Aktuelle Foto-Ausstellung im Künstlerhaus Dortmund

ALL TOMORROW ’ S PARTIES

Derzeit findet im Künstlerhaus Dortmund  die Fotoausstellung ALL TOMORROW ’ S PARTIES statt. Sechs zeitgenössische Foto-KünstlerInnen stellen ihre aktuellen Werke aus – es sind dies: Thaddé Comar, Constantin Grolig, Lois Hechenblaikner, Sabine Springer, Julia Steinigere und Miron Zonier.
Die  Ausstellung ist bis zum 25.7.2021 geöffnet und zwar donnerstags – sonntags  von 16.00-19.00 Uhr. MIT hat sich die Ausstellung angesehen – lesen Sie selbst, was es zu diesem Besuch zu sagen gibt.

Die Grundidee dieser Ausstellung beschreibt Peter Schmieder, neben  Jens Sundheim für Konzept und Organisation der Ausstellung verantwortlich, wie folgt: 
Unser Leben wird derzeit empfindlich eingeschränkt. Reisen, Fliegen – wir müssen womöglich unser Leben ändern. Aber wie definieren wir uns neu, wie finden wir eine neue Identität? Neben dem Ortswechsel sind nun auch zwischenmenschliche Kontakte vom Lebensnotwendigen zum Gefährlichen mutiert. Wir erfahren uns nicht mehr nomadisch und interagierend, sondern allein verharrend. Wir sind von Sehnsuchtsorten getrennt, auch von (Sehnsuchts-)Menschen. Ein imaginiertes Danach ist die Zeit, auf die wir unsere Sehnsüchte projizieren. Wobei der Wunsch an die Zukunft häufig genug darin besteht, es solle wieder so sein wie in der Vergangenheit.
Die Ausstellung versucht, diese Aspekte des Gestern, die unsere Zukunft füllen und bereichern sollen, vorzustellen und auf Tauglichkeit zu befragen. Formen körperlicher Nähe, gemeinschaftliche Unternehmungen und ausschweifendes Leben ebenso wie politisches Engagement für eine bessere Zukunft: Die neue alte Nähe steht auf dem Prüfstand.

Zu den ausgestellten Arbeiten der sechs Foto-KünstlerInnen gibt es die nachstehenden Hinweise:

Thaddé Comar
Thaddé Comar befasst sich in seiner Serie „How was your dream?“ anlässlich der in 2019 erneut aufgeflammten Proteste in Hongkong mit der Frage nach der Auslöschung des Individuums. Dies allerdings nicht als Bedrohung, sondern als womöglich vielversprechende Möglichkeit, den Kampf mit den Kontrollmächten auf ebenbürtiger Weise auszufechten. Die Nichtverfolgbarkeit des Individuums und das Aufgehen des Protestes in einer nicht zu zerstreuenden gemeinschaftlichen, nicht länger individuellen Identität, dies ist sein Thema. Seine Protagonisten tragen bereits die Insignien dieser neuen Zeit: Laser, Masken aller Art, Faraday-Taschen und sie kommunizieren nur noch verschlüsselt.

Constantin Grolig
Constantin Grolig zeigt Raves im Ruhrgebiet vor und während der Pandemie an verborgenen Orten. Feiern beschreibt es nicht, Rave ist die Möglichkeit des meditativen Kontrollverlustes, der Identitätsaufgabe und der Transzendenz. Die Suche nach einem anderen Dasein wird an Orten gelebt, die vergessen wurden, umschichtig und temporär leergeräumt sind wie beispielsweise ein Hafengelände oder an Orten, die vor einer Umgestaltung stehen. Insofern stehen in den Fotografien dieser Raves Ort und Ziel in einem innigen Verhältnis – in between. In dämmerigem Licht lässt Grolig seine Protagonisten zwischen Hoffnung und Vergessen in den Morgen tanzen. Details, Körperteile, Material und Licht lassen den Sound spürbar werden, der wie ein Dröhnen über den Szenen liegt, aber auch ein beredtes Rauschen zwischen den Tracks oder bei der Vorbereitung.

