„Objekt des Monats“ im Museum für Kunst und Kulturgeschichte ( MKK )

MKK; Foto: Archiv MIT

 Der Thonet-Stuhl: Kultobjekt aus dem Kaffeehaus

Das Objekt des Monats Februar im MKK hat Ann-Kathrin Mäker aus dem Team „Bildung und Vermittlung“ beschrieben. Es ist Stuhl – und doch viel mehr als das: Der Thonet-Stuhl ist Kultobjekt sowie ikonisches Mobiliar des Wiener Kaffeehauses. Zu sehen ist er im 3. Obergeschoss in der Abteilung Historismus.
Michael Thonet – Handwerker, Erfinder und Unternehmer aus dem Rheinland – entwickelte in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein neuartiges Verfahren im Möbelbau: Es gelang ihm, massive Buchenholzstäbe unter Dampfeinwirkung in geschwungene Formen zu biegen. Dazu werden die Stäbe zunächst zugeschnitten, dann in einer Dampfkammer unter Druck bei über 100 Grad behandelt, um sie geschmeidig zu machen. Anschließend werden die elastischen Stäbe von Hand und mithilfe von gusseisernen Formen gebogen – auch heute noch. Die gusseisernen Formen verhindern das Splittern der Hölzer an der Außenseite. Danach werden die gebogenen Möbelteile bei ca. 70 Grad etwa 20 Stunden getrocknet und erst dann aus den Biegeformen genommen, geschliffen, gebeizt und poliert. Der Fertigungsprozess dauert 8 Tage

Gebrüder Thonet, Stuhl Nr. 14, um 1870; Foto: MKK, Joana Maibach

Die Herstellungsweise kaschiert Thonet nicht, ganz im Gegenteil, sie wird zum Prinzip der Formgebung. Daher sind die Möbel im Gegensatz zu den schweren Möbeln der Zeit schlicht, preiswert und zweckmäßig. Zwar besteht ein Großteil der Herstellung noch aus Handarbeit, jedoch sind die einzelnen Arbeitsgänge so perfektioniert, dass auch der Stuhl Nr. 14 in großen Stückzahlen schnell hergestellt werden kann. Zudem besteht der Stuhl aus normierten und leichten Einzelteilen, die schnell aufgebaut sind – ein Prinzip, das dem schwedischen Möbelhaus IKEA im folgenden Jahrhundert (und bis heute) ungeahnte Erfolge feiern lässt.
So kann der Stuhl zerlegt und in Kisten verpackt um die ganze Welt verschifft werden. In einer Transportkiste mit einem Rauminhalt von einem Kubikmeter haben 36 zerlegte Stühle inklusive Schrauben Platz. Mit der Industrialisierung, dem ansteigenden Welthandel und den wachsenden Städten wurden in Büros, Bahnhöfen, Hotels, Restaurants, Cafés und vielen weiteren Gebäuden Stühle benötigt. Der Thonet Nr. 14 wurde in kurzer Zeit zu einem Massenprodukt, mit bis heute mehr als 50 Millionen verkauften Exemplaren.

Auf die Nr. 14 folgten weitere Bugholzentwürfe, die an den Erfolg anknüpften und dem Familienunternehmen zu einer Expansion in die ganze Welt verhalf.

Der meistverkaufte Stuhl Nr. 14 hat seine Wurzeln in Wien. Fürst Metternich wurde auf die Möbel Thonets aufmerksam und holte den Tischler nach Österreich, wo er ihn ab 1842 mit der Ausstattung verschiedener Palais und Kaffeehäuser in Wien beauftragte. Bereits um 1890 waren Thonets Bugholzstühle in der Wiener Gastronomie weit verbreitet.
Ausgehend von der Kaffeehauskultur Mitte des 19. Jahrhunderts, die dem Möbelmacher seine ersten Erfolge bescherte, sind Thonet-Stühle vor allem dort zu finden, wo Menschen zusammenkommen – an Orten der Begegnung, der Selbstdarstellung, aber auch des Rückzugs inmitten der Öffentlichkeit. Zahlreiche Postkarten aus dem frühen 20. Jahrhundert zeigen europäische Ballsäle, Casinos oder Grand-Hotels mit Bugholzstühlen, und auch in den 1920er-Jahren sind Treffpunkte, an denen das Leben pulsiert – wie Konzert- und Vortragssäle, Tanzbars, Cafés und Restaurants – mit Thonet ausgestattet.
Der Thonet Nr. 14 ist „mehr als ein Einrichtungsgegenstand – sondern vielmehr ein vertrautes Kulturgut, das wahrhaft zeitlos ist und das man wertschätzt und vererbt“, heißt es auf der Webseite des Unternehmens.

Der Eintritt ist frei.

Quelle: Pressestelle der Stadt Dortmund