Jesus, eiskalt erwischt – Eine Kolumne von Peter Grohmann

Jesus, eiskalt erwischt

Peter Grohmann

Kaum ein Mensch hat jemals geglaubt, dass das mit dem demokratischen Sozialismus über Nacht klappen könnte, nicht mal mit Revolution. Es glaubt ja auch niemand an den Weihnachtsmann – aber trotzdem wird gefeiert, was der Baum hergibt. Und Geschenke auf Teufel komm‘ raus – man gönnt sich ja sonst nichts als Atheist. Für einen gestandenen Christen ist der Wegfall der Christmette ähnlich schlimm wie für einen Linken ein 1. Mai, der auf einen Sonntag fällt oder für die Autonomen eine Demo ohne Randale. In manchen Bauernhöfen auf der Schwäbischen Alb blieb zu Weihnachten immer ein Platz frei. Wir Kinder rätselten, wer da wohl kommen würde. Omi Glimbzsch aus Zittau?

Jemand aus dem Armenhäusle? DDRler durften bekanntlich ihre Westverwandten erst besuchen, wenn sie 90plus waren, und die Armenhäusler wurden über die Feiertage weggeschlossen. Wer also? Oder hatte sich beim Tisch decken jemand verzählt? Die werden doch nicht etwa einen aus der Asylunterkunft …? Der Platz ist frei und bleibt frei – für den Messias. Das ist so praktisch wie die Geschichte mit dem Sozialismus: Es dauert. Man kann selbst etwas mehr futtern und muss keine Reste aufbewahren.

So gesehen, fallen bei Corona auch die in Notunterkünften, auf den Straßen und in Asylen lebenden Leute ‚durch den Rost‘, während sie auf den demokratischen Messias warten und sich auf die Lauer legen nach der Würde des Menschen. Jesus höchstpersönlich würde man niemals reinlassen ins christliche Abendland, der alte Mann würde noch am Heiligen Abend in der Stuttgarter Klett-Passage erfrieren, weil nicht geheizt wird während der Feiertage – wegen Umweltschutz und so. 

Bei der Sache mit den Heilsversprechen erinnere ich mich in diesen besinnlichen Tagen gern an AHA, an das Abstand halten zu Armen, Hungernden und Akademikern, ein tragendes Leitmotiv der Republik. Die Dummen unter den Reichen tragen keine Maske – sie vertrauen ihrem Bargeld und dem Bundesinstitut für Arzneimittel, das für jede Krankheit der Welt ein Medikament zulässt. Der etwas besser Betuchte greift gern zur Wegwerfmaske, wirft sie aber nicht weg (schon wieder gespart). Eine wirksame und wiederverwendbare Maske kostet im Großhandel zwischen 15 -25 Euro (nimm2). Bitte beachte: Der Hartz-IV-Regelbedarf der Großen Koalition sieht die Anschaffung von Schutzmasken nicht vor, Jobzentren lehnen die Anträge auf Mehrbedarf regelmäßig ab. Erfreulicherweise fährt diese Bevölkerungsgruppe eher selten in überfüllten Schulbussen, in denen sich die Jugend hautnaher Kontakte erfreut, bevor’s in kalte Klassenzimmer geht – wo Jesus (am Kreuz im leichten Tuch) schon wartet. Ausser in der DDR – er hatte damals die Ausreise beantragt und ist jetzt wieder zu Hause.

Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de