Unterirdische Geschichte eines Hofes in Grevel
Im Sommer 2021 wurden in Dortmund-Grevel die Überreste einer neuzeitlichen Bebauung entdeckt und mit den Aufzeichnungen eines Greveler Bürgers verglichen. Die Denkmalbehörde Dortmund präsentiert die unter der Erde verborgene Geschichte(n) nun als Denkmal des Monats Oktober 2022 und macht so die Arbeit der Archäolog*innen besser nachvollziehbar.
Die Funde der ArchäologInnen
Auf dem Gelände des ehemaligen Goßmann-Hofs an der Straße „In der Liethe“ sollte neu gebaut werden. Vorab wurden Archäologen mit einer Voruntersuchung beauftragt. Was sie fanden, lässt auf eine komplexe Baugeschichte schließen: zahlreiche, mit Bauschutt und Keramik durchsetzte Erdschichten, zudem Mauerfundamente und Bodenbeläge aus Sandstein und Ziegeln sowie Brandreste, die wahrscheinlich auf die Jahre 1871 oder 1943 zurückgehen.
Zusätzlich wurden neun kleine Gruben entdeckt, in denen einst Holzpfosten eingegraben waren. Dabei dürfte es sich um die ältesten Überreste der ehemaligen Hofbebauung handeln. Eine Radiokarbon-Analyse der Holzreste wird bei der Datierung helfen.
Eindeutiger lassen sich mehrere zusammenhängende Ziegel-Mauerzüge im Nordosten des Geländes deuten: Offenbar handelt es sich um die Westfront des ehemaligen Hauptgebäudes, eines rechteckigen Wohnstallhauses. Westlich an die Außenmauer angelehnt fanden die Archäologen die Fundamentreste eines kleinen, quadratischen Anbaus, dessen Grund rund 1 Meter tiefer in den Boden reichte als die angrenzenden Mauern. In den bekannten Aufzeichnungen wird er nicht erwähnt – möglicherweise diente er als Abort.
Weiter südlich stießen die Fachleute auf die nahezu vollständig erhaltenen Fundamente eines alten Backhauses. Innerhalb des Gebäudes lässt sich der Standort eines Ofens und eines Futterkessels nachweisen. Der westliche Gebäudeteil unterscheidet sich durch die Qualität und den Verbund des Ziegelmauerwerks deutlich von den übrigen Relikten der Backstube. Offenbar wurde er später angebaut.
Im Nordwesten des Grabungsareals wurden überraschend Fundamentreste aus Sandsteinplatten entdeckt, die zu einem rechteckigen Gebäude mit einer Grundfläche von mindestens 2 x 10,2 Metern gehört haben muss. Ein entsprechendes Bauwerk ist weder in historischen Karten oder Luftbildern überliefert, noch findet es sich in den Beschreibungen zu der Hofanlage wieder. Auch die Ausrichtung passt nicht in das Bild der Überlieferung des 19./20. Jahrhunderts. Demnach muss es sich um die Überreste eines älteren Vorgängerbaues handeln.
Ein Bauernhof im Fokus
Wie die Archäologen ihre Funde deuten, passt gut zu privaten Aufzeichnungen, die der Hofbesitzer Goßmann im Jahr 1980 verfasste. Darin beschreibt er die Entwicklung der Gemeinde Grevel sowie das Schicksal des elterlichen Hofes seit der Mitte des 19. Jahrhunderts und erwähnt dabei auch das Wohnstallhaus aus Ziegelmauerwerk. Demnach wurde es 1848 als Hauptgebäude der Hofanlage errichtet und in den folgenden Jahrzehnten wiederholt erweitert und instand gesetzt. Der Bau des Backhauses fällt in das Jahr 1868. Detailliert beschreibt Goßmann die Backstube mit Ofen, einen weiteren Ofen zum Trocknen von Obst, einen Viehfutterkessel und eine Werkstatt, die in dem zweistöckigen Fachwerkbau eingerichtet waren.
Im Keller wurden laut der Aufzeichnungen Rüben als Futter für das Vieh gelagert. Des Weiteren umfasste die Hofanlage eine Scheune, die mehrfach durch Brände zerstört und wiedererrichtet wurde. Außerdem erwähnt Goßmann einen älteren Vorgängerbau des Wohnstallhauses, der um das Jahr 1710 errichtet worden sein soll – womöglich stammen die im Nordwesten des Areals freigelegten Sandsteinfundamente von dieser älteren Ausbauphase der Hofstelle.
Die Entwicklung Grevels
Die erste Erwähnung Grevels stammt aus dem Mittelalter: Im Jahr 1193 vermachte der damalige Erzbischof von Köln dem Kloster zu Rumbeke einen Wirtschaftshof (curtis) namens „curtis grevele“. Dieser wurde während des 14. Jahrhunderts zu einer Wasserburg ausgebaut und fungierte unter der Führung des Geschlechts von Grevele in den folgenden Jahrhunderten als administratives Zentrum für mehrere kleinere Hofanlagen.
Ein zeitlich nicht einzuordnender Brand zerstörte die Burg, an deren Stelle der noch heute bestehende „Brandhof“ (heute Werzenkamp 11) errichtet wurde. Bis in das 20. Jahrhundert waren Teile der zerstörten Burg im Garten des Brandhofs sichtbar, bis schließlich mit der Verfüllung der Gräfte in den 1970er-Jahren die letzten oberirdisch erhaltenen Strukturen beseitigt wurden. Im 17. Jahrhundert entstand östlich des Brandhofes das bis heute (wenn auch nicht in seiner originalen Bausubstanz) erhaltene Haus Grevel, das zum Mittelpunkt der Siedlung avancierte. Um 1800 verfügte Grevel neben einem größeren Gutshof über mehrere Vollbauernstellen und kleinere Kötterbetriebe. Auch das heutige Straßennetz bestand in seinen Grundzügen bereits zu dieser Zeit.
Die Industrialisierung und der Bergbau veränderten im 19. und frühen 20. Jahrhundert auch das Erscheinungsbild und die Sozialstruktur Grevels. So ging aus dem Betrieb der Zeche Gneisenau (ab 1886) die als „Greveler Alm“ bezeichnete Halde hervor. Auch das bekannte „Lanstroper Ei“, der 1904 errichtete Wasserturm, erinnert an die Zeit des wirtschaftlichen Um- und Aufbruchs.