Lass uns mal den Franz-Heinrich fragen
Im Stadtbezirk gibt es kaum jemanden, der sich in der Mengeder Geschichte so gut auskennt wie Franz-Heinrich Veuhoff, kaum jemanden, der so spannende und auch amüsante Geschichten aus unserem Heimatort zu erzählen weiß. Wenn sich strittige Fragen zu unserer Vergangenheit ergeben, so ist immer wieder zu hören: „Da müssen wir mal Franz-Heinrich fragen.“
Antwortsuchende gab es nicht nur bei interessierten Bürgerinnen und Bürgern. Gute Kontakte pflegt er auch zu den Behörden. Auch Studierenden und Dissertationen-Verfassende ersparte er schon mit seinen Kenntnissen aufwändige Recherchen, die vor einigen Jahren in der Vorzeit des Internets noch recht mühevoll waren. Am heutigen Samstag (15.4.) wird Veuhoff 80 Jahre alt. Ein Anlass für uns, unseren Leserinnen und Lesern diesen Mann, der so gar nicht viel Aufhebens von seiner Person macht und den ganzen Rummel mit einer Handbewegung abtut, einmal etwas näher zu bringen.
Schauen wir zurück auf Kindheit und Jugend. „Geboren bin ich im Schatten der evangelischen St. Remigius-Kirche im alten Ortskern in der Williburgstraße, als klassische Hausgeburt, wie sie damals üblich war“, stellt er rückblickend fest. Hineingeboren in eine gläubige Familie mit einem strengkatholischen Vater als Inhaber einer Schuhmacherwerkstatt. Mit einer tiefbraunen Nachbarschaft. Gegenüber stand das „Braune Haus“, die Mengeder Parteizentrale der NSDAP und die Residenz des berühmt berüchtigten Ortsgruppenleiters Franz Land, der eigentlich Krajewski hieß. Trotz aller konfessionellen und parteipolitischen Unterschiede gab es nach Veuhoffs Erinnerungen aber auch so etwas wie ein Nachbarschaftsgefühl. Der Bereich zwischen Widum und Mengeder Straße war das kindliche Spielrevier. Selbst die Williburgstraße diente als Fußballfeld, obwohl sie damals noch eine Art Autobahnzubringer war. „Bei der Gaststätte Kaffsack begann dann für uns schon das Ausland.“ Doch die unmittelbare Umgebung war Abenteuerareal.
Es machte Spaß, über Zäune zu klettern und Obst zu klauen. Bis die Kinder von der Frau Drucks die Erlaubnis bekamen, sich bei dem Obst wegen reichhaltiger Ernte ganz legal zu bedienen. „Die konnte ihren Mist behalten. Wie konnte sie uns nur so den Spaß verderben“, betont er auch heute noch mit gespielter Empörung. Oder die Spiel- und Versteckmöglichkeiten beim benachbarten Beerdigungsinstitut Quellenberg zwischen Särgen und anderen Bestattungsutensilien. „Aber die Pietät wurde gewahrt. War eine Leiche im Haus, wurde der Bereich abgeschlossen und war für uns tabu.“
Ein neues Kapitel begann für den Heranwachsenden mit der Schulzeit auf der Overbergschule am Markt, einer katholischen Volksschule für Jungen und Mädchen, streng getrennt von der evangelischen Dörpfeldschule im gleichen Gebäude. „Die Prügelstrafe war noch an der Tagesordnung. Der Rohrstock traf nicht nur unser Hinterteil, sondern oft auch die empfindlicheren Hände.“ Als seine Mitschüler sich auf die Aufnahmeprüfung für die benachbarte Realschule an der Adalmundstraße vorbereiteten, sperrte sich der junge Franz-Heinrich dagegen. Zunächst vor den Eltern verheimlicht. Doch sein Vater kam dahinter und war wenig begeistert.
