Ödipussi in der Bezirksvertretung
Loriot hätte bei der Sitzung seine Freude gehabt. Allzu deutlich lebte die Erinnerung an den bekannten Spielfilm auf, in dem Vicco von Bülow in einer Nebenszene als Vereinsvorsitzender eine Sitzung leitet, bei der nach einer kuriosen Diskussion als Ergebnis das Protokoll aus einem Satz besteht: „…die Vereinsmitglieder sind vollständig erschienen!“ https://www.youtube.com/results?search_query=%C3%96dipussi+vereinsvorstand
Der Grund für ein Auseinanderdriften eines fast halbstündigen Meinungsaustausches der versammelten PolitikerInnen kam zunächst ganz sachlich und unverdächtig daher. Mit einer Beschlussvorlage hatte das Ordnungsamt die Bezirksvertretung Mengede gebeten, die Durchführung eines Feuerwerks am Freitag dem 30.06.2023 anlässlich der Bodelschwingher Kirmes auf dem Schulhof der Bodelschwingher Grundschule zu genehmigen. An einem Freitag also, ein Veranstaltungs-Wochentag, der im vergangenen Jahr entgegen der über 500 Jahre üblichen Kirmestradition, nach der die Kirmes von Samstag bis Montag abzuhalten ist, den coronagebeutelten Schaustellern erstmalig zusätzlich zugestanden wurde.
„Feuerwerk in Bodelschwingh an einem Freitag, das geht gar nicht! Montag ist gute Tradition, und so muss es bleiben!“ Vehement startete CDU-Fraktionssprecher Andreas Flur so in eine Diskussion, die fast alle Bezirksvertreter/innen bewog, sich beim Austausch ihrer Argumente dafür bzw. dagegen zu beteiligen: „Freitag ist familienfreundlicher, da die Kinder sich am folgenden Samstag ausschlafen können“. “Es sind Sommerferien, da können sie auch am Dienstag ausschlafen!“ „Viele Kinder kommen sowieso nicht zum Feuerwerk!“ „Es sind doch nur die Schausteller, die den Freitag wollen, damit sie schon am Montag abrüsten können!“ „Da steckt bestimmt der Patrick Arens dahinter!“ „Das Feuerwerk wird von den Schaustellern bezahlt, also können sie es auch entscheiden!“ „Viele BesucherInnen kommen nur am Montag wegen des Feuerwerks!“
In Analogie zur oben genannten Loriot-Glosse fehlte dann eigentlich nur noch eine Person, die mit dem fortwährend wiederholtem Zwischenruf: „das ist ein ganz heißes Eisen!“ für die notwendige Schärfe sorgte.
Als dann Peter Bohnhof (AFD) vergnüglich zwecks Verwirrung der Anwesenden aus der amtlichen Beschlussvorlage die dort artikulierte Wirkung eines Feuerwerks auf die Klimabilanz zitierte: „durch die Verbrennung von einer Tonne pyrotechnischem Satz entstünden 156 Kilogramm an klimarelevantem CO2, was bedeute, dass bei allen Feuerwerken ein Anteil von nur 0,00013% an den jährlichen in Deutschland ausgestoßenen Treibhausgasen ausgestoßen würden“, hatte sogar der von seinen Parteioberen ignorierte Klimawandel eine Position im Diskussionskarussell gefunden.
Bezirksbürgermeister-Vize Bruno Wisbar (SPD), bei dieser Sitzung als Vertreter von Axel Kunstmann (B’90/DIE GRÜNEN) zuständig für die Moderation, versuchte zunächst vergeblich mit Kompromiss-Formulierungsvorschlägen eine Lösung zu finden, genoss in der Folge sichtlich dann ebenso wie Antje Klein, die rechtskundige Leiterin der Bezirksverwaltungsstelle, das engagierte Treiben der anwesenden Politikerinnen und Politiker.
Frau Kleins Drohung, bei Ablehnen des Freitagstermins gäbe es gar kein Feuerwerk, erwirkte aber schließlich, dass man doch zähneknirschend beschloss, den Freitagstermin zu akzeptieren, die Akzeptanz jedoch mit einer Empfehlung zu versehen, bei der Planung für das nächste Jahr aber rechtzeitig beteiligt zu werden.
Dauerthema in den Beratungen der Bezirksvertretung ist seit Langem die Brückenproblematik in Schwieringhausen und Groppenbruch. Bereits in der Einwohnerfragestunde hatte sich eine Bürgerin intensiv über die für sie als Anwohnerin und ihre Nachbarn unzumutbaren Umstände beklagt, musste jedoch einsehen, dass die Möglichkeiten der Ortspolitik begrenzt sind. Einzige und ehrliche Antwort des stellv. Bezirksbürgermeisters: „Wir bleiben am Ball, sind aber derzeit mit unserem Latein am Ende!“
Kenntnisse in Latein waren aber auch nicht vonnöten, als zum selbigen Thema der Antrag der Fraktion DIE LINKE/DIE PARTEI aufgerufen wurde. Deren Forderung im Wortlaut: „Die Bezirksvertretung Mengede beauftragt die Verwaltung, mit Straßen.NRW in Kontakt zu treten, und darauf hinzuwirken, dass Fahrbahnschwellen vor der Groppenbrucher-Brücke in beiden Fahrtrichtungen installiert werden und die Groppenbrucher-Brücke für den LKW-Verkehr gesperrt wird.“
Man hätte es sich auch hier einfach machen und dem in der Sitzung in beratender Funktion anwesenden Ratsvertreter Torsten Heymann (SPD) folgen können: „Wir sind nicht zuständig!“ Statt dessen entspann sich eine weitere ausufernde Diskussion, wohl wissend, dass man dabei war, einen sog. „Schaufensterantrag“ zu artikulieren. Mit dem Ergebnis, dass der Antrag in drei Teilanträge zerlegt wurde und bei der Abstimmung keine Schwellen und kein LKW-Fahrverbot, dafür aber die Installation einer Ampel-Signalanlage mit einer Stimmenmehrheit empfohlen wurde.