Advent in Coronazeiten ( 19 )

Die Dortmunder Mitternachtsmission geht online

Autorinnen
Andrea Hitzke, Leiterin der Dortmunder Mitternachtsmission.
Hanna Biskopen, Projektmitarbeiterin
Laura Rudolf, Projektmitarbeiterin

Die Dortmunder Mitternachtsmission e.V. unterhält als gemeinnütziger Verein im Dachverband des Diakonischen Werkes eine spezialisierte Fachberatungsstelle für Prostituierte und Opfer von Menschenhandel/Zwangsprostitution. Dies sind i.d.R. Frauen und Mädchen, die mit physischer und psychischer Gewalt zur Prostitution gezwungen werden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in der aufsuchenden Arbeit zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten im Prostitutionsmilieu. Hier bereiten uns die Kinder und Jugendlichen und jungen Heranwachsenden in der Prostitution besondere Sorge. Hinzu kommen Kinder und Jugendliche, die als Opfer von Ausbeutung und Zwangsprostitution betreut werden. Sie sind überwiegend aus westafrikanischen Ländern geflohen. So werden ca. 90 bis 110 Kinder und Jugendlichen und junge Heranwachsende beraten und betreut. 

Unsere besondere Sorge gilt den jungen Frauen und Mädchen in der Prostitution, die überwiegend noch minderjährig sind.
2019 haben wir 64 minderjährige Mädchen zuzüglich 28 junge Frauen bis 27 Jahre, die aufgrund ihrer problematischen psychosozialen Situation noch Kinder-und Jugendhilfe benötigen, betreut, die der Prostitution nachgegangen sind oder Opfer von Menschenhandel sind.
Das Risiko, Opfer von Gewalt durch Zuhälter und Freier zu werden – z.B. Vergewaltigungen, Misshandlungen, Freiheitsberaubung, Menschenhandel etc. – ist für diese jungen Mädchen besonders hoch. Schwierige, z.T. unerträgliche Lebensbedingungen werden oftmals durch den Konsum von Alkohol und Drogen betäubt. 

Aufgrund der Arbeits- und Lebensbedingungen  sind die Mädchen häufig von z.T. schweren Verletzungen und Erkrankungen, wie sexuell übertragbare Infektionen, Mangelerkrankungen, Erkältungskrankheiten und auch schwere psychische Erkrankungen betroffen. Aus Unerfahrenheit und Unwissen gehen sie häufiger auf Forderungen der Freier nach ungeschützten, riskanten und auch schmerzhaften und entwürdigenden Praktiken ein.
Dieser Bereich ist in vielen Fällen eng mit dem Bereich Menschenhandel verflochten. Insbesondere Opfer von sog. Loverboys, die die Mädchen in psychische Abhängigkeit bringen und sie von ihrem familiären Umfeld und Freundeskreis isolieren, um sie dann zur Prostitution bringen, sind Opfer von Menschenhandel.
Die Mitarbeiterinnen nehmen Kontakt zu ihnen auf durch aufsuchende Sozialarbeit/ Streetwork zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten an den Orten wo die Mädchen anzutreffen sind, z.B, auf der Straße, in Kneipen, Diskotheken etc.

Nur durch kontinuierliche Präsenz im Milieu kann das dringend notwendige Vertrauen aufgebaut werden und den Mädchen schnellstmöglich Hilfe angeboten werden. Hier ist eine sehr hohe Flexibilität der Sozialarbeiterinnen notwendig. Solange die Mädchen in der Prostitution sind, muss der gesundheitliche Schaden durch die Tätigkeit und die Lebensbedingungen möglichst gering gehalten werden. Hier bieten die Streetworkerinnen Überlebenshilfen (Essen, Schlafplatz, Kleidung, Hygiene und Notfallhilfen/Medikamente) an

