Sechstagewerk – Sechstagekaiser
Da sitze ich in der kontaktversperrten Eremitage, neudeutsch im Homeoffice, und denke nach, was mir zur Zahl Sechs im Monat Juni einfällt. Natürlich: Sex. Nun mal langsam, du 77-jähriger Einsiedler! Es wäre ja auch schön, wieder mal um die Ecke zu gehen und in der Stammkneipe mit sechs Freunden sechs halbe Liter zu bestellen. Fürs Erste muss der Sixpack im heimischen Kühlschrank reichen.
Noch einmal von vorn. Auch im Juni wird die blitzschnelle Internet-Maschine Wikipedia behaupten, 6 sei eine gerade Zahl zwischen 5 und 7. Ich klappe das Notebook zu. Alles Lüge, nichts an der 6 ist gerade. Sie ist ein Kringel mit Anlauf, eine umgedrehte 9. Allenfalls die alten Römer meißelten zwei schräge und einen geraden Strich: VI.
Himmel und Erde sind im Ersten Buch Mose als Gottes Sechs-Tage-Werk beschrieben, das erst durch den siebten Tag geheiligt wird. In der neutestamentlichen Offenbarung des Johannes wird die Zahl 666 mystisch mit dem Antichristen in Verbindung gebracht, auch mit Rom, dem Papsttum und dem Namen Benedikt. Da spekuliere ich lieber nicht.
Die Alten wissen noch, dass einmal im Jahr die Schöpfung in der Westfalenhalle stattfand: Tag und Nacht ging es dort beim traditionellen Sechs-Tage-Rennen rund. Ein großes Vergnügen. Über lange Jahre hinweg waren Kilian/Vopel die unbestrittenen Publikumslieblinge – nicht nur weil sie die magische Nummer 6 auf dem Trikot trugen, sondern weil sie – obwohl schon Mitte vierzig – mit den Jünglingen auf der Bahn gut mithalten konnten.
Mehr als üblich frage ich mich, wie unsere Welt im 6. Monat 2020 aussehen wird. Zur Zeit (Anm.: das war um Ostern herum) machen Pfleger und Versorger Überstunden, andere Bereiche verlieren ihren Arbeitsplatz. Die Rentenerhöhung im Juli – wird sie sicher sein? Im Hintergrund lauert die Debatte um die Digitalisierung, die die Berufswelt massiv verändert. Wer noch seinen Job hat – darf der noch Dienstreisen genießen, wo bald nur Video-Konferenzen sprießen?
Lukas Andel