Politisches Plumpsklo
Peter Grohmann
Überwachungskameras müssen her, besser heute Nacht als morgen früh, damit wir die Randalen mit sicherem Abstand via Youtube oder swr 3 zeitnah begutachten können. Es stinkt offenbar keinen, dass es in der Stadt – aber nur aus finanziellen Gründen – schon lange kaum mehr Toiletten gibt, nicht mal politische Plumpsklos am Eckensee. Schnaps ist Schnaps. Die Mitschnitte riechen aber nicht, sie zeigen allenfalls, wie es nicht wirklich war. Aber vielleicht sind ja unsere Nachbarn dabei oder eher die vom Asylbewerberheim, die Nachbarn von morgen? Wenn die Liebhaber von Recht und Ordnung durchgreifen, bleibt kein Auge trocken.
Eben kam raus, dass sich die Wolfsburger Dieselschamanen nicht mehr über den Zebrastreifen trauen. Angeblich gibt es fast 100 Stunden brisantes Tonmaterial – heimliche Mitschnitte aus Strategie-Sitzungen bei VW, bei denen es darum gegangen sein soll, unbequeme Zulieferer von der Straße zu drängen und so zur Räson zu bringen. Logisch – die Wolfsburger Plattfüße rangieren hart am Rande der Illegalität. Die große Frage: Waren’s die eigenen Leute? Winterkorns Rache? Putins junge Auto-Pioniere? Rotchinesen?
Kaum reibt man sich in der betrugsaffinen Autobranche die ölverschmierten Hände, schlägt Wolfgang Grupp aus Burladingen zu (der mit dem Schimpansen tanzt). Der Trigema-Chef beißt Daimler (!) persönlich in die Waden und wirft den Untertürkheimern hemmungslosen Größenwahn vor, weil sie innovationsmäßig auf dem Plumpsklo sitzen, im Gegensatz zu Tesla und Elon Musk. Das kann man mal so stehen lassen.
Aber jetzt die gute Nachricht: Mikis Theodorakis wird 95 Jahre alt. Wir bleiben jung. Dem Mann aus dem Widerstand hat man gern seine Lieder abgenommen und zur Not dazu getanzt. Aber dass er Kommunist war, das war den Leuten eher peinlich. Kommunist ist ja schlimm genug – aber Widerstand! Partisanenkampf! Folter! Befreiung vom deutschen Faschismus!
Konzentrationslager Verbannung! Es geht uns das Herz auf. Im Dezember 1944, nach dem Rückzug der deutschen Wehrmacht, die die Brunnen vergiftet und die Felder abgebrannt hatten und auch sonst alles, was nicht niet und nagelfest war, zerstörten oder heim ins Reich brachten, wehrte sich Mikis Theodorakis mit seinen Partisanenfreunden gegen die politische und militärische Einmischung durch die Briten in Griechenland. Der SWR2 hat in Würdigung seiner Werke eine schöne Auswahl seiner Lieder zusammen gestellt: https://www.swr.de/swr2/musik- klassik/der-komponist-schriftsteller-und-politiker-mikis-theodorakis-swr2-zur-person- 2020-07-26-100.html.
Und wenn wir schon bei den Verlinkten sind: Im Württembergischen Kunstverein Stuttgart ist noch bis zum 30.8. 2020 die Ausstellung „Horst Brandstätter und die Frage der (Un)Freiheit“ zu sehen. Der schwäbische Intellektuelle und Netzwerker starb 2006 und wäre jetzt 70 Jahre alt – und Kontext-Autor.
Peter Grohmann* ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten. Dank an Peter Grohmann für die Zustimmung zur Veröffentlichung dieser Kolumne.
*peter-grohmann@die-anstifter.de