Neue Deluxe- oder Super Deluxe Boxen pünktlich vor Weihnachten erhältlich
Weihnachten 2020 rückt täglich näher und uns allen ist klar: es wird durch die Corona-Pandemie leider völlig anders ausfallen als die Jahre zuvor.
Aber ein sicheres Zeichen, dass Weihnachten vor der Tür steht, liefert in jedem Jahr die Musikindustrie. Regelmäßig werden zahlreiche, vor Jahren als Schallplatte oder CD erschienene Alben, wiederveröffentlicht und die Auswahl geht dabei von der einfachen Nachpressung, die von den Titeln her dem Original entspricht, bis zur Deluxe oder sogar Super Deluxe Ausgabe.
Letztere Versionen werden dann immer als repräsentativ gestylte Boxen mit umfangreichem Bonusmaterial, wie Liveaufnahmen, bisher unveröffentlichten Songs, Single-B-Seiten (wer weiß noch was das ist?) DVD’s/Blu-rays und oft opulent ausgestatteten Begleitbüchern angeboten. Auch das Format dieser Boxen ist im Vergleich zur normalen CD deutlich anders und erinnert von der Optik her eher an Bücher als an Musik. Auf diese Weise wiederveröffentlicht werden vor allem Alben von Interpreten der 60er und 70er Jahre. Warum gerade sie? Weil sie den meisten Käufern aus früheren und immer noch geschätzten Vinyl-Zeiten noch sehr gut bekannt sind. Bekannt aus einer Zeit, in der es noch keine Downloads und Streaming-Dienste gab. Eine Zeit, in der Alben und Singles noch Bildcover hatten und die Plattenspielernadel auf Kratzer empfindlich reagierte. Für diese Käufer bzw. Hörer war der Plattenkauf noch etwas Besonderes und sie sind in der Regel zu solventen Kunden geworden. Sie haben immer noch eine Schwäche für die Musik mit der sie aufgewachsen sind und mit der sie manche Erinnerungen verbinden. Und wenn es früher im Wesentlichen darum ging, ob die Platte oder ein einzelner Song ins Ohr ging, ist im Laufe der Jahre bei vielen das Interesse an Hintergrundinfos gewachsen: Wie ist der Song entstanden? Wer war bei der Aufnahme dabei? Was war eigentlich in der Zeit, in welcher die Platte herauskam, in Kultur und Gesellschaft sonst noch von Bedeutung? Und viele dieser Fragen und Themen werden in den oft sehr ausführlichen Begleitbüchern der Wiederveröffentlichungen behandelt.
Mengede:InTakt! hat sich mit einigen dieser in der letzten Zeit erschienenen CD-Boxen befasst. Dabei soll dieser Artikel keine Kauf- oder Geschenkempfehlungen abgeben, sondern lediglich Infos zu einigen Veröffentlichungen geben, die vielleicht ein wenig aus dem riesigen Angebot herausragen.
Beatles: Abbey Road
Keine Frage, die Beatles haben mit ihrer Musik Maßstäbe gesetzt. „Abbey Road“ war in 1969 ihr letztes gemeinsames Studioalbum und ist im vergangenen Jahr u.a. als Super Deluxe Edition neu erschienen. Auf drei CD’s findet man neben dem neu abgemischten Album zahlreiche Demo- und Alternativversionen. Und selbst diese, eigentlich noch unfertigen Versionen, klingen nahezu perfekt. Interessant ist dabei die Version von „Come And Get It“, eines von Paul McCartney allein eingespielten Songs, den er der Gruppe Badfinger überließ, die ihn dann auch zum Hit machte. Ein Stück, oder wie es so oft heißt, ein Ohrwurm mit einer eingängigen Melodie, das mit Sicherheit auch als Beatles-Single eine gute Figur abgegeben hätte. Zusätzlich sind der Box noch eine Blu-ray Audio und ein Hardcoverbuch mit zahlreichen, bisher unveröffentlichten Fotos und Informationen über die Entstehung von Platte und Cover beigefügt. Der Sound der CD’s ist exzellent, wobei man einräumen muss, dass „Abbey Road“ schon in der ersten Vinylfassung von 1969 überragend klang.
Rolling Stones: Goats Head Soup
Die Rolling Stones haben die Beatles mittlerweile um rund 50 Jahre überlebt. Als Super Deluxe Box ist vor einigen Monaten ihr 1973er Album „Goats Head Soup“ erschienen. Diese Platte als Nachfolger der legendären LP’s „Sticky Fingers“ und „Exile On Main Street“ galt trotz der Erfolgssingle „Angie“ bisher als ein eher schwächeres Werk. Insgesamt stellt sich aber tatsächlich der Eindruck ein, dieses Album in der neu abgemischten Version fast „neu“ zu hören, was den bisherigen Gesamteindruck des Albums deutlich verbessert.
