Hakle feucht de luxe – Eine Kolumne von Peter Grohmann

Hakle feucht de luxe

Von Peter Grohmann

Hakle feucht de luxe ist, wie der Name schon sagt, eher was für bessere Ärsche, ganz ähnlich wie jenes Luxusschiff, das für gefeierte 350 Millionen Euro eben in Stralsund vom Stapel lief. Den Werdegang des tatsächlich sogenannten Expeditions-Kreuzfahrtschiffs Crystal Endeavor hatte auch „die Politik“ begleitet: Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig war sich nicht zu fein, den „Porsche der Meere“ zu taufen. Evangelisch? Die „größte Luxus-Expeditionsjacht der Welt“ hat denn auch alles  an Bord, was der Umwelt so richtig schadet: Sechs ganz edle Restaurants, ein exquisites Casino, den großen Spa-Bereich, feine Fitnesscenter, Shopping-Chancen – und wenn’s zu langweilig wird: für Expeditionen zu Luft und zu Wasser zwei Helikopter, 18 Schlauchboote, 14 Kajaks und ein Mini-U-Boot für sechs Gäste.

Ein Ausflug in die Arbeitslosigkeit ist für die Stralsunder Werftarbeiter ist ab sofort kostenlos, es könnte das letzte Boot sein – aber die Kreuzfahrt in diesem selten verkommenen Luxusschiff kann gern mehrere zehntausend EU kosten. Darin sind aber (wie bei meiner Omi Glimbzsch im Zittauer Altenheim) begehbare Kleiderschränke, alle Trinkgelder, unbegrenzte erlesene Weine, Champagner und Premium-Spirituosen enthalten – und ein Sechs-Sterne-Service mit einem großzügigen Verhältnis von 1,03 Personal pro geimpften Gast (Prospekt). Viele Anarchistinnen in Norwegen (liegt auf der Route) hoffen, dass das Schiff bald sinkt – der Umwelt zu Liebe. Klar, alle werden gerettet, es sind ja keine Flüchtlinge.

41948? Vierhundertneunzehn Achtundvierzig hätte im Mai 2021 gern den Auschwitz-Appell am Hamburger Kaiser-Friedrich-Ufer der Öffentlichkeit vorgestellt, dort, wo am 15. Mai 1933 die Deutschen ihre Bücher verbrannten. Vierhundertneunzehn Achtundvierzig gehörte zu den Erstunterzeichnenden des Aufrufs, der einen würdigen, anständigeren Umgang Deutschlands mit dem ehemaligen deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau fordert. Denn Deutschland geizt und knausert, speist das Erinnern an seine Menschheitsverbrechen mit Almosen ab, während die Stätten des Grauens verfaulen. Vierhundertneunzehn Achtundvierzig hatte gehofft, dass der Bundespräsident das Appell-Anliegen zur Kenntnis nimmt und Zeit hat, die erste Charge der Unterschriften entgegenzunehmen. Hatte er nicht, Termine.

Am Hamburger Kaiser-Friedrich-Ufer fand am 11. Juli 2021 anläßlich des Todes von Vierhundertneunzehn Achtundvierzig eine bescheidene Feierstunde statt, für Esther Bejarano, Häftling 41948. Der Bundespräsident kondolierte. Esther Bejarano hätte am 19.12. 2021 bei der FriedensGala der AnStifter vielleicht einen Auftritt gehabt und so die diesjährige Preisträgerin Maria Kolesnikowa geehrt, eine von vielen Frauen im Widerstand, die in Belarus im Lukaschenko-Knast auf ihre Prozesse warten. Frauen.

Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de