Hanna Biskoping (r.) und Laura Rudolf

Das Ziel der Sozialarbeit in diesem Bereich ist der Ausstieg und die Vermittlung in die Jungendhilfe oder, wenn durch die Mädchen gewünscht, der Kontaktaufbau zur Familie.
Viele Mädchen gehen nach dem Ausstieg wieder zur Schule oder beginnen eine Ausbildung. Dies gelingt aufgrund einer intensiven Begleitung (ggf auch der Familie) während des Ausstiegsprozesses. Der Kontakt zu den betroffenen Mädchen kann nur durch Vertrauensaufbau gelingen, der z.T. sehr viel Zeit braucht und eine sehr hohe Flexibilität der Mitarbeiterinnen voraussetzt. Durch den kontinuierlichen Einsatz einer Sozialarbeiterin in Vollzeit über drei Jahre, konnte eine gute Basis geschaffen werden.  8 Mädchen schafften 2019 den Ausstieg aus der Prostitution mit sehr intensiver Unterstützung der Mitternachtsmission (2018 waren es 5 Aussteigerinnen).
Ein wichtiger Schwerpunkt in diesem Arbeitsbereich ist auch die Prävention in Schulen und Jugendgruppen, um Legenden und Mythen, z.B. dass mit Prostitution schnell und leicht viel Geld verdient werden kann, abzubauen.
Im Rahmen dieser Präventionsarbeit kommen wir auch immer wieder in Kontakt mit betroffenen Mädchen, die z.B. noch zur Schule gehen, ober über Geschwister, Freunde oder Lehrer*innen.
Durch die Sozialarbeiterin und die Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit zu diesem Bereich konnte eine erhöhte Sensibilisierung der Behörden und Jugendhilfe und auch der Öffentlichkeit erreicht werden. 

Online-Beratung für die Zielgruppe der Kinder, Jugendliche und junge Heranwachsende
Als wichtige Ergänzung unserer Arbeit habe wir schon seit längerer Zeit geplant, Online-Beratung für die Zielgruppe der Kinder, Jugendliche und junge Heranwachsende aufbauen. Fast alle Mädchen und Jungen bewegen sich im Internet. Zu einem Großteil findet die Kontaktaufnahme im Rahmen der Prostitution und die sexuelle Ausbeutung der Kinder und Jugendlichen bereits über und im Internet statt. 

Durch ein Online-Beratungsangebot ist die Hürde, eine Beratungsstelle zu kontaktieren um sich zu informieren und Hilfe zu erlangen viel niedriger als ein persönlicher oder telefonischer Kontakt. Eine weitgehende Anonymität ist möglich, wodurch die Angst vor einer Kontaktaufnahme und Scham besser überwunden werden kann. Durch das Internet können noch mehr und andere Mädchen und Jungen erreicht werden, die verdeckt arbeiten. Gerade jetzt während Corona ist die Kontaktaufnahme zu unserer Zielgruppe erschwert. Wir setzen große Hoffnung in das neue Projekt, mehr Kinder und Jugendliche zu erreichen.  

Das Angebot soll die Face to Face Beratung nicht ersetzen, sondern ist eine wichtige Ergänzung zu dem bestehenden Beratungsangebot. . Die Kinder und Jugendlichen können sich über unsere Homepage einen Beratungstermin buchen und sich so anonym und kostenlos mit ihren Problemen an uns wenden.
Die Online –Beratung soll von beiden Mitarbeiterinnen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, Hanna Biskoping und Laura Rudolf, durchgeführt werden, damit keine zeitlichen Lücken durch Krankheit und Urlaub entstehen und Kontinuität und Verlässlichkeit gewährleistet wird.
Dazu wurden beide Sozialarbeiterinnen geschult.
Die Lebenswelt der meisten Kinder und Jugendlichen ist das Internet. Gerade Minderjährige bahnen über bekannte Social Media Plattformen, wie Instagram, Facebook oder Snapchat an.
Der weitere Abbau von Hürden zum Hilfesystem ist das Ziel . Mit Online-Beratung erhoffen wir uns einen niedrigschwelligen Zugang zur Zielgruppe. Wir erhoffen uns so, mehr Kinder und Jugendlichen zu erreichen, um Beratung und Unterstützung anbieten zu können. 

Dortmunder Mitternachtsmission e.V., Dudenstr.2-4, 44137 Dortmund Tel.: 0231-144491 www.mitternachtsmission.de
Spendenkonto: Stadtsparkasse Dortmund SEPA:  DE 41440501990151003168; Swift-Bic.: Dort.DE 33XXX
Die Idee zu „Advent in Coronazeiten“
Die Pandemie hat uns immer noch im Griff… .
Wegen Corona fallen nicht nur sämtliche größeren Kulturereignisse aus, auch die vielfältigen Aktivitäten der örtlichen Vereine und Gruppen sind zum Erliegen gekommen und können praktisch durch nichts ersetzt werden. Aber mit Hilfe des Netzes können zumindest weitere solidarische Signale an die Menschen um uns herum versendet werden. MIT wird in der bevorstehenden Advents- und Weihnachtszeit  auf unterschiedliche Art und Weise versuchen, an dieser Stelle eine zusätzliche Plattform zum Info-Austausch zu bieten. Also: Wer Lust und Zeit hat, darf sich gerne beteiligen.
Es ist mit Sicherheit kein adäquater Ersatz für das soziale Miteinander,  für den Gedankenaustausch und das gemütliche Beisammensein. Aber sicher ist auch: Wenn wir durchhalten wollen, geht das viel besser gemeinsam. (K.N.)