Die neu remasterte CD-Version enthält zahlreiche Alternativ- und Demoversionen und drei bisher unveröffentlichte Stücke im typischen Stones Sound, davon eins mit dem Led Zeppelin Gitarristen Jimmy Page, der bei den Aufnahmesessions zeitweilig dabei war. Zusätzlich enthält die Super Deluxe-Ausgabe neben Postern, einem Buch mit Beschreibungen zu den Aufnahmesessions und der dazugehörigen Tournee noch eine Live-CD mit einem Konzert aus Brüssel, das bisher offiziell unveröffentlicht war. Dieser Konzertmitschnitt zeigt die Stones, zur damaligen Zeit noch mit Mick Taylor an der Leadgitarre, in Top-Form. Interessant ist auch, dass das Konzert nicht etwa – wie in späteren Jahren – aus einem „Greatest Hits-Programm“ bestand, sondern die Band hauptsächlich Songs ihrer letzten drei Alben präsentierte, die mittlerweile natürlich auch längst zu Klassikern geworden sind.
Kinks: “The Kinks Are The Village Green Preservation Society“
Die Kinks waren während ihrer erfolgreichen Zeit von 1964 – 1970 hinter Beatles, Rolling Stones und vielleicht auch The Who eher in der zweiten Reihe. Hitsingles schütteten sie teilweise aus dem Ärmel und mittlerweile sind drei ihrer Alben auch als umfangreiche CD-Boxen mit jeder Menge Zusatzmaterial erschienen. Nämlich „Village Green Preservation Society“ von 1968, „Arthur Or The Decline and Fall Of The British Empire“ (1969 – der Titel schon mit Vorahnung auf den Brexit?) und in diesem Monat veröffentlicht „Lola Versus Powerman And The Moneygoround“ (1970).
Alle drei Alben zeigen noch einmal die enorme musikalische Bandbreite der Band, deren kritische aber auch humorvolle/ironische Texte von Bandleader Ray Davies oft mehr aussagten, als die anderer Interpreten der 60er Jahre. „Village Green Preservation Society“ war trotz enormer Melodienvielfalt und perfekter Instrumentierung im Erscheinungsjahr 1968 ein Flop. Warum? Während die Beatles im gleichen Jahr auf ihrem Weißen Album von „Revolution“ sangen oder die Stones auf „Beggar’s Banquet“ vom „Street Fighting Man“, handelten die Titel der Kinks auf dieser Platte beispielsweise vom idyllischen Leben auf dem Lande, gezapften Bier, selbst gemachter Erdbeermarmelade oder der alten Dampflok, die jetzt ausrangiert im Museum steht. Aus heutiger Sicht waren viele Texte des Albums durchaus etwas „grün angehaucht“ und damit ihrer Zeit voraus. Zu den niedrigen Verkaufszahlen der LP führte aber auch schlechtes Marketing der Plattenfirma, die in den Kinks eher eine Band für Singles als für Alben sah. Ihren verdienten Stellenwert hat die Platte dann erst 2018 erfahren, als der Gruppe für dieses Album, bedingt durch die Verkaufszahlen der Wiederveröffentlichungen, eine goldene Schallplatte überreicht wurde. Werden Musiker und Musikkritiker in diesen Zeiten gebeten, ihre Lieblingsplatten zu benennen, taucht „Village Green Preservation Society“ sehr häufig auf. Die Super Deluxe Box ist, ohne zu übertreiben, mit das beste was bisher auf dem CD-Markt erschienen ist. Die Box enthält neben Vinylausgaben und liebevoll gestaltetem Begleitbuch insgesamt fünf (!) CD’s , darunter das ursprüngliche Album in Stereo und Mono und eine Vielzahl von seltenen und bisher unveröffentlichten Aufnahmen.
The Doors: Morrison Hotel
Die US-Band „The Doors“ galt in ihrer Anfangszeit als Geheimtipp. Aber beginnend mit dem ersten Album entwickelten sich die Platten der Doors zu Verkaufsrennern, Und auch heute hat die Band und ihre Musik immer noch Kultstatus. Das Album „Morrison Hotel“, 1970 erschienen, war das vorletzte Album mit Sänger Jim Morrison, der 1971 verstarb. Nach dem Vorgängeralbum „The Soft Parade“, deren Titel die Band teilweise mit Streicher- und Bläserunterstützung aufgenommen hatte, was ihr negative Kritiken einbrachte, gilt „Morrison Hotel“ als Rückkehr zum eigentlichen „Doors-Stil“.
