Wie gehen Selbständige im Stadtbezirk Mengede mit dem Coronavirus um
Foto: Dr. Ingo Herminghaus
Für Selbständige – Handwerksbetriebe, freischaffende KünstlerInnen, Hoteliers und Gaststätten, Ärzte und Pflegeeinrichtungen und weitere Dienstleister- nur um einige zu nennen, brechen schwere Zeiten an. Nach der ersten Schockstarre gibt es einzelne zaghafte Versuche, im Rahmen der bestehenden Beschränkungen den Betrieb in Gang zu halten. MENGEDE:InTakt! hat sich im Stadtbezirk umgesehen und gefragt, mit welchen Strategien die Verantwortlichen entwickeln bzw. entwickelt haben, um die wirtschaftlichen Folgen abzumildern
Wir starten mit dem „Wiesengrund“, eine Kneipe in Westerfilde, die dank der Bürgerinitiative “Der Wiesengrund muss bleiben“ im letzten Jahr wieder an eine Zukunft glauben konnte.Der Coronavirus bedeutet für Gaststätten und Hotelbetriebe und somit auch für den Wirt des „Wiesengrundes“ ein ziemliches Desaster.
Der „Freundeskreis Wiesengrund“ hätte den Namen nicht verdient, wenn ihm nicht eingefallen wäre, wie in dieser Lage zu helfen sei. So gibt es bereits erste Überlegungen, wie z. B. die Bewerbung für eine Unterstützung bei der BVB Kampagne für die Kneipen nebenan
Man kann aber auch einen kleinen oder auch größeren Betrag zur Unterstützung spenden; hier für ist ein Konto eingerichtet worden.
Für alle Beträge ab 20, – Euro gibt es einen Geschenkgutschein mit den Motiv der Gaststätte ‚Im schönen Wiesengrund‘ (Aquarell von Horst Peters). Dieser Gutschein kann dann nach der Corona-Krise in der Gaststätte eingelöst werden!
Grillschinken-Verkauf am Sonntag, 29.3.2020 ab 13.00 Uhr
Eine weitere Möglichkeit, den Wirt zu unterstützen, gibt es am kommenden Wochenende. Da soll der Grill angeworfen werden, um den beliebten Grillschinken zu bruzzeln – zum Abholen natürlich. (Preis pro Portion incl. Krautsalat und Cocktailsauce 4,50 Euro)
Es sollte selbstverständlich sein, dass jede/r beim Abholen auf eine entsprechende Distanz untereinander achtet!
Mit dem
„Fensterverkauf“ haben sich Dortmunder Restaurants einen kreativen Weg ausgedacht, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzumildern. Das
Speiselokal im Mengeder Burghof bietet seit gestern den sog. Festverkauf an. Probeweise findet der Verkauf in der Zeit von
12.00 – 18.00 Uhr statt. Im Angebot gibt es Gerichte aus der Speisekarte und natürlich auch die polnischen Spezialitäten wie den Bigos. Am einfachsten ist es , wenn die Speisen telefonisch vorbestellt und dann zu einem vereinbarten Zeitpunkt abgeholt werden. (Tel.: 0231 22 65 643)
Erheblich komplizierter ist es für den Mengeder Zahnarzt Dr. Ingo Herminghaus. Hier seine Antwort:
Die Menschen haben zur Zeit schwer mit den Folgen der Corona-Krise zu kämpfen.
Es ist wichtig, dass wir Ärzte den Bürgern in diesen Zeiten zur Seite stehen, nicht nur mit unserem fachlichen Wissen und Können, sondern vor allem auch eine moralische Stütze und Hilfe sind.
Von daher kommt für mich eine frühzeitige Schließung der Praxis nicht in Frage und ich werde mich der von einigen gewünschten Schließung der Arztpraxen nicht anschließen.
Natürlich können wir während der Zeit nicht alle Dienstleistungen aus Schutzgründen nicht in vollem Umfang anbieten, aber die Grundversorgung ist gesichert.
Unser Hygieneprotokoll haben wir entsprechend angepasst, alle Patienten werden durch Mitarbeiter beim Betreten und Verlassen der Praxis einer Händedesinfektion unterzogen, bei allen Personen wird beim Betreten der Praxis eine Körpertemperaturkontrolle durchgeführt, das Wartezimmer ist auf einen Sicherheitsabstand von 1.5m angepasst worden. Zudem bieten wir Warten-im-Pkw an und rufen den Patienten auf seinem Mobiltelefon an, sobald das Sprechzimmer für ihn vorbereitet ist.
Meinen Mitarbeitern habe ich freigestellt, weiter zur Arbeit zu kommen; alle möchten weiter für unsere Patienten da sein, was ich sehr vorbildlich finde. In Krisenzeiten lernt man, dass wahre Heldinnen und Helden keine Fußballtrikots tragen, sondern Kittel.
Die Buchhandlung am Amtshaus ist an sich geschlossen. Inhaber Nau und seine Mitarbeiterinnen haben aus der Not eine Tugend gemacht und die Aktion gestartet: Wenn die Kunden nicht zu den Büchern kommen dürfen, dann kommen wir zu den Büchern.
Kunden müssen in diesen Tagen nicht in die Buchhandlung kommen, sondern können die Bücher telefonisch bestellen und können sich auch beim Kauf eines Buches telefonisch beraten lassen. Alle Bestellungen werden ausgeführt, entweder ist das Buch im Laden vorrätig oder es muß beim Großhandel bestellt werden. Die Bücher werden vom Team der Buchhandlung zu den Kunden gebracht. Die Bezahlung erfolgt unbar per Überweisung bzw. Online.
