Bürgerinformation zu Emscherumbau und Hochwasserschutz 

Von der Kloake zum abwasserfreien Gewässer

Ich erinnere mich noch gut an ein Gespräch in den 50-er Jahren mit meinem Großonkel, in dem ich mich über den Gestank der Emscher beklagt hatte. „Die Emscher ist der Stolz Deutschlands“, erklärte mir sehr pathetisch der Berginvalide, der durch seine Arbeit im Bergbau Gesundheit und körperliche Unversehrtheit eingebüßt hatte, „denn sie befreit uns von Schmutz und Abwässern“.
Heute, mehr als 60 Jahre später, können wir die Emscher wieder als Stolz Deutschlands bezeichnen. Denn das, was 1992 als Generationenprojekt  begonnen wurde, steht kurz vor seiner Vollendung. Aus der tiefschwarzen toten „Köttelbecke“ wurde ein blauer, lebendiger Fluss. Mit ihm entstanden und entstehen weitere Naturoasen und Freizeitressourcen. Zwischen Mengede und Ickern, wo der Wandel besonders deutlich zu erkennen ist, luden die Emschergenossenschaft in Kooperation mit dem „Heimatverein Mengede“ und dem Verein „Mein Ickern“ zu einer Bürgerinformation ein. Knapp 100 Interessierte folgten in der vorletzten Septemberwoche dieser Einladung in die Außenanlagen des Hofs Emscher-Auen.

Gastgeber und Akteure der Informationsveranstaltung:(v.li.)Burkhard Teichgräber, Rajko Kravanja, Marc Frese, Hans-Ulrich Peuser und Axel Kunstmann. Foto (c) Diethelm Textoris

Das Generationenprojekt blieb im Kostenrahmen
Hauptreferent der Veranstaltung war Professor Burkhard Teichgräber, Geschäftsbereichsleiter für Grundlagen und Entwicklung bei der Emschergenossenschaft und dem Lippeverband. Flankierend mit Statements und bei der Fragenbeantwortung standen ihm zur Seite der Bürgermeister von Castrop-Rauxel Rajko Kravanja, der Bezirksbürgermeister von Mengede Axel Kunstmann und die Heimatvereinsvorsitzenden Marc Frese (Ickern) und Hans-Ulrich Peuser (Mengede). Marc Frese hatte zusätzlich die Moderation übernommen und sorgte dafür, dass keine Frage aus dem Publikum ungehört blieb. Im ersten Teil ging es um den augenblicklichen Stand des Emscherumbaus und darum, welche Maßnahmen noch zu erwarten sind. Teichgräber teilte mit, dass augenblicklich die letzten Baumaßnahmen laufen und dass die Emscher 2022 abwasserfrei sein wird. Stolz verkündete er, dass die ursprünglich geplanten Kosten von 4,4 Mrd. € weitgehend eingehalten werden und dass die Marke von 5 Mrd. nicht überschritten wird. Nach einer Nachfrage von Werner Locker räumte er allerdings auch ein, dass nicht alle geplanten Projekte durchgeführt wurden, so verzichtete man z.B. im Bereich Ellinghausen auf ein ursprünglich geplantes weiteres Wehr, weil man zu der Erkenntnis kam, dass das in Ickern ausreicht. Allzu hochgestellte Erwartungen an die neue Emscher dämpfte er: „Die Emscher wird keine Isar werden.“ In vielen Bereichen wird also das einzwängende Bett bestehen bleiben. „Gerade bei der Emscher muss immer wieder ein Kompromiss zwischen Natur und Technik gesucht werden.“ Ein anderer Fragesteller wollte etwas über den Verbleib der auf dem Flussboden abgelagerten Schlämme wissen. Auch da müsse ein Kompromiss gefunden werden. Wo es geht, würden diese abgetragen, ansonsten nach oben hin versiegelt. Auch wenn die Emscher abwasserfrei ist, wird es immer wieder Geruchsbelästigungen geben, da eine Abwasserklärung nicht eine Geruchsbekämpfung beinhaltet. 

Vor Jahren noch undenkbar: Eine Schwanenfamilie genießt das Bad in der Emscher bei Mengede. Foto (c) Rita Wendel

Naturoase und Erholungsgebiet ja, Massentourismus nein
Diskutiert wurde auch, wie die durch das Rückhaltebecken entstandenen Emscher Auen weiterhin ihre Hochwasserschutz-Funktion behalten können, als Naturoase erhalten bleiben und dass sie trotzdem von Naturfreunden und Erholungssuchende genutzt werden können. Sie sollen weiterhin primär nur fußläufig oder mit Fahrrädern zu erreichen sein, PKW-Anfahrten sollen auf ein eben notwendiges Minimum beschränkt werden. Hans Ulrich Peuser betonte, dass es auch im Interesse der Mengeder Bürger liege, die Idylle zu erhalten

Bürgerinfo im Freien mit reger Beteiligung der Anwohner aus Mengede und Ickern. Foto (c) Diethelm Textoris

und keine Phönix-See-Zustände aufkommen zu lassen. Rajko Kravanja erklärte, dass aus diesem Grunde auch keine Großparkplätze in der nahen Umgebung geplant seien. Noch gäbe es allerdings keine befriedigende Lösung für die augenblicklich schon stark von Fremdparkern frequentierten Straßen in der Nähe des Beckens. Auch das Aufstellen von Ruhebänken muss gut durchdacht werden, denn, um einer Unratverschmutzung vorzubeugen, müssen Abfallbehälter aufgestellt und eine Entsorgung gewährleistet werden.      

Bewährungsprobe bestanden, aber am Hochwasserschutz muss weiter gearbeitet werden
Ein wichtiger Punkt war die Frage, ob die Hochwasserschutzmaßnahmen ausreichen. Teichgräber konstatierte, dass bei dem Starkregen am 14. Juli die Rückhaltebecken ihre erste Bewährungsprobe bestanden hätten, der Überlauf habe funktioniert, die Deiche gehalten und das Wehr, obwohl es noch nicht voll betriebsfertig sei, seine Funktion erfüllt. Allerdings räumte er ein, dass unsere Region, verglichen mit anderen Gebieten, in Bezug auf die Niederschlagsmenge in kürzester Zeit, noch sehr viel Glück gehabt habe. Für die Zukunft muss vor allem bei den Deichen nachgebessert werden. Ein Hochwasseraktionsplan und ein Starkregenkonzept sollen entwickelt werden. Geplant ist auch ein Poldersystem mit regulierenden Überläufen. “Dann gibt es auch Überschwemmungen in die Polder, aber die sind beherrschbar und es bricht nicht der ganze Damm mit katastrophalen Folgen“.  Relativ kurz behandelt wurde der Beitrag der Emscher und ihrer Region für den Weltkulturerbeantrag, weil die diesbezüglichen Ambitionen nach dem augenblicklichen Stand erst einmal ausgebremst wurden.