Die CD-Box zum 50 jährigem Jubiläum des Albums beinhaltet neben dem Remaster der Original Platte noch eine Vinyl-Ausgabe von Morrison Hotel, ein ausführliches Booklet und eine zweite Bonus-CD. Bei der Bonus CD stellt sich allerdings die Frage, ob man wirklich neun teilweise aufeinanderfolgende Aufnahmeversionen des Songs „Queen Of The Highway“ oder fünf in verschiedenen Sessions entstandenen Fassungen des „Roadhouse Blues“ benötigt. Auch die Dialoge während der Aufnahmesessions dürften nur Hardcore-Fans interessieren. Klanglich sind allerdings beide CD’s mit einem wirklich satten Sound sehr gelungen.
Elton John: Jewel Box
Elton Johns Karriere als Weltstar begann in den 70ern. Seine musikalischen Anfänge als Sessionmusiker (u.a, mit den Hollies bei ihrer Erfolgssingle „He Ain’t Heavy He’s My Brother“) und erste eigene Plattenaufnahmen begannen bereits in den 60er Jahren. Die Jewel-Box, vor einigen Wochen erschienen, widmet sich auf sage und schreibe acht CD’s Elton John’s Karriere von den Anfängen bis zur Neuzeit. Bei dieser Box handelt es sich nicht um eine der vielen „Best Of“-Zusammenstellungen, von denen es eigentlich schon mehr als genug gibt. Die CD’s geben einen Überblick über sein gesamtes Schaffen, mit Schwerpun
kt auf Raritäten, B-Seiten und unveröffentlichten Stücken. Aber auch der eine oder andere Hit hat Platz gefunden. Dazu gibt es ein Begleitbuch, in dem der Musiker zu allen Titeln einen persönlichen Kommentar abgibt. Beim Anhören muss man sich tatsächlich fragen, warum einige dieser Songs so lange im Archiv schlummerten. Viele dieser „liegen gebliebenen“ Songs hätten mit Sicherheit genug Potential für mindestens ein reguläres Album gegeben. Von den insgesamt 36 Single-B-Seiten der Box, erscheinen rund die Hälfte zum ersten Mal auf CD. Damit ist „Jewels“ eine CD-Box, die von der Titelauswahl und ihrer Aufmachung Maßstäbe setzt. Allein das Lesen und Blättern im hervorragend bebilderten Begleitbuch ist eine regelrechte Zeitreise.
Lohnt sich ein Kauf?
Die hier genannten Interpreten sind natürlich nur eine Auswahl aus einer Flut von Wiederveröffentlichungen dieser Art. Noch mehr zu besprechen würde den Rahmen sprengen, vor allem wird das schon ausführlich durch die Fachzeitschriften erledigt. Was kann man aber zusammenfassend feststellen? Da Musik und persönlicher Geschmack untrennbar miteinander verbunden sind, werden die Meinungen nie einhellig ausfallen. Manchen werden die Rolling Stones vielleicht zu laut sein, anderen wiederum ist Elton John möglicherweise zu sülzig. Und seltene oder bisher unveröffentlichte Stücke zu hören, ist für viele Hörer kein Anreiz, geschweige denn ein Kaufargument. Hier ist eben mehr der Sammler oder Fan angesprochen. Zudem sind alle Boxen, schon wegen ihrer Aufmachung, im oberen CD-Preissegment zu finden. Denn sie bewegen sich zwischen rund 50 € bis zu über 100 €. Wer aber unter „Musik hören“ mehr versteht, als nur eine CD in den Player zu legen, wer mit Downloads ohne jegliche Hintergrundinfos nicht zufrieden ist, für den ist das Format der Deluxe- oder Super-Deluxe- Boxen genau das richtige. Auch dann, wenn er sie aufgrund ihres Formats im Bücher- statt im CD-Regal unterbringen muss. Einige CD-Boxen können mitunter sogar als kleine Kapitalanlage angesehen werden. So ist die in 2011 veröffentlichte CD-Box „Smile“ der Beach Boys, mit den Aufnahmen zum gleichnamigen, unveröffentlichtem Album und jeder Menge Zusatzmaterial mittlerweile nicht mehr im Handel erhältlich. Bei ihrem Erscheinen lag der damalige Preis der Box zwischen 80 und 100 €. Aktuell sind Sammler bereit, dafür den dreifachen Preis und mehr zu zahlen.
Aber wer kauft schon Musik, um sie später wieder zu verkaufen?