Das Team der Buchhandlung hatte nicht mir einer derartig überwältigenden Solidarität der KundInnen gerechnet, bedankt sich dafür und bittet um Verständnis, wenn es etwas dauert, bis jemand ans Telefon geht. Es ist in der Regel nur eine Leitung zur Bedienung der Kundenwünsche freigeschaltet, weil die übrigen Teammitglieder meist unterwegs zur Auslieferung der Bücher sind. (Tel.: 0231 33 99 66)
Für
Daniela Wildner – seit 15 Jahren Inhaberin des
Studio Glamour Line, neben der früheren Kneipe Vahle in der Mengeder Straße 675 – sieht die Lage derzeit noch ausgesprochen unübersichtlich aus. Sie sieht sich erst in den Anfängen der Krise und weiß nicht wirklich, wie es weiter gehen wird.
„Meine ersten Maßnahmen waren die Stundung der Umsatz- und Einkommensteuer sowie der betrieblichen Altersvorsorge.
Nun warte ich wie viele anderen verzweifelt auf das Notfallpaket vom Staat.
Mit der Vermietung habe ich gesprochen, dass ich für die nächsten Monate nur die Kaltmiete zahlen kann, da meine beiden Untermieterinnen auch die Zahlungen gestoppt haben.
Zu den geschäftlichen Sorgen kommen die privaten noch hinzu, diese Kosten irgendwie bewältigen zu können. Ich lebe allein und habe daher keinen finanziellen Rückhalt eines Partners.
Kredite kommen für mich nicht in Frage, dann würde ich mich eher dazu entschließen das Geschäft aufzugeben, wenn es in drei Monaten nicht besser aussieht.
Allerdings tut sich langsam etwas in NRW und ich bin etwas zuversichtlicher geworden, dass auch uns kleinen selbständigen Betrieben geholfen wird.
Bei Matthias Winkelmann – selbständiger Physiotherapeut in der Heimbrügge 3 – ist ein regelgerechter Praxisbetrieb zur Zeit nicht möglich.
Auf Grund von fehlendem Schutzmaterial wie Flächendesinfektionsmittel, Handdesinfektionsmittel, Masken und Hauben ist ein ausreichender Schutz für Patienten im Moment nicht gegeben. Die geltenden erweiterten Hygienemaßnahmen sind so nicht umsetzbar. Risikopatienten haben von sich aus ihre Therapien abgesagt. Neuverordnungen sind selten. Ich habe daher beschlossen, meine Osterferien vorzuziehen und die Praxis bis zum 06.04.2020 geschlossen. Danach werde ich die Situation neu bewerten.
Dipl. Geograph Heinz Aarsen – Inhaber der Kleinbetriebes „Raum-Mangement Aarsen in Groppenbruch – hat seine Aktivitäten auf ein Minimum reduziert und „arbeitet zur Zeit im eigenen Bestand“.
Ich habe alle meine Lieferanten sofort bezahlt und versuche einige Kollegen mit Aufträgen zu unterstützen. Ich denke, mit Ruhe und Umsicht werden wir diese Zeit überstehen und viele Leute werden hoffentlich erkennen, was wirklich wichtig ist.
Die
Kanzlei im Amtshaus hat vor allem Maßnahmen zum Schutz aller MitarbeiterInnen ergriffen.
Wir arbeiten derzeit in zwei vollständig getrennten Schichten. Falls eine Schicht vom Virus betroffen ist, kann die andere Schicht weiter arbeiten. In einem Raum sitzt nur eine Mitarbeiterin, direkte Kontakte sollen verringert werden. Mandanten werden sofort in verschiedene Besprechungs- und Wartebereiche geleitet, auch hier mit möglichst wenig Kontakten. Termine werden telefonisch vorbereitet. Bei Beurkundungen mit Risikopatienten lassen diese sich teilweise durch unsere MitarbeiterInnen vertreten. Die Mandanten müssen dieses Verfahren jeweils im Einzelfall nur noch genehmigen.
Der Umsatz wird in den nächsten drei Monaten spürbar zurückgehen. Allerdings haben wir genug Rücklagen. Danach werden die Umsätze hoffentlich wieder steigen. Das Notariat wird weiter angefragt werden, auch in dieser Krise. Notfalls, wenn es länger dauert, müssen die Nebenkosten auf ein Minimum reduziert werden.
Im übrigen zeigt sich schon jetzt ein erhöhter Beratungsbedarf zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Krise, insbesondere arbeitsrechtliche und vertragsrechtliche Angelegenheiten.
Zum Abschluss dieses kurzen und natürlich nicht repräsentativen Überblicks hat MENGEDE:InTakt! auch versucht, das Steuerberaterbüro Robert Klemme zu befragen. Robert Klemme ist am Sonntag mit seiner Familie von einem Spanien-Urlaub zurückgekehrt. Bei der Einreise wurde bei einer profilaktischen Kontrolle festgestellt, dass bei einer Mitreisenden Verdacht auf eine Erkrankung mit dem Coronavirus besteht. Bis zur endgültigen Klärung wurde für die Familie Klemme eine 14-tägige Quarantäne verhängt. Es ist Glück im Unglück, dass die Familie Klemme die Quarantäne in den nächsten 14 Tage zu Hause verbringen kann – gut versorgt von Freunden und Nachbarn.
„Glück Auf!“ – sagten wir früher in ähnlichen Fällen.