Doch sein Onkel half ihm: „Lass den Jungen mal machen, der wird schon seinen Weg finden.“ Hat er. Nach 8 Jahren Volksschule und manchem verdienten Schulfrei wegen terminlich parallel stattfindender Verpflichtungen als Messdiener, entschied er sich für den Besuch der Handelsschule in Dortmund. „Das war ein Glücksfall, weil ich hier die Grundlagen für meinen späteren Beruf erhielt und die mir einen Vorsprung vor manchen meiner Kollegen vermittelten.“ Schule in früheren Zeiten als Karrieresprungbrett. Auch seine Ausbildung im Bereich der Wohnungswirtschaft mit guten Ausbildern und den anschließenden beruflichen Aufstieg bezeichnet er als Glücksfall. So blieb er bis zu seinem Eintritt in das Rentenalter und noch ein wenig darüber hinaus immer bei der gleichen Unternehmung, wenn auch aus den „Westfälischen Wohnstätten“ die „Vonovia“ wurde. Dabei ergaben sich viele Kontakte zu Behörden wie Liegenschafts-, Kataster- oder Grundbuchamt, die ihm auch bei seinen privaten Forschungen von Nutzen waren. Trotz gehobener Position fühlt und bezeichnet sich Veuhoff immer als Mann des Mittelstandes. Einsetzen für die Mieter war für ihn Selbstverständlichkeit: „Auch wenn man es vielleicht nicht glaubt. Nach Renovierungen von Immobilien galt für uns immer der Grundsatz: Am besten ist ein Erwerb durch den ursprünglichen Mieter oder ein erneuter Bezug der Wohnung durch ihn.“
Als Glücksfall an sich bezeichnet Veuhoff sein familiäres Umfeld. Liane, die Frau an seiner Seite, mit der er seit 1971 verheiratet ist, seine beiden erwachsenen Töchter und die zwei Enkelkinder. Die werden auch seinen Geburtstag mit ihm verbringen. Nicht im heimischen Mengede. In der Nähe von Willingen, im Waldecker Upland, abgeschieden im Wald, hat die Familie ein Ferienhaus, das inzwischen Veuhoffs Kindern gehört. Dort glaubt er, dem sich hier in Mengede vielleicht ergebenden Trubel zu entfliehen. Bleibt zum Schluss noch die Frage, wie entstand seine Heimatverbundenheit, wie kam er zu dem heimatkundlichen Wissen und den vielen Geschichten? „Die Wurzel liegt wieder in der Familie, in die ich hineingeboren wurde. Viele Dönekes wurden früher im Familienkreis erzählt, ich merkte mir auch das, was ich in der Nachbarschaft hörte, später untersuchte ich Originaldokumente, die Sütterlin-Schrift konnte ich problemlos lesen, doch an der unleserlichen Schrift von Pastor Albrecht Stenger verzweifelte ich. Mein Großonkel Wilhelm veröffentlichte plattdeutsche Geschichten in der Mengeder Zeitung, ein wahrer Schatz, auf den ich heute noch zurückgreifen kann.“
Aus den Geschichtskenntnissen und der Heimatverbundenheit ergab sich auch die vielfältige ehrenamtliche Tätigkeit: Mitglied im Arbeitskreis Altmengede und im Redaktionsteam für die Heimatblätter des Heimatvereins, aktiv beim Kulturzentrum Mengeder Saalbau, Verfasser von Faltblättern und Broschüren, ortskundiger Stadtführer. Gibt es bei der letztgenannten Tätigkeit Lieblingsorte? Ja, das Gebäude des Saalbaus, die Gefängniszelle im Amtshaus, in die er gern auch mal einen Besucher einsperrt und, von vielen übersehen, den ehemaligen „Leuchtturm“ am Mengeder Markt. Und eine Anekdote zum Schluss, die er, wie alle seine Geschichten, mit viel unterschwelligem Humor erzählt: „ Da gab es doch, bereits in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts im Gemeinderat der katholischen Kirche einen durchaus ernstgemeinten Antrag des Uhrmachers Haunhorst. Darin setzte er sich dafür ein, dass es den protestantischen Hühnern des Nachbarn Hüsing verboten werden sollte, ihre Nahrung im katholischen Pfarrgarten zu suchen.“ Der Antrag wurde abgelehnt. Das war vielleicht der Beginn einer wunderbaren, noch heute im Mengede erfolgreich gelebten Ökumene.