Sarah Bauer erzählt und Tante Matta spielt – eine gelungene Veranstaltung der
Buchhandlung am Amtshaus zum Mutmachen
„Irgendwann, fängt heute an, leb deinen Traum, und denk daran, niemand weiß, was noch geschieht, und ob es mal ein Später gibt.“ (Lied von Freddy Quinn aus dem Jahr 1996)
Dass sich Literatur und Musik wunderbar ergänzen, das zeigte wieder einmal eine Veranstaltung der Buchhandlung am Amtshaus in Mengede. Am Mittwoch, 24.8., hatten Michael Nau und sein Team unter dem Motto „Musik, Mut und Fernweh“ alle Reisefans, Traumtänzer, Irgendwann-Sager und Freunde handgemachter Musik eingeladen. Aber auch die, die aus irgendwelchen anderen Motiven gekommen waren, sei es aus Neugier, sei es aus Freude darüber, dass in Mengede mal wieder ein kulturelles Event stattfindet, wurden nicht enttäuscht.
Noch im Vorfeld hatten Veranstalter, Akteure und die Mengeder Gastronomin Anna Scheele Flexibilität und Improvisationstalent bewiesen, als sie wegen der aufgestauten unerträglichen Hitze in der Buchhandlung den Veranstaltungsort kurzfristig in den Saal des AS-Speiserestaurants Burghof verlegten, mit dem Nebeneffekt, dass noch einige ZuhörerInnen mehr wegen des größeren Platzangebots Karten für die ausverkaufte Veranstaltung bekommen konnten. Gestalter des Abends waren die Dortmunder Band „Tante Matta“, die für die Musik und den Gesang stand und die Autorin Sarah Bauer, die den literarischen Bereich mit den Inhalten Mut, Fernweh und Erleben abdeckte.
Nach einem passenden Intro mit dem Lied „Lebe jetzt von vorn“durch die Musiker begann Sarah Bauer ihren Vortrag, der eine Mischung aus Lesung und spontanen Äußerungen war. Das Publikum erfährt, dass sie bereits mit sieben Jahren am Kaffeetisch ihrer Großeltern ihren Lebenstraum formuliert hat: „Ich fahre nach Amerika.“ Die einzige, die diese Absicht ernst nimmt, ist sie selbst, denn von diesem Augenblick an packt sie sämtliche Geldgeschenke und späteren Einkünfte aus verschiedenen Jobs auf ein spießiges Sparkassenkonto, während Gleichaltrige ihr Geld für meist unnütze Gegenstände, Kleidung oder Autos ausgeben. Der plötzliche Tod der Großmutter macht ihr klar, dass man im Leben nichts aufschieben soll, dass „irgendwann“ genau wie „Angst“ nur Ausreden sind. Ihr Rat und eindringlicher Appell an die Zuhörer: „Wenn ihr eure Pläne verwirklichen wollt, dann macht das heute, später kann vielleicht zu spät sein.“
Ängste müssen überwunden werden
Der Verwirklichung des Traums stehen aber zunächst noch viele Ängste entgegen, reale, klar erkennbare und unterschwellig „blühende Neurosenhecken“, wie sie sagt. Da ist die Angst vorm Fliegen, die jeden Gedanken daran zu Horrorvorstellung macht und Herzrhythmusstörungen verursacht. Da ist die Angst vorm fremden Essen: „Schon als Kind fand ich Fleisch eklig, Käse hat gestunken, Oliven ähnelten Augäpfeln und Gemüse war eh raus.“ Mit der Zeit fand sie sich damit ab, wenigstens zu Hause zu essen, aber unterwegs sind alle Lebensmittel anders, „dann versandet mein Hunger in ein Gefühl von Brechreiz.“ Sie zweifelt an ihren Englischkenntnissen und diagnostiziert eine Phobie, spontan mit fremden Menschen zu sprechen. Horror hat sie auch vor Hostels, wo man spontan viele Leute kennenlernt, aber eben auch mit ihnen zu tun hat. Und dann ist da noch die Kriminalität. Dann wird ihr klar, dass sie ihre Träume nur verwirklichen kann, wenn sie die Ängste überwindet und sich immer wieder verdeutlicht sie sich: Angst ist keine Ausrede.
Dann verwirklicht sie ihren Traum, reist vier Monate durch die USA. Auch wenn die Angst immer mal wieder als Reisebegleiter auftaucht, lernt sie damit zu leben und sich ihr, wenn nötig, zu stellen. Es folgen weitere Passagen aus ihrem Buch, nicht viele, aber gerade so viel, dass die Zuhörer*innen nach den „Häppchen“ Appetit auf mehr bekommen und das ganz Buch lesen möchten. Sie beschreibt eine Situation, wo sie nachts fast auf einer Parkbank geschlafen hätte, bis sie, nach langem Zögern klingelt, Anwohner anspricht und erfährt, dass doch noch ein später Bus zu ihrem Hotel fährt. Oder wie sie in absoluter Dunkelheit im Brice Canon den strahlenden Sternenhimmel und die leuchtende Milchstraße erlebt. „Kein Foto kommt an das heran, was ich mit eigenen Augen sehe.“
Zwischen den einzelnen Vortragspassagen flochten die Solisten von Tante Matta immer wieder passende Lieder ein, von der Sehnsucht nach Veränderung und dem Blick nach vorn, mit Eingängigkeit in Text und Sound. „Wer niemals, träumt ist schon lebendig tot“, ist eines dieser aussagekräftigen Lieder. Und der Song „Ford Taunus“ passt auch irgendwie zur legendären „Rote 66“. Das Bemerkenswerte an ihren Liedern ist, dass sie einem vorkommen, als würde man sie schon jahrelang kennen, nach dem ersten Hören ist der Refrain im Kopf und lässt sich mitsingen. Gut, „Pack die Badehose ein“ sang im Jahre 1951 schon die kleine Cornelia Froboes, aber das war ein komplett anderes Lied, hatte einen anderen Inhalt und auch eine andere Melodie. Das Publikum nutzte immer lautstark die Mitmach- und Mitsingmöglichkeiten. Es war ja auch nicht schwer, viermal ein „Tschüs Sophie“ zu wiederholen und „Weg, weg, weg“ war auch ein einprägsamer Titel.
Insgesamt erlebten die ZuhörerInnen einen unterhaltsamen und spannenden Abend. Sie erlebten eine Autorin, die schon fast missionarisch Mut machend wirkte und dabei eine jugendliche Frische ausstrahlte, die sich auf das im Durchschnitt gar nicht so junge Publikum übertrug. Und Tante Matta verstärkte musikalisch die sich einstellenden Gefühle mit erzählten Geschichten, Musikalität, feiner Ironie und ganz viel Humor.
Das Buch „Angst ist keine Ausrede“ von Sarah Bauer, Hardcover, aufwändig gestaltet mit vielen faszinierenden Fotos, ist bei der Buchhandlung am Amtshaus vorrätig und zum Preis 22,99 € erhältlich.