Lois Hechenblaikner
Lois Hechenblaikner ist als Tiroler das schwarze Schaf, und er ist es freiwillig, wenn nicht sogar von heiligem Ernst durchdrungen. Seine Bilder vom Feiern in Ischgl sind nach Ausbruch der Pandemie in Mitteleuropa um die Welt gegangen. Ischgl wurde Ausgangspunkt für viele Ansteckungsfälle an Heimatorten der Reiserückkehrer. Die geschmacklose, fast schon auf Selbstvernichtung zielende wütende Feierlust ist zentraler Gegenstand der Arbeiten von Hechenblaikner. Seine Bilder gleichen Bildern von Tatorten, die belegen, welche Orgie, welche Zusammenkunft hier stattgefunden hat. Die Bilder aus Ischgl sind Anklage gegen den Umgang des Menschen mit der Natur, eine womöglich biblische Begründung der Strafe der Pandemie und auch ein niederschmetterndes Urteil über seine Heimat.

Sabine Springer
Sabine Springer zeigt Bilder aus einem Club, in welchem Paare hingebungsvoll die eigene Liebe und Sexualität gemeinsam feiern. Sie arbeitet auf Infrarotfilm, so dass die Fotografin unbemerkt bleibt und auch die Paare sich hemmungslos, ungeschönt und unverstellt dem eigenen Tun widmen können. In der Serie ZONAR werden die Porträts mit Aufnahmen der Örtlichkeiten konfrontiert, die den Ort des Geschehens definieren. Es geht Springer um ein Bild von Sexualität und Verlangen, aber auch um Kommunikation und Verständnis. Dem kleinsten aufeinander bezogenen Team von Menschen, dem Duo, gibt die Fotografin in all seinen Aspekten eine ganz eigene selbstverständliche Würde.

Julia Steinigeweg
Julia Steinigeweg gibt Menschen und ihrem Verhältnis zu Puppen eine Bühne. Die Beziehung von Erwachsenen zu möglichst lebensechten Puppen ist von dem Vorurteil begleitet, es seien ausschließlich sexuelle Beziehungen, die hier ersetzt würden. Steinigeweg zeigt die innige Beziehung auch abseits der sexuellen Konnotation, die eine oft verzweifelte, manches Mal aber auch tiefempfundene Hinwendung ist. Auch wenn das Puppenwesen keine eigenen Empfindungen und Gedanken hat, so wird dies von einer handwerklich überwältigenden physischen Präzision mittlerweile überspielt. Die Verunsicherung des Betrachters rührt aus der Tatsache, dass die Suche nach einer angstfreien und ruhigen Beziehung zwischen Puppe und Mensch von Steinigeweg so stark spürbar gemacht wird.

Miron Zownir
Miron Zownir geht seit über 40 Jahren dorthin, wo es wehtut. Seine Bildsprache ist unverändert hart, schonungslos und mutig. In aufrichtigem schwarz-weiß zeigt er in seiner Serie Berlin Noir die Innenseiten einer Stadt die auf dem Papier für ihre Kultur und ihr Nachtleben gefeiert wird. Mit dem Fotografen gemeinsam begeben wir uns hinter die Kulissen, richten den Blick auf die Menschen die sich ihrem Leben hingeben, sich in ihr Leben verstrickt haben, vom Leben überwältigt werden oder lustvoll durch ihr Leben tanzen. Zownir findet treffsicher eben die Momente maximaler Emotion und Intensität. In der Konfrontation der achtziger Jahre mit den Zehnerjahren des 21. Jahrhunderts gelingt dem Fotografen ein Blick über die Jahrzehnte hinweg auf ein Berlin, das verdächtig unverändert scheint. So erregt Zownir den Verdacht, dass er mit seinen Bildern die überzeitliche Essenz der Stadt ebenso eingefangen hat wie das eigentliche Leben ihrer Bewohner.

Quelle: Künstlerhaus Dortmund; Fotos: Silvia Rzadkowski. Zur Vergrößerung der Fotos diese bitte anklicken!

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