztlich auch durchgreifen, wenn er nicht in einen Hinterhalt geraten wollte. Und für Hinterhalte ist der Vietnamese bekannt. Die US-Army setzte entweder den Dschungel in Brand (Napalm – da bleibt kein Auge trocken!) oder setzte Stoßtrupps in den betroffenen Dörfern ab, die vorher bombardiert worden waren. Die Ranger streiften in Sechsergruppen durch die Dörfer, immer den Flammenwerfer im Anschlag, und hielten dann rein in die Bunker. Oft waren es gar keine Bunker, sondern Erdlöcher oder Hütten, in denen sich Alte, Frauen und Kinder verkrochen hatten. Auch diese Menschen waren, als alles vorüber war, traumatisiert, zum Teil sehr schwer.

Es ist übrigens nicht vollständig geklärt, ob damals, als es galt, die deutschen Tabakhändler und Handwerker – und ihre Familien samt den Kindern! – zu schützen, deutsches Kulturgut im weitesten Sinne, also damals, beim Terror der Hereros und Namas gegen unsere Leute (der alte Lüderitz!), na ja, es waren angeblich 95 000. Die Überlebenden trieben die deutschen Truppen in die Wüste. Ein Soldat schrieb nach Hause: „Die Herero müssen alle dran glauben. Gefangene werden nicht gemacht, es wird alles niedergemacht.“ Ich sag‘ mal so: Es spielt eben überall der kulturelle Hintergrund mit rein, Religion, Erziehung und so. Leicht ist das alles niemandem gefallen, auf keiner Seite.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter
Die KONTEXT:Wochenzeitung ist eine Internet-Zeitung aus Stuttgart, die seit mehr als 7 Jahren wöchentlich mittwochs ins Netz gestellt wird. Zusätzlich liegt sie als Printausgabe der Wochenendausgabe der taz bei. Wir danken der Redaktion und Peter Grohmann für die Zustimmung zum Abdruck der Kolumne. Näheres unter https://www.kontextwochenzeitung.de/kolumne/436/der-eritreer-von-frankfurt-6111.html

 

 

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