Emschergenossenschaft zieht Bilanz

Das Ruhrgebiet muss zum Schwammgebiet werden

Die Emscher in Mengede nach dem Starkregen

Die Hochwasserrückhaltebecken haben ihre Aufgabe erfüllt, die Deiche haben gehalten, es kam zu keinen extremen Überflutungen. Das Emscher-System musste sich in der vergangenen Woche mit den teils extremen Niederschlagsereignissen einem bislang noch nicht da gewesenen Härtetest unterziehen. Obwohl die Bilanz positiv ausfiel, will die Emschergenossenschaft den Hochwasserschutz für die Region weiter verbessern.

„Die Wasserwirtschaft hält alle gesetzlichen Vorgaben zur Hochwasservorsorge ein und geht mit dem Schutzniveau zum Teil deutlich über diese Vorgaben hinaus. Aufgrund des Klimawandels und der zunehmenden Intensität der Starkniederschläge reicht das aber zukünftig nicht aus“, fasst Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, zusammen. Aufgrund der besonderen Situation im Ruhrgebiet mit einer hohen Bevölkerungsdichte, dem hohen Grad an versiegelten Flächen, einem enormen Schadenspotential und der Belastung durch Bergsenkungen, sieht der Chef des Wasserwirtschaftsverbandes weiteren Handlungsbedarf.

„Wir müssen deutlich mehr Retentionsflächen schaffen, die im Hochwasserfall kontrolliert geflutet werden können. Neben Finanzierungsfragen ist hierbei besonders die Flächenknappheit ein Problem. Hier gilt es, über neue Formen der gemeinsamen Nutzung von Landwirtschaft und Wasserwirtschaft nachzudenken“, so Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand der Emschergenossenschaft.

HRB Ellinghausen – vor und nach dem Starkregen

Städte müssen funktionieren wie ein Schwamm
In den Städten müsse sich eine neue Form des Städtebaus etablieren, die dem Prinzip der „Schwammstadt“ folgt: Entsiegelung von befestigten Flächen, die Schaffung „multifunktionaler“ Flächen, bspw. Sportplätze, die im Bedarfsfall geflutet werden können oder der Bau von Gründächern und Fassadenbegrünungen. Die Erschließung von zusätzlichen Stauungsräumen in der Kanalisation durch eine optimierte, einheitliche Kanalnetzsteuerung und die Verringerung von Schnittstellen sei ebenfalls ein wichtiger Beitrag. „Im Ruhrgebiet hat die Ruhrkonferenz mit dem Projekt ‚Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft‘ ein leistungsfähiges Netzwerk der Wasserverbände und der Kommunen gegründet und bereits erste Projekte umgesetzt – für mich ein Modell mit Vorbildcharakter“, so Uli Paetzel.

Renaturierung wird Hochwasserschutz weiter verbessern
Im Emscher-Gebiet verhinderten in der vergangenen Woche auch die 22 Hochwasserrückhaltebecken der Emschergenossenschaft, die ein gesamtes Rückhaltevolumen von 2,8 Mio. m³ Volumen haben, Schlimmeres. Die Renaturierung der Gewässer nach der Abwasserfreiheit wird den Hochwasserschutz weiter verbessern: Oberflächen- und Abwasser werden getrennt abgeführt, eine Aufweitung der Gewässer bietet mehr Raum und begrünte Ufer werden dafür sorgen, dass Wasser langsamer ablaufen kann.Aber: „Die dramatischen Hochwasserereignisse im Bergischen Land und in linksrheinischen Katastrophengebieten zeigen, dass langsam ziehende Starkniederschlagsgebiete Niederschläge auch über 200 mm am Tag verursachen. Auch die besten technischen Systeme können derartige Niederschläge nicht aufnehmen und abführen“, so Emanuel Grün.

Niederschläge in Dortmund am stärksten
Flächendeckend wurden im Emscher-Gebiet in 24 Stunden rund 64 mm gemessen, davon fielen rund 40 mm in 12 Stunden. Am Niederschlagsschwerpunkt im Raum Dortmund wurden in der Spitze 113 mm registriert. An der Station Dortmund Scharnhorst wurden in einer Stunde 55,8 mm registriert und in 24 Stunden 107 mm. Zum Vergleich: Der mittlere Juli-Niederschlag im Emscher-Gebiet beträgt 83 mm!

Im gesamten Emscher-Gebiet gab es Starkregenzellen mit lokalen Niederschlägen, die statistisch gesehen seltener als einmal in hundert Jahren wiederkehren. Im Oberlauf der Emscher wurde ein „HQ 100“ überschritten, also ein Hochwasser, das statistisch gesehen alle 100 Jahre auftritt.

Hochwasserrückhaltebecken im Einsatz

HRB Emscher-Auen – vor und nach dem Starkregen

Die Hochwasserrückhaltebecken erfüllten ihre Funktion und trugen zur Reduktion der Abflüsse bei. Im Mittellauf der Emscher war die Lage unterschiedlich und es kam zu Hochwasserereignissen, die statistisch gesehen alle 25 oder 200 Jahre vorkommen – Letzteres war unterhalb der Mündung des Hüller Bachs der Fall. Am Unterlauf wurde ein 10-jährliches Hochwasser registriert. Den maximalen Wasserstand erreichte die Emscher an der Königsstraße in Oberhausen mit 7,13 Metern – der mittlere Wasserstand beträgt hier 2,93 Meter. Lokale Überflutungen traten an den Nebenläufen auf.

100.000 Kubikmeter Wasser fließen in Phoenix See
Während das Hochwasserrückhaltebecken Emscher-Auen zwischen Mengede und Castrop-Rauxel sich zur eindrucksvollen Seenlandschaft verwandelten, kam es am Becken „Nagelpöttchen“, das vor dem Hochwasserrückhaltebecken Phoenix See liegt, zu einem kontrollierten Notüberlauf: Als das Becken mit einem Einstauvolumen von 89.000 m³ die komplette Einstauhöhe erreicht hatte, lief das Wasser über einen Notauslass zurück in die Emscher. Dieser Notauslass funktioniert ähnlich wie der Überlauf bei einer Badewanne und schützt die Becken so vor dem unkontrollierten Dammbruch mit seinen verheerenden Folgen. Die Emscher trat zwischen dem Hochwasserrückhaltebecken Nagelpöttchen und dem Hochwasserrückhaltebecken Phoenix See als Folge des hohen Wasserstands über die Ufer.
Der Phoenix See in Dortmund wurde in seiner Funktion als Hochwasserschutzanlage zusätzlich mit über 100.000 Kubikmetern Wasser aus der Emscher geflutet, was seit Inbetriebnahme vor zehn Jahren noch nicht geschehen ist. Die Wasserqualität vor Ort wird seither erfasst und kontrolliert.

Aufräumarbeiten dauern an
„Es sind keine Personen zu Schaden gekommen, das ist das allerwichtigste, und große Schäden an unseren eigenen Anlagen konnten weitgehend verhindert werden. Die Aufräum- und Wiederherstellungsarbeiten insbesondere an unseren Baustellen zum Emscher-Umbau werden uns allerdings noch einige Zeit beschäftigen“, fasst Uli Paetzel abschließend zusammen.

Die Emschergenossenschaft
Seit 1992 plant und setzt die Emschergenossenschaft in enger Abstimmung mit den Emscher-Kommunen das Generationenprojekt Emscher-Umbau um, in das über einen Zeitraum von rund 30 Jahren knapp 5,5 Milliarden Euro investiert werden. www.eglv.de

Quelle: EGLV; Fotos: o.r. Archiv MIT, darunter  EGLV.